Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.Um die deutsche Einheit! Es ist denkbar, daß die Politische Erziehung, die die Gebildeten Nord¬ Trotzdem wäre es verfehlt anzunehmen, daß hiermit über eine historische Um die deutsche Einheit! Es ist denkbar, daß die Politische Erziehung, die die Gebildeten Nord¬ Trotzdem wäre es verfehlt anzunehmen, daß hiermit über eine historische <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0306" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/338739"/> <fw type="header" place="top"> Um die deutsche Einheit!</fw><lb/> <p xml:id="ID_1101"> Es ist denkbar, daß die Politische Erziehung, die die Gebildeten Nord¬<lb/> deutschlands durch Bismarck empfangen haben, und die dahin ging, Preußen stets<lb/> in den Dienst des deutscheu Gedankens zu stellen, vielfach so weit gehen würde,<lb/> daß sie als Preuße zugunsten eines Wittelsbacher Kaisers resignieren würden.<lb/> Die Massen des Volkes, die insoweit viel historischer denken, würden ihnen nicht<lb/> folgen. Und ebensowenig werden alle die, die sich einen gesunden historischen<lb/> Blick bewahrt haben, die Überzeugung gewinnen können, daß ein deutsches Kaiser-<lb/> reich Wittelsbacher Dynastie dauernd möglich sein und die innere Einheit des<lb/> Reiches verbürgen würde. Diese negative Überzeugung wird schließlich von den¬<lb/> jenigen Schichten des deutschen Volkes in Nord- und auch in Süddeutschland<lb/> geteilt werden, die von der Monarchie als staatlicher Einrichtung überhaupt nichts<lb/> wissen wollen, die sich aber dem Preußischen Regime gefügt haben und sich wieder<lb/> fügen würden, weil es ihnen innerlich trotz ihrer Ableugnung sehr viel nähersteht<lb/> als die Ideologie des Südens. Denn Preußen hat in den Jahren des neuen deutschen<lb/> Kaiserreiches stärkere moralische Eroberungen gemacht, als seine heutigen Gegner<lb/> es zugeben wollen. , Wir haben ganz Deutschland mit unserem Preußenrum<lb/> durchtränkt, mit unserer preußischen Staatsauffassung, die auf Friedrich den Großen<lb/> zurückgeht, die Praktisch die größten Erfolge zeitigte und der der Süden nichts Eben¬<lb/> bürtiges an die Seite zu setzen vermochte. Ja, man kann sagen, alles, was heute<lb/> an staatlicher Konsolidation im Süden geleistet wird, ist auf preußische Befruchtung<lb/> der Geister in den Jahrzehnten vor dem Kriege und während des Krieges zurück¬<lb/> zuführen. Wir mußten die Tragik erleben, daß, während Preußen selbst sich von<lb/> den Grundlagen seiner Kraft entfernte, weil es wieder einmal erstarrt war und<lb/> veränderte Verhältnisse unter gleichzeitiger Festhaltung seiner besten Traditionen<lb/> nicht mehr zu meistern verstand, das, was an ihm ewig ist und bleiben wird, Schule<lb/> machte in allen anderen deutschen Landen/ erst vereinzelt und bei einzelnen<lb/> Personen, und jetzt im Stadium des Wiederaufbaues ist es mit elementarer<lb/> Gewalt im Süden zum Durchbruch gelangt. Das gleicht Deutschland innerlich aus.</p><lb/> <p xml:id="ID_1102" next="#ID_1103"> Trotzdem wäre es verfehlt anzunehmen, daß hiermit über eine historische<lb/> Entwicklung hinweggegangen werden kann, die auf Jahrhunderte gegründet ist.<lb/> Deutschlands Führung ist ohne Preußen und ohne Prenßentum nicht mehr denk¬<lb/> bar. Wir können uns von der größten Zeit deutscher Geschichte uicht mit einem<lb/> äußerlich unbegründeten Schnitt historisch loslösen. Gott sei Dank nicht. Denn<lb/> in den großen Quellen der Vergangenheit liegt unsere Kraft, mit der wir uns<lb/> nach allen Wechselfällen unseres Lebens als Volksgemeinschaft immer wieder<lb/> erhoben haben. Wir sehen diesen Versuch des Abkappens des historischen Fadens<lb/> bereits jetzt für die treibenden Mächte der Novemberrevolution scheitern/ wir<lb/> würden ihn genau so scheitern sehen, wenn das Hans Wittelsbach eine vorüber¬<lb/> gehende Gelegenheitslage benutzen würde, um sein eigenes Kaisertum aufzurichten.<lb/> Die Frage hängt nicht an Personen. Wir müssen anerkennen, daß Mitglieder des<lb/> bayerischen Königshauses in der Auffassung ihres Berufs und ihrer Herrscher<lb/> pflichten genau so deutsch, ja genau so preußisch im übertragenen Sinne preußischer<lb/> Staatsauffassung gewesen sind, als Angehörige des Hohenzvllernhauses. Die Frage<lb/> hängt auch nicht am Glauben, wie bedeutungsvoll dieser auch sein mag. Wir<lb/> haben ein protestantisches Kaisertum gehabt, mit dem die 5!atholiken Wohl zufrieden<lb/> waren, und wir würden umgekehrt vielleicht auch ein katholisches Kaisertum haben</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0306]
Um die deutsche Einheit!
