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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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[Beginn Spaltensatz]

"Ein Faktum unseres Lebens gilt nicht, in¬
sofern es wahr ist, sondern insofern es
etwas zu bedeuten hat." Es ist ein erfreu¬
liches Zeichen.daß dieneuesteLileraturgeschichts-
schreibung sich diese Grundsätze unseres
größten Meisters biographischer Kunst wieder
mehr und mehr zu eigen macht, nachdem sie
allzuoft, vom falsch verstandenen Ideal er¬
schöpfender biographischer Genauigkeit irre¬
geleitet, ihre Kräfte mit der wahlloser
Sammlung alles erreichbaren Tatsachen¬
materials vergeudete. Eine Reihe vorbildlicher
Dichterbiographien, die unter dem besonderen
Schutze des verdienstvollen Verlags C, H. Beck
in München ins Leben treten konnten, legt
Zeugnis ab von dem neu erroachten Bestreben,
wissenschaftlich tief schürfende Analyse mit
künstlerisch dentender Synthese zu einem
lebendig erfaßten Gesamtbilde zusammen¬
zuschließen. NachCunradWcmdrey's Fontanc-
Buch legt uns der rührige Verlag nun die
lang entbehrte Immermann-Vivgraphie des
Berner Literarhistorikers Harry Maync
vor, dessen fleißiger Feder wir schon ?/i2
gehaltvollen Würdigungen Mörikes, Lilien-
crons und Fontanes verdanken. Als hoch¬
gestecktes Ziel schwebte dem Verfasser vor,
seinem Volke womöglich nicht ein, sondern
das Buch über Immermann zu schenken.
Wie dem Dichter selbst sein Leben "nicht
wichtig genug erschien, um es mit allen seinen
Einzelheiten auf den Markt zu bringen", so
beschränkt sich auch sein Biograph von vorn¬
herein darauf, das Bild Immermanns von
den entstellenden Zügen zu befreien, die ihm
die tendenziös gefärbten Darstellungen von
Putlitz und Ludmilla Ussing allzulange ge¬
liehen haben, und es als Seelenbiographie
und Jdeengeschichte auf dem farbigen Hinter¬
grund einer reich bewegten Zeit zu erneuern.
Daß er es gerade jetzt tut, das ist es, was
Wir ihm am meisten danken, Zur rechten
Stunde rückt er die machtvolle Persönlichkeit
Immermanns in das Bewußtsein unserer
gährendenZeit.diewiekaum einezweite in ihrem
Ringen nach einem Lebensinhalt das Bild
jener Mergangsepoche widerspiegelt, der der
Dichter in hartem Kampfe erwuchs. Schwer
belastet mit dem Erbe der absterbenden
Romantik, in heißem Bemühen um eine Welt-
und Lebensanschauung immer wieder dem

[Spaltenumbruch]

Fluche des Epigonentums erliegend, betritt
er, ein spät Gereifter, ans Westfalens roter
Erde den lang gesuchten Boden erdgebundener
Wirklichkeit und gewinnt mit ihm daszulunfts-
frohs Nationalgefühl und die überlegene
Weltansicht des großen Epikers, der in seinem
"Münchycmsen" dem deutschen Volke den
ersten großen sozialen Roman und das erste
realistische Landschaftsbild großen Stils schafft.
Meisterhaft hat es der Versasser verstanden,
die vislverschlungene, auf stolzer Höhe allzu¬
früh abbrechende Entwicklung des Menschen
und des Dichters zu verfolgen und seine
geschichtliche Sendung der Nachwelt zu künden.
Er sieht mit Julius Bab in Immermanns
Werk "eine der großen Stationen, zu denen
die Entwicklung zurückkehren muß, wenn sie
Wird weiter vorwärts gehen wollen, und
mahnt, auf seine Stimme zu hören, wenn
wir Heutigen uns den Weg wollen weisen
lassen, der über romantische Zerissenheit
hinaus zu einem neuen Glauben und zu
neuen Taten führen kann".

