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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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Weltspiegel

kraft durch Meinungsverschiedenheit über die einzuschlagende Taktik geschwächt
wird, steht die Richtung Churchill gegenüber, die noch heute das Zugreifen mit
Machtmitteln für wirksamer hält als die liberale Duldung einer auf die Grenzen
Rußlands beschränkten kommunistischen Ideologie. Entscheiden wird in diesem
Kampfe letzten Endes natürlich die reale Macht. Da dies jedoch auf beiden
Seiten gleich zu sein scheint, indem nämlich die allerdings im eigenen Rücken
durch kommunistische oder liberale Ideologien bzw. Sympathien in ihrer Schlag¬
kraft geschwächte Realpolitik es bisher weder durch direkte und indirekte Inter¬
vention, noch durch die Blockade vermocht hat, den Gegner niederzuzwingen,
würden mastgebend für Englands Entschluß, welche Ideologie zunächst im Ver¬
hältnis zu Rußland bestimmend sein soll, die realpolitische oder die liberale,
letzten Endes doch geschästspolitische Rücksichten sein, ob nämlich das größere
geschäftliche Risiko in einem Angriff in Europa oder in einer Abwehr in Mittel¬
asien liegt, sowie der Grad, in welchem die Bolschewisten, um nicht im Innern
zu scheitern, geschäftspolitische Erwägungen in den Dienst ihrer kommunistischen
Ideologie zu stellen sich genötigt sehen werden. Was Englands Verhältnis zu
Deutschland betrifft, so hat es von diesem nach dem Kriege weder ncuional, noch
macht-, noch geschäftspolitisch etwas zu fürchten. Geschäftspoliiisch aber braucht
man Deutschland als Kunden, weswegen denn auch liberale Stimmen einer
Förderung der Gesundung Deutschlands das Wort reden, während andererseits
die Realpolitiker den Gedanken, Deutschland als Kampfmittel gegen den Kom¬
munismus Rußlands zu verwenden, mindestens erwägen. Frankreich gegenüber
schwanken die Ansichten. Die Realpolitiker sehen mit Besorgnis Frankreichs
Vordringen auf Antwerpen, die Nationalisten mit gleich starker Besorgnis Frank¬
reichs Annäherung an Amerika, die zu verhüten man lieber die französische
Scharfmacherpolitik gegen Deutschland wenn nicht unterstützen, so doch dulden
möchte,- die Geschäftspolitiker sind von Furcht vor zu rascher wirtschaftlicher
Erstarkung Deutschlands nicht frei. Nationalisten, Geschäfts- und Realpolitiker
aber versuchen, unter Benutzung der Werbekraft liberaler Ideen, mittels des
Völkerbundes eine Konsolidierung Europas zu erreichen, um dem sich festigenden
und stark aggressiv werdenden amerikanischen Block einen europäischen, wenn
möglich der neuen die alte Welt entgegenzustellen. Entscheidend wird in dieser
Frage die Entwicklung des Verhältnisses zu Nußland werden, die England für
den Augenblick stärker bewegt und ihm näher liegt als der zukünftige Konflikt
mit Amerika.

In Frankreich sind durch die Revanche gegen Deutschland und die Annexion
Elsaß-Lothringens zunächst die nationalen Instinkte befriedigt. Gcschäftspolitiich
aber hat der Ausgang des Krieges einen krassen Mißerfolg ergeben. Die deutsche
Konkurrenz allerdings ist man, wo sie drückend war, losgeworden, es zeigt sich
jedoch, daß die gebrachten Opfer die Vorteile weit überwiegen, ja daß man eine
weitgehende wirtschaftliche Gesundung des Gegners wünschen und fördern muß,
um unter der eigenen Last nicht zu erliegen. Auch hier ergibt sich folgerichtig
ein starker Gegensatz zwischen Liberalismus, der aus geschäftspol't'schen Gründen
von nationalen Forderungen ablassen möchte, um derentwillen in erster Linie gra^e
der Krieg geführt worden ist, und Realpolitikern, die selbst unter weiteren wirt¬
schaftlichen Einbußen eben die nationalen Errungenschaften durch Anwendung von
Gewaltmitteln schützen wollen. Auch hier sind, ähnlich wie in England, tue
Geschäftspolitiker über die anzuwendende Methode verschiedener Ansicht. Ein Teil
behauptet, die wirtschaftlichen Gewährnisse des Friedensvertrages (nicht tue Er¬
gebnisse des Friedensschlusses an sich) könnten gesichert werden nur durch An¬
wendung realer Gewalt, ein anderer Teil, nur durch liberale Verständigung mit
dem Gegner sei dies möglich. Verschärft wird dieser Gegensatz noch durch den
Konflikt zwischen kommunistischer und realpolitischer Ideologie (Sozialisten einerseits
und Militaristen und Nationalisten andererseits) und zwischen Katholiken und
Freidenkern (maßgebende Militärs sind gläubige Katholiken). All diese Gegensatze
kamen in den Kämpfen für und wider das Kabinett Leygues zum Ausdruck, am


