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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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klarsten in der Kammersitzung vom 2T. November, in der der Führer des sich
immer dichter gegen die "reaktionäre", nationalistische, realpolitische und katholische
Rechtsmehrheit zusammenschließenden Linksblocks, Herriot, ausrief: "Frankreich
steht an einem Wendepunkt seiner Geschichte. Nach außen wie nach innen muß
es wählen zwischen einer Politik des fortdauernden Imperialismus und einer
Politik der Mäßigung. Jenen Imperialismus, der nach dem Tilsiter Frieden
Frankreich so vieles erhoffen ließ, um schließlich nur die Erhebung von 1813 und
die Katastrophe von 1815 vorzubereiten, muß ich für mein Land ablehnen. Ich
glaube nicht, daß wir uns gegen eine (deutsche) Gefahr, die eines Tages eintreten
kann, schützen können, wenn wir in den nächsten Monaten eine kostspielige und viel¬
leicht ruinöse Politik fortsetzen." Die Argumentation der Rechten aber ist folgende:
Realpolitisch läßt sich die nationale Stellung Frankreichs nur halten, wenn eine
realpolüische Erstarkung Deutschlands verhindert wird. Die psychologischen
Faktoren sür eine solet/e Erstarkung sind vorhanden: die in den Wahlergebnissen
deutlich werdende Zurückdrängung des deutschen Liberalismus, die Ausbrüche von
nationalem Haß und Nevanchegelüsten, die unvollständige und widerwillige Ab¬
rüstung, die politisch?" Intrigen der deutschen Generäle (Enthüllungen der "Times").
Als Mittel zur Verhinderung dieser Erstarkung kommen in Betracht: die dauernde
Kontrolle, die Auslösung der deutschen Einheit, die Bündnisse mit Polen und
Belgien, die Abschnürung Deutschlands nach Osten, ein gutes Einvernehmen mit
England und Italien. Dies alles gilt in Frankreich lediglich als berechtigte
Abwehr. Ebenso berechtigt aber erscheinen der Nationalblockmehrheit alle Ma߬
nahmen, die darauf ausgehen, die wirtschaftlichen Verluste, die Frankreich bei Ver¬
folgung seiner nationalistischen Ziele erlitten hat, durch Deutschland ersetzen zu
lassen und die Einsicht, daß diese Maßnahmen nach Lage der Dinge nur be¬
schränkten Erfolg haben können, wird nach Möglichkeit hintangehalten, da sie zur
Verstärkung des Liberalismus führen müßte. Deutschland muß, kann und wird
bezahlen, so lautet die große Zauberformel.

Was kann und muß dem gegenüber Deutschland tun? Offenbar den Kräften
des Liberalismus in Frankreich nach Möglichkeit zum Durchbruch verhelfen, und
alles vermeiden, was den Realpolitikern zur Verstärkung ihrer Argumentation
dienen könnte. Allerdings nur insoweit, wie dies vom nationalen Gesichtspunkt
aus, der augenblicklich aus ganz realen Gründen sür Anhänger aller Ideologie"
der allein maßgebende sein müßte, möglich und zulässig ist. Wir können beispiels¬
weise nicht, um der französischen Nationalistenhetze jeden Anlaß zu nehmen (etwas
werden sie immer finden), Ostpreußen wehrlos immer noch möglichen bolschewisti¬
schen Angriffen aussetzen, wir können auch nicht Frankreichs Verbündeten zuliebe
auf Oberschlesien verzichten oder z. B. ein Abstimmungsreglement annehmen, das
die Möglichkeit eines solchen Verzichts näherrückt. Wir wollen auch keine so¬
genannten Kriegsverbrecher ausliefern, uns nicht weiter von farbigen Truppen
kujonieren oder uns von Kommunisten gegen den Willen der Volksme'hrheit unter¬
kriegen lassen und wollen französischen Intrigen zur Auslösung der deutschen Ein¬
heit, zur Loslösung des Rheinlandes oder des Saargebiets kräftigsten Widerstand
leisten. Wie berechtigt solche Forderungen sind, könnte man in Frankreich schon
aus dem Umstände entnehmen, daß es der französischen Politik gelungen ist, sämt¬
liche Ideologien in Deutschland eben in einer nationalen Gegenstellung zu einigen,
die edelsten, aber auch die fanatischsten Stimmen des Liberalismus mußten vor
der übermächtigen Wirklichkeit der französischen Gewaltmaßnahmen erschrocken und
verzweifelt verstummen, und selbst Klara Zetkin hat zur glühenden Empörung der
französischen Rechtspresse auf dem französischen Sozialistenkongreß in Tours,
allerdings aus kommunistischer Ideologie heraus, zur Zerstörung des Versailler
Vertrages aufgefordert und beispielsweise der Beschießung der Kethedrale von
Reims die Zerstörung derjenigen von Kiew durch die Polen gegenübergestellt. Der
Versuch einer Verständigung stößt also auf deutscher Seite auf Widerstände,
denen Berechtigung nicht abgesprochen werden kann.