Dr. Oswald Dammann
Lngrlos ^aller, l^es ?rücursLurs cle
t^iskscms. I^ick^scKs, sa vie- et sa
pensöe. Läition Lossarcl. Paris. 1920.
18 pr.

Adler untersucht die Zusammenhänge
Nietzsches nicht nur mit Goethe, Schiller,
Hölderlin, Fichte, Kleist, Schopenhauer und
Burkhardt, sondern, was seinem Buel speziell
für den deutschen Leser einen besonderen
Wert verleiht, auch mit Montaigne, Pascal,
Larochefoucauld, Fontenelle, Chamfort,
Stendhal, Emerson, ohne deshalb Nietzsches
Originalität verkleinern zu wollen. Das
Buch ist dem Gedächtnis zahlreicher im Krieg
gebliebener französischer Germanisten ge¬
widmet.

G. Reck-l, Ibsen und Björnson. Aus Natur
und Geisteswelt. 636. Band. Veck-z
B. G. Teubner, Leipzig. Berlin. 1921.
Karl. M. 2.80. Geb. M. 3.50.

Eines der besten neueren Bändchen der
bewährten Sammlung, in ansprechender
Verbindung von Biographie und literarischer
Analyse.

Ernst Hcilvorn, Ernte. 2. Bd. Jahrbuch
der Halbmonatsschrift: Das Literarische
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„Ein Faktum unseres Lebens gilt nicht, in¬
sofern es wahr ist, sondern insofern es
etwas zu bedeuten hat." Es ist ein erfreu¬
liches Zeichen.daß dieneuesteLileraturgeschichts-
schreibung sich diese Grundsätze unseres
größten Meisters biographischer Kunst wieder
mehr und mehr zu eigen macht, nachdem sie
allzuoft, vom falsch verstandenen Ideal er¬
schöpfender biographischer Genauigkeit irre¬
geleitet, ihre Kräfte mit der wahlloser
Sammlung alles erreichbaren Tatsachen¬
materials vergeudete. Eine Reihe vorbildlicher
Dichterbiographien, die unter dem besonderen
Schutze des verdienstvollen Verlags C, H. Beck
in München ins Leben treten konnten, legt
Zeugnis ab von dem neu erroachten Bestreben,
wissenschaftlich tief schürfende Analyse mit
künstlerisch dentender Synthese zu einem
lebendig erfaßten Gesamtbilde zusammen¬
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Buch legt uns der rührige Verlag nun die
lang entbehrte Immermann-Vivgraphie des
Berner Literarhistorikers Harry Maync
vor, dessen fleißiger Feder wir schon ?/i2
gehaltvollen Würdigungen Mörikes, Lilien-
crons und Fontanes verdanken. Als hoch¬
gestecktes Ziel schwebte dem Verfasser vor,
seinem Volke womöglich nicht ein, sondern
das Buch über Immermann zu schenken.
Wie dem Dichter selbst sein Leben „nicht
wichtig genug erschien, um es mit allen seinen
Einzelheiten auf den Markt zu bringen", so
beschränkt sich auch sein Biograph von vorn¬
herein darauf, das Bild Immermanns von
den entstellenden Zügen zu befreien, die ihm
die tendenziös gefärbten Darstellungen von
Putlitz und Ludmilla Ussing allzulange ge¬
liehen haben, und es als Seelenbiographie
und Jdeengeschichte auf dem farbigen Hinter¬
grund einer reich bewegten Zeit zu erneuern.
Daß er es gerade jetzt tut, das ist es, was
Wir ihm am meisten danken, Zur rechten
Stunde rückt er die machtvolle Persönlichkeit
Immermanns in das Bewußtsein unserer
gährendenZeit.diewiekaum einezweite in ihrem
Ringen nach einem Lebensinhalt das Bild
jener Mergangsepoche widerspiegelt, der der
Dichter in hartem Kampfe erwuchs. Schwer
belastet mit dem Erbe der absterbenden
Romantik, in heißem Bemühen um eine Welt-
und Lebensanschauung immer wieder dem