Weltspiegel

kraft durch Meinungsverschiedenheit über die einzuschlagende Taktik geschwächt
wird, steht die Richtung Churchill gegenüber, die noch heute das Zugreifen mit
Machtmitteln für wirksamer hält als die liberale Duldung einer auf die Grenzen
Rußlands beschränkten kommunistischen Ideologie. Entscheiden wird in diesem
Kampfe letzten Endes natürlich die reale Macht. Da dies jedoch auf beiden
Seiten gleich zu sein scheint, indem nämlich die allerdings im eigenen Rücken
durch kommunistische oder liberale Ideologien bzw. Sympathien in ihrer Schlag¬
kraft geschwächte Realpolitik es bisher weder durch direkte und indirekte Inter¬
vention, noch durch die Blockade vermocht hat, den Gegner niederzuzwingen,
würden mastgebend für Englands Entschluß, welche Ideologie zunächst im Ver¬
hältnis zu Rußland bestimmend sein soll, die realpolitische oder die liberale,
letzten Endes doch geschästspolitische Rücksichten sein, ob nämlich das größere
geschäftliche Risiko in einem Angriff in Europa oder in einer Abwehr in Mittel¬
asien liegt, sowie der Grad, in welchem die Bolschewisten, um nicht im Innern
zu scheitern, geschäftspolitische Erwägungen in den Dienst ihrer kommunistischen
Ideologie zu stellen sich genötigt sehen werden. Was Englands Verhältnis zu
Deutschland betrifft, so hat es von diesem nach dem Kriege weder ncuional, noch
macht-, noch geschäftspolitisch etwas zu fürchten. Geschäftspoliiisch aber braucht
man Deutschland als Kunden, weswegen denn auch liberale Stimmen einer
Förderung der Gesundung Deutschlands das Wort reden, während andererseits
die Realpolitiker den Gedanken, Deutschland als Kampfmittel gegen den Kom¬
munismus Rußlands zu verwenden, mindestens erwägen. Frankreich gegenüber
schwanken die Ansichten. Die Realpolitiker sehen mit Besorgnis Frankreichs
Vordringen auf Antwerpen, die Nationalisten mit gleich starker Besorgnis Frank¬
reichs Annäherung an Amerika, die zu verhüten man lieber die französische
Scharfmacherpolitik gegen Deutschland wenn nicht unterstützen, so doch dulden
möchte,- die Geschäftspolitiker sind von Furcht vor zu rascher wirtschaftlicher
Erstarkung Deutschlands nicht frei. Nationalisten, Geschäfts- und Realpolitiker
aber versuchen, unter Benutzung der Werbekraft liberaler Ideen, mittels des
Völkerbundes eine Konsolidierung Europas zu erreichen, um dem sich festigenden
und stark aggressiv werdenden amerikanischen Block einen europäischen, wenn
möglich der neuen die alte Welt entgegenzustellen. Entscheidend wird in dieser
Frage die Entwicklung des Verhältnisses zu Nußland werden, die England für
den Augenblick stärker bewegt und ihm näher liegt als der zukünftige Konflikt
mit Amerika.

In Frankreich sind durch die Revanche gegen Deutschland und die Annexion
Elsaß-Lothringens zunächst die nationalen Instinkte befriedigt. Gcschäftspolitiich
aber hat der Ausgang des Krieges einen krassen Mißerfolg ergeben. Die deutsche
Konkurrenz allerdings ist man, wo sie drückend war, losgeworden, es zeigt sich
jedoch, daß die gebrachten Opfer die Vorteile weit überwiegen, ja daß man eine
weitgehende wirtschaftliche Gesundung des Gegners wünschen und fördern muß,
um unter der eigenen Last nicht zu erliegen. Auch hier ergibt sich folgerichtig
ein starker Gegensatz zwischen Liberalismus, der aus geschäftspol't'schen Gründen
von nationalen Forderungen ablassen möchte, um derentwillen in erster Linie gra^e
der Krieg geführt worden ist, und Realpolitikern, die selbst unter weiteren wirt¬
schaftlichen Einbußen eben die nationalen Errungenschaften durch Anwendung von
Gewaltmitteln schützen wollen. Auch hier sind, ähnlich wie in England, tue
Geschäftspolitiker über die anzuwendende Methode verschiedener Ansicht. Ein Teil
behauptet, die wirtschaftlichen Gewährnisse des Friedensvertrages (nicht tue Er¬
gebnisse des Friedensschlusses an sich) könnten gesichert werden nur durch An¬
wendung realer Gewalt, ein anderer Teil, nur durch liberale Verständigung mit
dem Gegner sei dies möglich. Verschärft wird dieser Gegensatz noch durch den
Konflikt zwischen kommunistischer und realpolitischer Ideologie (Sozialisten einerseits
und Militaristen und Nationalisten andererseits) und zwischen Katholiken und
Freidenkern (maßgebende Militärs sind gläubige Katholiken). All diese Gegensatze
kamen in den Kämpfen für und wider das Kabinett Leygues zum Ausdruck, am