klarsten in der Kammersitzung vom 2T. November, in der der Führer des sich
immer dichter gegen die „reaktionäre", nationalistische, realpolitische und katholische
Rechtsmehrheit zusammenschließenden Linksblocks, Herriot, ausrief: „Frankreich
steht an einem Wendepunkt seiner Geschichte. Nach außen wie nach innen muß
es wählen zwischen einer Politik des fortdauernden Imperialismus und einer
Politik der Mäßigung. Jenen Imperialismus, der nach dem Tilsiter Frieden
Frankreich so vieles erhoffen ließ, um schließlich nur die Erhebung von 1813 und
die Katastrophe von 1815 vorzubereiten, muß ich für mein Land ablehnen. Ich
glaube nicht, daß wir uns gegen eine (deutsche) Gefahr, die eines Tages eintreten
kann, schützen können, wenn wir in den nächsten Monaten eine kostspielige und viel¬
leicht ruinöse Politik fortsetzen." Die Argumentation der Rechten aber ist folgende:
Realpolitisch läßt sich die nationale Stellung Frankreichs nur halten, wenn eine
realpolüische Erstarkung Deutschlands verhindert wird. Die psychologischen
Faktoren sür eine solet/e Erstarkung sind vorhanden: die in den Wahlergebnissen
deutlich werdende Zurückdrängung des deutschen Liberalismus, die Ausbrüche von
nationalem Haß und Nevanchegelüsten, die unvollständige und widerwillige Ab¬
rüstung, die politisch?» Intrigen der deutschen Generäle (Enthüllungen der „Times").
Als Mittel zur Verhinderung dieser Erstarkung kommen in Betracht: die dauernde
Kontrolle, die Auslösung der deutschen Einheit, die Bündnisse mit Polen und
Belgien, die Abschnürung Deutschlands nach Osten, ein gutes Einvernehmen mit
England und Italien. Dies alles gilt in Frankreich lediglich als berechtigte
Abwehr. Ebenso berechtigt aber erscheinen der Nationalblockmehrheit alle Ma߬
nahmen, die darauf ausgehen, die wirtschaftlichen Verluste, die Frankreich bei Ver¬
folgung seiner nationalistischen Ziele erlitten hat, durch Deutschland ersetzen zu
lassen und die Einsicht, daß diese Maßnahmen nach Lage der Dinge nur be¬
schränkten Erfolg haben können, wird nach Möglichkeit hintangehalten, da sie zur
Verstärkung des Liberalismus führen müßte. Deutschland muß, kann und wird
bezahlen, so lautet die große Zauberformel.

Was kann und muß dem gegenüber Deutschland tun? Offenbar den Kräften
des Liberalismus in Frankreich nach Möglichkeit zum Durchbruch verhelfen, und
alles vermeiden, was den Realpolitikern zur Verstärkung ihrer Argumentation
dienen könnte. Allerdings nur insoweit, wie dies vom nationalen Gesichtspunkt
aus, der augenblicklich aus ganz realen Gründen sür Anhänger aller Ideologie»
der allein maßgebende sein müßte, möglich und zulässig ist. Wir können beispiels¬
weise nicht, um der französischen Nationalistenhetze jeden Anlaß zu nehmen (etwas
werden sie immer finden), Ostpreußen wehrlos immer noch möglichen bolschewisti¬
schen Angriffen aussetzen, wir können auch nicht Frankreichs Verbündeten zuliebe
auf Oberschlesien verzichten oder z. B. ein Abstimmungsreglement annehmen, das
die Möglichkeit eines solchen Verzichts näherrückt. Wir wollen auch keine so¬
genannten Kriegsverbrecher ausliefern, uns nicht weiter von farbigen Truppen
kujonieren oder uns von Kommunisten gegen den Willen der Volksme'hrheit unter¬
kriegen lassen und wollen französischen Intrigen zur Auslösung der deutschen Ein¬
heit, zur Loslösung des Rheinlandes oder des Saargebiets kräftigsten Widerstand
leisten. Wie berechtigt solche Forderungen sind, könnte man in Frankreich schon
aus dem Umstände entnehmen, daß es der französischen Politik gelungen ist, sämt¬
liche Ideologien in Deutschland eben in einer nationalen Gegenstellung zu einigen,
die edelsten, aber auch die fanatischsten Stimmen des Liberalismus mußten vor
der übermächtigen Wirklichkeit der französischen Gewaltmaßnahmen erschrocken und
verzweifelt verstummen, und selbst Klara Zetkin hat zur glühenden Empörung der
französischen Rechtspresse auf dem französischen Sozialistenkongreß in Tours,
allerdings aus kommunistischer Ideologie heraus, zur Zerstörung des Versailler
Vertrages aufgefordert und beispielsweise der Beschießung der Kethedrale von
Reims die Zerstörung derjenigen von Kiew durch die Polen gegenübergestellt. Der
Versuch einer Verständigung stößt also auf deutscher Seite auf Widerstände,
denen Berechtigung nicht abgesprochen werden kann.


