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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Weltspiegel

Deutschland der oberschlesische Jndustriebezirk genommen werden. Die Schwierig¬
keit, diese beiden Standpunkte, den englischen und den französischen, miteinander
in Einklang zu bringen, lag vornehmlich darin, daß es sich diesmal nicht um hypo¬
thetische Milliarden, die man so oder anders gruppieren konnte, handelt, sondern
um konkrete Dinge, die nahezu jeder Kompromißlösung spotteten. -Ein Kampf
schien unvermeidlich, wenn er auch vornehmlich aus diplomatischem Gebiet auszu-
fechten war.

Wie war die Stellung der beiden Gegner zu Beginn dieses Kampfes? Un¬
zweifelhaft war die der Engländer günstiger. Der große Streit war. hauptsächlich
durch die wunderbare Gabe des Engländers, Konflikte im Innern wohl klar zu
erfassen, aber niemals zu Katastrophen werden zu lassen, beigelegt, der Streit mit
Irland, der nach dem Kriege Englands beste Kräfte aufzehrte und die Stellung
der Negierung ständig gefährdete, in ein Stadium aussichtsreicher Verhandlungen
getreten. DaS Verhältnis zu Amerika war, wohl nicht ohne Vermittlung der
Dominions, namentlich im Hinblick auf die Washingtoner Konferenz, auf der die
Vereinigten Staaten auf den Beistand Englands zu rechnen wünschen, um so
vieles gebessert, daß die Gefahr einer französisch-amerikanischen Allianz, obwohl
die Franzosen trotz Vivianis Mißerfolg täglich in unwürdigster Weise um sie
werben, vorläufig in den Hintergrund trat. Vor allem aber hatte es Lloyd George
verstanden, sich aus der Reichskonferenz mit einer Vollmacht für das gesamte
britische Weltreich ausstatten zu lassen. Er erschien in Paris nicht als der bloße
Vertreter eines immerhin vergänglichen englischen Kabinetts, sondern als der
gewählte und betraute Sprecher und Führer der gesamten englischen Weltpolitik,
ohne deren Hilfe Frankreich den Krieg niemals gewonnen haben würde. Außer¬
dem war die englische Politik nach jeder Richtung hin frei, denn die Abmachungen,
auf die Herr Stresemann sich zu berufen für richtig hielt, werden englischer Ge¬
pflogenheit gemäß nicht in einer Form gegeben worden sein, die der englischen
Regierung die Möglichkeit freier Entscheidung genommen hätte, und im Orient
hatte England infolge der Siege der Griechen französische Unterstützung vorläufig
nicht nötig.

Die französische Regierung dagegen war von Anfang an in ungünstiger
Position. Sie konnte in einem Augenblick, da gleichfalls infolge der griechischen
Erfolge in Kleinasien die ganze französische Orientpolitik zusammenzubrechen, die
gesamte Jahrhunderte alte Tradition französischen Orienteinftusses abzureißen
droht, bei den mannigfachen übrigen Neibungspunkten -- Nutzland, Marokko,
China, Ostsee, Amerika, Syrien -- nicht daran denken, sich mit England ernsthaft
zu verfeinden und die Last der Durchführung des Versailler Vertrages ganz allein
auf sich zu nehmen, sie hatte sich durch ihre kaum versteckte Begünstigung des
polnischen Aufstandes mit einem Odium beladen, das ihre Aktionskra/t hemmte,
sie mußte ferner Rücksicht nehmen auf eine turbulente Kammer und ehrgeizige
Rivalen um die Regierungsgewalt, und war obendrein seit dem Februar den
Polen gegenüber unfrei. Es gab für sie nur Sieg oder Zusammenbruch und
wenn eine derartige Alternative auch einerseits geeignet ist, zu höchster Kraft¬
entfaltung anzuspornen, so wachsen durch die Unausweichlichkeit dieser Alternative
und den Krampf solcher Anstrengung auch die Gefahren. Hinzu kam, daß freilich
Belgien bereit war, mit seinem Verbündeten durch dick und dünn zu gehen,
gerade im Hauptpunkte. Oberschlesien, aber keine Gelegenheit dazu erhielt, daß
Italien sich, mißtrauisch gegen eine den Besitz des Ruhrgebiets anstrebende fran¬
zösische Politik industrieller Hegemonie, und im Orient trotz offenkundiger Gegen¬
sätze zu Griechenland, seiner Gewohnheit nach dem zurzeit Mächtigeren zuneigend,
sich wider alle Erwartungen, die man französischerseits in den Marquis della
Torretta gesetzt hatte, und trotzdem man ihm in Paris eifrig alle diplomatische
Unterstützung in Albanien zusagte, der englischen Ausfassung näherte und anschloß.
Die ganze Situation war auf Biegen oder Brechen gestellt.

