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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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weltspiegol

trotzig und frei in die Himmelsbläue. Und die Winde, die seinen ehernen Kern
früh und spät umwehen, singen und sagen es, daß der graue Stein ebensowenig
vergehen wird, wie die zuversichtliche Hoffnung in den Herzen der überlebenden
Ilfclder auf ein Wiederaufblühen unseres deutschen Vaterlandes, zu dessen schönste"
Erdenwinkeln das vom wilden Bährebach umbrauste Klosterbildnis zählt. Gleich
uns Alten bergen aber auch die jungen Hcrzfrohen unter dem Hoffnungsgrün ihrer
kleidsamen Joppen, die wir vor ihnen ebenfalls in glücklichen Tagen trugen, den
Trost im Herzen, daß die Heimat sich aus Schmach und Schande zu neuem Aufstieg
besinnen wird. Und wenn Millionen Hände zum Wiederaufbau nötig sind, die
Hände der alten und jungen Ilfclder werden mithelfen und nicht müde werden,
so lange der Klostergcist noch in ihren Herzen lebt und um unsere Seelen webt.
Sollten dann wirklich einmal die Arme müde herabsinken und die brennenden Augen
trübe schauen, verzweifelnd an dem Werk, dem einen, was uns noch bis zu unserem
Lebensabend not tut, dann wollen wir Alten und Jungen der ernsten Lehren und
Bermahirungen des treuen Klosters stolz gedenken, und die Harzberge mit ihren
Buchenzweigen und Eichcnästen sollen uns die immerjungen Worte des Eichendorff-
schen Liedes stärkend und tröstend zurufen im Rauschen des grünen Waldlaubcs:
"Und mitten in dem Leben wird deines Emsts Gewalt mich Einsanren erheben, so
wird mein Herz nicht alt!"




U)eltspiegel

Verfehlte Möglichkeiten: Ciillanx' Verteidigungsschrift. Jedermann weiß,
oaß in riolitieis Prophezeien ein undankbares Geschäft ist. Dennoch ist eS von
W Zeit notwendig, Politische Möglichkeiten weiter durchzudenken, um bei
Zeiten Stellung nehmen zu können. Selbst wenn, was von einer ganzen Reihe
unberechenbarer Faktoren abhängt, die Prophezeiung nicht zutrifft, wird sie das
Verdienst gehabt haben, auf die Lage ein scharfes Streiflicht geworfen zu haben.

Wie also ist die Lage in Europa und wie kann sie sich entwickeln? Mau
rann den Versmller Vertrag, der das Schicksal der Welt endgültig regeln und den
"cnegszustand aus der Welt schaffen sollte, keiner herberen Kritik unterziehen, als
wenn man die augenblickliche Lage schildert. Im Westen ein ausgesprochener
-vnlttarstaat, der in immer stärkerem Maße das einzige Mittel, dem Bankerott
^"entgehen, in der rücksichtslosen Durchführung von militaristischen Maßnahmen
erblickt und dessen Austreten und Willkürherrschaft in großen besetzten Teilen
cum Landes die nationale Leidenschaft und Entschlossenheit täglich aufs neue
Mflarnmen muß, mit einem Bundesgenossen, dessen innere, von Folgen des Krieges
Aanmgfach zersetzte Kraft nicht ausreicht, feinern Ideal: der Einigung und -
-oeyerrschung Europas Geltung zu verschaffen und der deshalb, von drei Gro߬
mächten zugleich bedroht, politisch von der Hand in den Mund zu leben genötigt


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trotzig und frei in die Himmelsbläue. Und die Winde, die seinen ehernen Kern
früh und spät umwehen, singen und sagen es, daß der graue Stein ebensowenig
vergehen wird, wie die zuversichtliche Hoffnung in den Herzen der überlebenden
Ilfclder auf ein Wiederaufblühen unseres deutschen Vaterlandes, zu dessen schönste»
Erdenwinkeln das vom wilden Bährebach umbrauste Klosterbildnis zählt. Gleich
uns Alten bergen aber auch die jungen Hcrzfrohen unter dem Hoffnungsgrün ihrer
kleidsamen Joppen, die wir vor ihnen ebenfalls in glücklichen Tagen trugen, den
Trost im Herzen, daß die Heimat sich aus Schmach und Schande zu neuem Aufstieg
besinnen wird. Und wenn Millionen Hände zum Wiederaufbau nötig sind, die
Hände der alten und jungen Ilfclder werden mithelfen und nicht müde werden,
so lange der Klostergcist noch in ihren Herzen lebt und um unsere Seelen webt.
Sollten dann wirklich einmal die Arme müde herabsinken und die brennenden Augen
trübe schauen, verzweifelnd an dem Werk, dem einen, was uns noch bis zu unserem
Lebensabend not tut, dann wollen wir Alten und Jungen der ernsten Lehren und
Bermahirungen des treuen Klosters stolz gedenken, und die Harzberge mit ihren
Buchenzweigen und Eichcnästen sollen uns die immerjungen Worte des Eichendorff-
schen Liedes stärkend und tröstend zurufen im Rauschen des grünen Waldlaubcs:
„Und mitten in dem Leben wird deines Emsts Gewalt mich Einsanren erheben, so
wird mein Herz nicht alt!"




U)eltspiegel

Verfehlte Möglichkeiten: Ciillanx' Verteidigungsschrift. Jedermann weiß,
oaß in riolitieis Prophezeien ein undankbares Geschäft ist. Dennoch ist eS von
W Zeit notwendig, Politische Möglichkeiten weiter durchzudenken, um bei
Zeiten Stellung nehmen zu können. Selbst wenn, was von einer ganzen Reihe
unberechenbarer Faktoren abhängt, die Prophezeiung nicht zutrifft, wird sie das
Verdienst gehabt haben, auf die Lage ein scharfes Streiflicht geworfen zu haben.

Wie also ist die Lage in Europa und wie kann sie sich entwickeln? Mau
rann den Versmller Vertrag, der das Schicksal der Welt endgültig regeln und den
»cnegszustand aus der Welt schaffen sollte, keiner herberen Kritik unterziehen, als
wenn man die augenblickliche Lage schildert. Im Westen ein ausgesprochener
-vnlttarstaat, der in immer stärkerem Maße das einzige Mittel, dem Bankerott
^"entgehen, in der rücksichtslosen Durchführung von militaristischen Maßnahmen
erblickt und dessen Austreten und Willkürherrschaft in großen besetzten Teilen
cum Landes die nationale Leidenschaft und Entschlossenheit täglich aufs neue
Mflarnmen muß, mit einem Bundesgenossen, dessen innere, von Folgen des Krieges
Aanmgfach zersetzte Kraft nicht ausreicht, feinern Ideal: der Einigung und -
-oeyerrschung Europas Geltung zu verschaffen und der deshalb, von drei Gro߬
mächten zugleich bedroht, politisch von der Hand in den Mund zu leben genötigt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/291>, abgerufen am 29.12.2024.