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[0083] Weltspiegel kraft durch Meinungsverschiedenheit über die einzuschlagende Taktik geschwächt wird, steht die Richtung Churchill gegenüber, die noch heute das Zugreifen mit Machtmitteln für wirksamer hält als die liberale Duldung einer auf die Grenzen Rußlands beschränkten kommunistischen Ideologie. Entscheiden wird in diesem Kampfe letzten Endes natürlich die reale Macht. Da dies jedoch auf beiden Seiten gleich zu sein scheint, indem nämlich die allerdings im eigenen Rücken durch kommunistische oder liberale Ideologien bzw. Sympathien in ihrer Schlag¬ kraft geschwächte Realpolitik es bisher weder durch direkte und indirekte Inter¬ vention, noch durch die Blockade vermocht hat, den Gegner niederzuzwingen, würden mastgebend für Englands Entschluß, welche Ideologie zunächst im Ver¬ hältnis zu Rußland bestimmend sein soll, die realpolitische oder die liberale, letzten Endes doch geschästspolitische Rücksichten sein, ob nämlich das größere geschäftliche Risiko in einem Angriff in Europa oder in einer Abwehr in Mittel¬ asien liegt, sowie der Grad, in welchem die Bolschewisten, um nicht im Innern zu scheitern, geschäftspolitische Erwägungen in den Dienst ihrer kommunistischen Ideologie zu stellen sich genötigt sehen werden. Was Englands Verhältnis zu Deutschland betrifft, so hat es von diesem nach dem Kriege weder ncuional, noch macht-, noch geschäftspolitisch etwas zu fürchten. Geschäftspoliiisch aber braucht man Deutschland als Kunden, weswegen denn auch liberale Stimmen einer Förderung der Gesundung Deutschlands das Wort reden, während andererseits die Realpolitiker den Gedanken, Deutschland als Kampfmittel gegen den Kom¬ munismus Rußlands zu verwenden, mindestens erwägen. Frankreich gegenüber schwanken die Ansichten. Die Realpolitiker sehen mit Besorgnis Frankreichs Vordringen auf Antwerpen, die Nationalisten mit gleich starker Besorgnis Frank¬ reichs Annäherung an Amerika, die zu verhüten man lieber die französische Scharfmacherpolitik gegen Deutschland wenn nicht unterstützen, so doch dulden möchte,- die Geschäftspolitiker sind von Furcht vor zu rascher wirtschaftlicher Erstarkung Deutschlands nicht frei. Nationalisten, Geschäfts- und Realpolitiker aber versuchen, unter Benutzung der Werbekraft liberaler Ideen, mittels des Völkerbundes eine Konsolidierung Europas zu erreichen, um dem sich festigenden und stark aggressiv werdenden amerikanischen Block einen europäischen, wenn möglich der neuen die alte Welt entgegenzustellen. Entscheidend wird in dieser Frage die Entwicklung des Verhältnisses zu Nußland werden, die England für den Augenblick stärker bewegt und ihm näher liegt als der zukünftige Konflikt mit Amerika. In Frankreich sind durch die Revanche gegen Deutschland und die Annexion Elsaß-Lothringens zunächst die nationalen Instinkte befriedigt. Gcschäftspolitiich aber hat der Ausgang des Krieges einen krassen Mißerfolg ergeben. Die deutsche Konkurrenz allerdings ist man, wo sie drückend war, losgeworden, es zeigt sich jedoch, daß die gebrachten Opfer die Vorteile weit überwiegen, ja daß man eine weitgehende wirtschaftliche Gesundung des Gegners wünschen und fördern muß, um unter der eigenen Last nicht zu erliegen. Auch hier ergibt sich folgerichtig ein starker Gegensatz zwischen Liberalismus, der aus geschäftspol't'schen Gründen von nationalen Forderungen ablassen möchte, um derentwillen in erster Linie gra^e der Krieg geführt worden ist, und Realpolitikern, die selbst unter weiteren wirt¬ schaftlichen Einbußen eben die nationalen Errungenschaften durch Anwendung von Gewaltmitteln schützen wollen. Auch hier sind, ähnlich wie in England, tue Geschäftspolitiker über die anzuwendende Methode verschiedener Ansicht. Ein Teil behauptet, die wirtschaftlichen Gewährnisse des Friedensvertrages (nicht tue Er¬ gebnisse des Friedensschlusses an sich) könnten gesichert werden nur durch An¬ wendung realer Gewalt, ein anderer Teil, nur durch liberale Verständigung mit dem Gegner sei dies möglich. Verschärft wird dieser Gegensatz noch durch den Konflikt zwischen kommunistischer und realpolitischer Ideologie (Sozialisten einerseits und Militaristen und Nationalisten andererseits) und zwischen Katholiken und Freidenkern (maßgebende Militärs sind gläubige Katholiken). All diese Gegensatze kamen in den Kämpfen für und wider das Kabinett Leygues zum Ausdruck, am

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/83>, abgerufen am 01.07.2024.