Vom rein diplomatischen Standpunkte muß daher die Lösung, Verweisung
der Streitfrage an den Völkerbund, als genial bezeichnet werden. Frankreichs


Weltspiegel

Deutschland der oberschlesische Jndustriebezirk genommen werden. Die Schwierig¬
keit, diese beiden Standpunkte, den englischen und den französischen, miteinander
in Einklang zu bringen, lag vornehmlich darin, daß es sich diesmal nicht um hypo¬
thetische Milliarden, die man so oder anders gruppieren konnte, handelt, sondern
um konkrete Dinge, die nahezu jeder Kompromißlösung spotteten. -Ein Kampf
schien unvermeidlich, wenn er auch vornehmlich aus diplomatischem Gebiet auszu-
fechten war.

Wie war die Stellung der beiden Gegner zu Beginn dieses Kampfes? Un¬
zweifelhaft war die der Engländer günstiger. Der große Streit war. hauptsächlich
durch die wunderbare Gabe des Engländers, Konflikte im Innern wohl klar zu
erfassen, aber niemals zu Katastrophen werden zu lassen, beigelegt, der Streit mit
Irland, der nach dem Kriege Englands beste Kräfte aufzehrte und die Stellung
der Negierung ständig gefährdete, in ein Stadium aussichtsreicher Verhandlungen
getreten. DaS Verhältnis zu Amerika war, wohl nicht ohne Vermittlung der
Dominions, namentlich im Hinblick auf die Washingtoner Konferenz, auf der die
Vereinigten Staaten auf den Beistand Englands zu rechnen wünschen, um so
vieles gebessert, daß die Gefahr einer französisch-amerikanischen Allianz, obwohl
die Franzosen trotz Vivianis Mißerfolg täglich in unwürdigster Weise um sie
werben, vorläufig in den Hintergrund trat. Vor allem aber hatte es Lloyd George
verstanden, sich aus der Reichskonferenz mit einer Vollmacht für das gesamte
britische Weltreich ausstatten zu lassen. Er erschien in Paris nicht als der bloße
Vertreter eines immerhin vergänglichen englischen Kabinetts, sondern als der
gewählte und betraute Sprecher und Führer der gesamten englischen Weltpolitik,
ohne deren Hilfe Frankreich den Krieg niemals gewonnen haben würde. Außer¬
dem war die englische Politik nach jeder Richtung hin frei, denn die Abmachungen,
auf die Herr Stresemann sich zu berufen für richtig hielt, werden englischer Ge¬
pflogenheit gemäß nicht in einer Form gegeben worden sein, die der englischen
Regierung die Möglichkeit freier Entscheidung genommen hätte, und im Orient
hatte England infolge der Siege der Griechen französische Unterstützung vorläufig
nicht nötig.

Die französische Regierung dagegen war von Anfang an in ungünstiger
Position. Sie konnte in einem Augenblick, da gleichfalls infolge der griechischen
Erfolge in Kleinasien die ganze französische Orientpolitik zusammenzubrechen, die
gesamte Jahrhunderte alte Tradition französischen Orienteinftusses abzureißen
droht, bei den mannigfachen übrigen Neibungspunkten — Nutzland, Marokko,
China, Ostsee, Amerika, Syrien — nicht daran denken, sich mit England ernsthaft
zu verfeinden und die Last der Durchführung des Versailler Vertrages ganz allein
auf sich zu nehmen, sie hatte sich durch ihre kaum versteckte Begünstigung des
polnischen Aufstandes mit einem Odium beladen, das ihre Aktionskra/t hemmte,
sie mußte ferner Rücksicht nehmen auf eine turbulente Kammer und ehrgeizige
Rivalen um die Regierungsgewalt, und war obendrein seit dem Februar den
Polen gegenüber unfrei. Es gab für sie nur Sieg oder Zusammenbruch und
wenn eine derartige Alternative auch einerseits geeignet ist, zu höchster Kraft¬
entfaltung anzuspornen, so wachsen durch die Unausweichlichkeit dieser Alternative
und den Krampf solcher Anstrengung auch die Gefahren. Hinzu kam, daß freilich
Belgien bereit war, mit seinem Verbündeten durch dick und dünn zu gehen,
gerade im Hauptpunkte. Oberschlesien, aber keine Gelegenheit dazu erhielt, daß
Italien sich, mißtrauisch gegen eine den Besitz des Ruhrgebiets anstrebende fran¬
zösische Politik industrieller Hegemonie, und im Orient trotz offenkundiger Gegen¬
sätze zu Griechenland, seiner Gewohnheit nach dem zurzeit Mächtigeren zuneigend,
sich wider alle Erwartungen, die man französischerseits in den Marquis della
Torretta gesetzt hatte, und trotzdem man ihm in Paris eifrig alle diplomatische
Unterstützung in Albanien zusagte, der englischen Ausfassung näherte und anschloß.
Die ganze Situation war auf Biegen oder Brechen gestellt.