Es ist denkbar, daß die Politische Erziehung, die die Gebildeten Nord¬
deutschlands durch Bismarck empfangen haben, und die dahin ging, Preußen stets
in den Dienst des deutscheu Gedankens zu stellen, vielfach so weit gehen würde,
daß sie als Preuße zugunsten eines Wittelsbacher Kaisers resignieren würden.
Die Massen des Volkes, die insoweit viel historischer denken, würden ihnen nicht
folgen. Und ebensowenig werden alle die, die sich einen gesunden historischen
Blick bewahrt haben, die Überzeugung gewinnen können, daß ein deutsches Kaiser-
reich Wittelsbacher Dynastie dauernd möglich sein und die innere Einheit des
Reiches verbürgen würde. Diese negative Überzeugung wird schließlich von den¬
jenigen Schichten des deutschen Volkes in Nord- und auch in Süddeutschland
geteilt werden, die von der Monarchie als staatlicher Einrichtung überhaupt nichts
wissen wollen, die sich aber dem Preußischen Regime gefügt haben und sich wieder
fügen würden, weil es ihnen innerlich trotz ihrer Ableugnung sehr viel nähersteht
als die Ideologie des Südens. Denn Preußen hat in den Jahren des neuen deutschen
Kaiserreiches stärkere moralische Eroberungen gemacht, als seine heutigen Gegner
es zugeben wollen. , Wir haben ganz Deutschland mit unserem Preußenrum
durchtränkt, mit unserer preußischen Staatsauffassung, die auf Friedrich den Großen
zurückgeht, die Praktisch die größten Erfolge zeitigte und der der Süden nichts Eben¬
bürtiges an die Seite zu setzen vermochte. Ja, man kann sagen, alles, was heute
an staatlicher Konsolidation im Süden geleistet wird, ist auf preußische Befruchtung
der Geister in den Jahrzehnten vor dem Kriege und während des Krieges zurück¬
zuführen. Wir mußten die Tragik erleben, daß, während Preußen selbst sich von
den Grundlagen seiner Kraft entfernte, weil es wieder einmal erstarrt war und
veränderte Verhältnisse unter gleichzeitiger Festhaltung seiner besten Traditionen
nicht mehr zu meistern verstand, das, was an ihm ewig ist und bleiben wird, Schule
machte in allen anderen deutschen Landen/ erst vereinzelt und bei einzelnen
Personen, und jetzt im Stadium des Wiederaufbaues ist es mit elementarer
Gewalt im Süden zum Durchbruch gelangt. Das gleicht Deutschland innerlich aus.
Trotzdem wäre es verfehlt anzunehmen, daß hiermit über eine historische
Entwicklung hinweggegangen werden kann, die auf Jahrhunderte gegründet ist.
Deutschlands Führung ist ohne Preußen und ohne Prenßentum nicht mehr denk¬
bar. Wir können uns von der größten Zeit deutscher Geschichte uicht mit einem
äußerlich unbegründeten Schnitt historisch loslösen. Gott sei Dank nicht. Denn
in den großen Quellen der Vergangenheit liegt unsere Kraft, mit der wir uns
nach allen Wechselfällen unseres Lebens als Volksgemeinschaft immer wieder
erhoben haben. Wir sehen diesen Versuch des Abkappens des historischen Fadens
bereits jetzt für die treibenden Mächte der Novemberrevolution scheitern/ wir
würden ihn genau so scheitern sehen, wenn das Hans Wittelsbach eine vorüber¬
gehende Gelegenheitslage benutzen würde, um sein eigenes Kaisertum aufzurichten.
Die Frage hängt nicht an Personen. Wir müssen anerkennen, daß Mitglieder des
bayerischen Königshauses in der Auffassung ihres Berufs und ihrer Herrscher
pflichten genau so deutsch, ja genau so preußisch im übertragenen Sinne preußischer
Staatsauffassung gewesen sind, als Angehörige des Hohenzvllernhauses. Die Frage
hängt auch nicht am Glauben, wie bedeutungsvoll dieser auch sein mag. Wir
haben ein protestantisches Kaisertum gehabt, mit dem die 5!atholiken Wohl zufrieden
waren, und wir würden umgekehrt vielleicht auch ein katholisches Kaisertum haben
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