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[0084] klarsten in der Kammersitzung vom 2T. November, in der der Führer des sich immer dichter gegen die „reaktionäre", nationalistische, realpolitische und katholische Rechtsmehrheit zusammenschließenden Linksblocks, Herriot, ausrief: „Frankreich steht an einem Wendepunkt seiner Geschichte. Nach außen wie nach innen muß es wählen zwischen einer Politik des fortdauernden Imperialismus und einer Politik der Mäßigung. Jenen Imperialismus, der nach dem Tilsiter Frieden Frankreich so vieles erhoffen ließ, um schließlich nur die Erhebung von 1813 und die Katastrophe von 1815 vorzubereiten, muß ich für mein Land ablehnen. Ich glaube nicht, daß wir uns gegen eine (deutsche) Gefahr, die eines Tages eintreten kann, schützen können, wenn wir in den nächsten Monaten eine kostspielige und viel¬ leicht ruinöse Politik fortsetzen." Die Argumentation der Rechten aber ist folgende: Realpolitisch läßt sich die nationale Stellung Frankreichs nur halten, wenn eine realpolüische Erstarkung Deutschlands verhindert wird. Die psychologischen Faktoren sür eine solet/e Erstarkung sind vorhanden: die in den Wahlergebnissen deutlich werdende Zurückdrängung des deutschen Liberalismus, die Ausbrüche von nationalem Haß und Nevanchegelüsten, die unvollständige und widerwillige Ab¬ rüstung, die politisch?» Intrigen der deutschen Generäle (Enthüllungen der „Times"). Als Mittel zur Verhinderung dieser Erstarkung kommen in Betracht: die dauernde Kontrolle, die Auslösung der deutschen Einheit, die Bündnisse mit Polen und Belgien, die Abschnürung Deutschlands nach Osten, ein gutes Einvernehmen mit England und Italien. Dies alles gilt in Frankreich lediglich als berechtigte Abwehr. Ebenso berechtigt aber erscheinen der Nationalblockmehrheit alle Ma߬ nahmen, die darauf ausgehen, die wirtschaftlichen Verluste, die Frankreich bei Ver¬ folgung seiner nationalistischen Ziele erlitten hat, durch Deutschland ersetzen zu lassen und die Einsicht, daß diese Maßnahmen nach Lage der Dinge nur be¬ schränkten Erfolg haben können, wird nach Möglichkeit hintangehalten, da sie zur Verstärkung des Liberalismus führen müßte. Deutschland muß, kann und wird bezahlen, so lautet die große Zauberformel. Was kann und muß dem gegenüber Deutschland tun? Offenbar den Kräften des Liberalismus in Frankreich nach Möglichkeit zum Durchbruch verhelfen, und alles vermeiden, was den Realpolitikern zur Verstärkung ihrer Argumentation dienen könnte. Allerdings nur insoweit, wie dies vom nationalen Gesichtspunkt aus, der augenblicklich aus ganz realen Gründen sür Anhänger aller Ideologie» der allein maßgebende sein müßte, möglich und zulässig ist. Wir können beispiels¬ weise nicht, um der französischen Nationalistenhetze jeden Anlaß zu nehmen (etwas werden sie immer finden), Ostpreußen wehrlos immer noch möglichen bolschewisti¬ schen Angriffen aussetzen, wir können auch nicht Frankreichs Verbündeten zuliebe auf Oberschlesien verzichten oder z. B. ein Abstimmungsreglement annehmen, das die Möglichkeit eines solchen Verzichts näherrückt. Wir wollen auch keine so¬ genannten Kriegsverbrecher ausliefern, uns nicht weiter von farbigen Truppen kujonieren oder uns von Kommunisten gegen den Willen der Volksme'hrheit unter¬ kriegen lassen und wollen französischen Intrigen zur Auslösung der deutschen Ein¬ heit, zur Loslösung des Rheinlandes oder des Saargebiets kräftigsten Widerstand leisten. Wie berechtigt solche Forderungen sind, könnte man in Frankreich schon aus dem Umstände entnehmen, daß es der französischen Politik gelungen ist, sämt¬ liche Ideologien in Deutschland eben in einer nationalen Gegenstellung zu einigen, die edelsten, aber auch die fanatischsten Stimmen des Liberalismus mußten vor der übermächtigen Wirklichkeit der französischen Gewaltmaßnahmen erschrocken und verzweifelt verstummen, und selbst Klara Zetkin hat zur glühenden Empörung der französischen Rechtspresse auf dem französischen Sozialistenkongreß in Tours, allerdings aus kommunistischer Ideologie heraus, zur Zerstörung des Versailler Vertrages aufgefordert und beispielsweise der Beschießung der Kethedrale von Reims die Zerstörung derjenigen von Kiew durch die Polen gegenübergestellt. Der Versuch einer Verständigung stößt also auf deutscher Seite auf Widerstände, denen Berechtigung nicht abgesprochen werden kann.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/84>, abgerufen am 01.07.2024.