Vom rein diplomatischen Standpunkte muß daher die Lösung, Verweisung
der Streitfrage an den Völkerbund, als genial bezeichnet werden. Frankreichs


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[0232] Weltspiegel Deutschland der oberschlesische Jndustriebezirk genommen werden. Die Schwierig¬ keit, diese beiden Standpunkte, den englischen und den französischen, miteinander in Einklang zu bringen, lag vornehmlich darin, daß es sich diesmal nicht um hypo¬ thetische Milliarden, die man so oder anders gruppieren konnte, handelt, sondern um konkrete Dinge, die nahezu jeder Kompromißlösung spotteten. -Ein Kampf schien unvermeidlich, wenn er auch vornehmlich aus diplomatischem Gebiet auszu- fechten war. Wie war die Stellung der beiden Gegner zu Beginn dieses Kampfes? Un¬ zweifelhaft war die der Engländer günstiger. Der große Streit war. hauptsächlich durch die wunderbare Gabe des Engländers, Konflikte im Innern wohl klar zu erfassen, aber niemals zu Katastrophen werden zu lassen, beigelegt, der Streit mit Irland, der nach dem Kriege Englands beste Kräfte aufzehrte und die Stellung der Negierung ständig gefährdete, in ein Stadium aussichtsreicher Verhandlungen getreten. DaS Verhältnis zu Amerika war, wohl nicht ohne Vermittlung der Dominions, namentlich im Hinblick auf die Washingtoner Konferenz, auf der die Vereinigten Staaten auf den Beistand Englands zu rechnen wünschen, um so vieles gebessert, daß die Gefahr einer französisch-amerikanischen Allianz, obwohl die Franzosen trotz Vivianis Mißerfolg täglich in unwürdigster Weise um sie werben, vorläufig in den Hintergrund trat. Vor allem aber hatte es Lloyd George verstanden, sich aus der Reichskonferenz mit einer Vollmacht für das gesamte britische Weltreich ausstatten zu lassen. Er erschien in Paris nicht als der bloße Vertreter eines immerhin vergänglichen englischen Kabinetts, sondern als der gewählte und betraute Sprecher und Führer der gesamten englischen Weltpolitik, ohne deren Hilfe Frankreich den Krieg niemals gewonnen haben würde. Außer¬ dem war die englische Politik nach jeder Richtung hin frei, denn die Abmachungen, auf die Herr Stresemann sich zu berufen für richtig hielt, werden englischer Ge¬ pflogenheit gemäß nicht in einer Form gegeben worden sein, die der englischen Regierung die Möglichkeit freier Entscheidung genommen hätte, und im Orient hatte England infolge der Siege der Griechen französische Unterstützung vorläufig nicht nötig. Die französische Regierung dagegen war von Anfang an in ungünstiger Position. Sie konnte in einem Augenblick, da gleichfalls infolge der griechischen Erfolge in Kleinasien die ganze französische Orientpolitik zusammenzubrechen, die gesamte Jahrhunderte alte Tradition französischen Orienteinftusses abzureißen droht, bei den mannigfachen übrigen Neibungspunkten — Nutzland, Marokko, China, Ostsee, Amerika, Syrien — nicht daran denken, sich mit England ernsthaft zu verfeinden und die Last der Durchführung des Versailler Vertrages ganz allein auf sich zu nehmen, sie hatte sich durch ihre kaum versteckte Begünstigung des polnischen Aufstandes mit einem Odium beladen, das ihre Aktionskra/t hemmte, sie mußte ferner Rücksicht nehmen auf eine turbulente Kammer und ehrgeizige Rivalen um die Regierungsgewalt, und war obendrein seit dem Februar den Polen gegenüber unfrei. Es gab für sie nur Sieg oder Zusammenbruch und wenn eine derartige Alternative auch einerseits geeignet ist, zu höchster Kraft¬ entfaltung anzuspornen, so wachsen durch die Unausweichlichkeit dieser Alternative und den Krampf solcher Anstrengung auch die Gefahren. Hinzu kam, daß freilich Belgien bereit war, mit seinem Verbündeten durch dick und dünn zu gehen, gerade im Hauptpunkte. Oberschlesien, aber keine Gelegenheit dazu erhielt, daß Italien sich, mißtrauisch gegen eine den Besitz des Ruhrgebiets anstrebende fran¬ zösische Politik industrieller Hegemonie, und im Orient trotz offenkundiger Gegen¬ sätze zu Griechenland, seiner Gewohnheit nach dem zurzeit Mächtigeren zuneigend, sich wider alle Erwartungen, die man französischerseits in den Marquis della Torretta gesetzt hatte, und trotzdem man ihm in Paris eifrig alle diplomatische Unterstützung in Albanien zusagte, der englischen Ausfassung näherte und anschloß. Die ganze Situation war auf Biegen oder Brechen gestellt. Vom rein diplomatischen Standpunkte muß daher die Lösung, Verweisung der Streitfrage an den Völkerbund, als genial bezeichnet werden. Frankreichs

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/232>, abgerufen am 27.06.2024.