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Fluche des Epigonentums erliegend, betritt
er, ein spät Gereifter, ans Westfalens roter
Erde den lang gesuchten Boden erdgebundener
Wirklichkeit und gewinnt mit ihm daszulunfts-
frohs Nationalgefühl und die überlegene
Weltansicht des großen Epikers, der in seinem
„Münchycmsen" dem deutschen Volke den
ersten großen sozialen Roman und das erste
realistische Landschaftsbild großen Stils schafft.
Meisterhaft hat es der Versasser verstanden,
die vislverschlungene, auf stolzer Höhe allzu¬
früh abbrechende Entwicklung des Menschen
und des Dichters zu verfolgen und seine
geschichtliche Sendung der Nachwelt zu künden.
Er sieht mit Julius Bab in Immermanns
Werk „eine der großen Stationen, zu denen
die Entwicklung zurückkehren muß, wenn sie
Wird weiter vorwärts gehen wollen, und
mahnt, auf seine Stimme zu hören, wenn
wir Heutigen uns den Weg wollen weisen
lassen, der über romantische Zerissenheit
hinaus zu einem neuen Glauben und zu
neuen Taten führen kann".

Dr. Oswald Dammann
Lngrlos ^aller, l^es ?rücursLurs cle
t^iskscms. I^ick^scKs, sa vie- et sa
pensöe. Läition Lossarcl. Paris. 1920.
18 pr.

Adler untersucht die Zusammenhänge
Nietzsches nicht nur mit Goethe, Schiller,
Hölderlin, Fichte, Kleist, Schopenhauer und
Burkhardt, sondern, was seinem Buel speziell
für den deutschen Leser einen besonderen
Wert verleiht, auch mit Montaigne, Pascal,
Larochefoucauld, Fontenelle, Chamfort,
Stendhal, Emerson, ohne deshalb Nietzsches
Originalität verkleinern zu wollen. Das
Buch ist dem Gedächtnis zahlreicher im Krieg
gebliebener französischer Germanisten ge¬
widmet.

G. Reck-l, Ibsen und Björnson. Aus Natur
und Geisteswelt. 636. Band. Veck-z
B. G. Teubner, Leipzig. Berlin. 1921.
Karl. M. 2.80. Geb. M. 3.50.

Eines der besten neueren Bändchen der
bewährten Sammlung, in ansprechender
Verbindung von Biographie und literarischer
Analyse.

Ernst Hcilvorn, Ernte. 2. Bd. Jahrbuch
der Halbmonatsschrift: Das Literarische
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[0140] Bücherschau „Ein Faktum unseres Lebens gilt nicht, in¬ sofern es wahr ist, sondern insofern es etwas zu bedeuten hat." Es ist ein erfreu¬ liches Zeichen.daß dieneuesteLileraturgeschichts- schreibung sich diese Grundsätze unseres größten Meisters biographischer Kunst wieder mehr und mehr zu eigen macht, nachdem sie allzuoft, vom falsch verstandenen Ideal er¬ schöpfender biographischer Genauigkeit irre¬ geleitet, ihre Kräfte mit der wahlloser Sammlung alles erreichbaren Tatsachen¬ materials vergeudete. Eine Reihe vorbildlicher Dichterbiographien, die unter dem besonderen Schutze des verdienstvollen Verlags C, H. Beck in München ins Leben treten konnten, legt Zeugnis ab von dem neu erroachten Bestreben, wissenschaftlich tief schürfende Analyse mit künstlerisch dentender Synthese zu einem lebendig erfaßten Gesamtbilde zusammen¬ zuschließen. NachCunradWcmdrey's Fontanc- Buch legt uns der rührige Verlag nun die lang entbehrte Immermann-Vivgraphie des Berner Literarhistorikers Harry Maync vor, dessen fleißiger Feder wir schon ?/i2 gehaltvollen Würdigungen Mörikes, Lilien- crons und Fontanes verdanken. Als hoch¬ gestecktes Ziel schwebte dem Verfasser vor, seinem Volke womöglich nicht ein, sondern das Buch über Immermann zu schenken. Wie dem Dichter selbst sein Leben „nicht wichtig genug erschien, um es mit allen seinen Einzelheiten auf den Markt zu bringen", so beschränkt sich auch sein Biograph von vorn¬ herein darauf, das Bild Immermanns von den entstellenden Zügen zu befreien, die ihm die tendenziös gefärbten Darstellungen von Putlitz und Ludmilla Ussing allzulange ge¬ liehen haben, und es als Seelenbiographie und Jdeengeschichte auf dem farbigen Hinter¬ grund einer reich bewegten Zeit zu erneuern. Daß er es gerade jetzt tut, das ist es, was Wir ihm am meisten danken, Zur rechten Stunde rückt er die machtvolle Persönlichkeit Immermanns in das Bewußtsein unserer gährendenZeit.diewiekaum einezweite in ihrem Ringen nach einem Lebensinhalt das Bild jener Mergangsepoche widerspiegelt, der der Dichter in hartem Kampfe erwuchs. Schwer belastet mit dem Erbe der absterbenden Romantik, in heißem Bemühen um eine Welt- und Lebensanschauung immer wieder dem Fluche des Epigonentums erliegend, betritt er, ein spät Gereifter, ans Westfalens roter Erde den lang gesuchten Boden erdgebundener Wirklichkeit und gewinnt mit ihm daszulunfts- frohs Nationalgefühl und die überlegene Weltansicht des großen Epikers, der in seinem „Münchycmsen" dem deutschen Volke den ersten großen sozialen Roman und das erste realistische Landschaftsbild großen Stils schafft. Meisterhaft hat es der Versasser verstanden, die vislverschlungene, auf stolzer Höhe allzu¬ früh abbrechende Entwicklung des Menschen und des Dichters zu verfolgen und seine geschichtliche Sendung der Nachwelt zu künden. Er sieht mit Julius Bab in Immermanns Werk „eine der großen Stationen, zu denen die Entwicklung zurückkehren muß, wenn sie Wird weiter vorwärts gehen wollen, und mahnt, auf seine Stimme zu hören, wenn wir Heutigen uns den Weg wollen weisen lassen, der über romantische Zerissenheit hinaus zu einem neuen Glauben und zu neuen Taten führen kann". Dr. Oswald Dammann Lngrlos ^aller, l^es ?rücursLurs cle t^iskscms. I^ick^scKs, sa vie- et sa pensöe. Läition Lossarcl. Paris. 1920. 18 pr. Adler untersucht die Zusammenhänge Nietzsches nicht nur mit Goethe, Schiller, Hölderlin, Fichte, Kleist, Schopenhauer und Burkhardt, sondern, was seinem Buel speziell für den deutschen Leser einen besonderen Wert verleiht, auch mit Montaigne, Pascal, Larochefoucauld, Fontenelle, Chamfort, Stendhal, Emerson, ohne deshalb Nietzsches Originalität verkleinern zu wollen. Das Buch ist dem Gedächtnis zahlreicher im Krieg gebliebener französischer Germanisten ge¬ widmet. G. Reck-l, Ibsen und Björnson. Aus Natur und Geisteswelt. 636. Band. Veck-z B. G. Teubner, Leipzig. Berlin. 1921. Karl. M. 2.80. Geb. M. 3.50. Eines der besten neueren Bändchen der bewährten Sammlung, in ansprechender Verbindung von Biographie und literarischer Analyse. Ernst Hcilvorn, Ernte. 2. Bd. Jahrbuch der Halbmonatsschrift: Das Literarische

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/140>, abgerufen am 04.07.2024.