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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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Die Alofierschule Zlfcld im Harz

gekommen im ungewohnten Getriebe, im großen Schiff, im engen Dienst____aber
wenn er jetzt heimkehrt von der weiten Fahrt, nachdem er ein großes Stück Welt
gesehen hat: als Deutscher hat er sich fühlen gelernt; sein Heimatstädtchen, das ihm
bis dahin der Mittelpunkt der Welt schien, ist klein geworden vor dem Namen
Deutschland. Achtung hat man seinem Vaterland gezollt, weil es Macht und Kraft
zeigte; und er hat dabei mitgeholfen. Sauer ist es wohl manchmal gewesen beim
Bootsdienst, im Hcizraum, beim Kohlentrimmen, auf Wache. Aber dafür hat er
das Mützenband "S. M. S. Kaiser" auch mit besonderem Stolz tragen können. So
ein Schiff war noch nicht gezeigt, wo wir hinkamen. Da war er mit dabei, er hatte
seine Kraft mit eingesetzt, dem stolzen Schiff Leben und Bewegung zu geben;
an einem vielleicht ganz bescheidenen Platz, aber er fühlte sich doch unentbehrlich,
"in den "Kaiser" zu dem zu machen, was das Schiff sein soll, ein mächtiges Werkzeug
seines Vaterlandes auch schon im Frieden.

Wenn man am Sonntag nachmittags durch das Schiff geht und überall an
den Backen die Leute sitzen, nach Hause schreibend oder Tagebuch führend, so kann
man sicher sein, daß von solchen Gedanken -- bald stärker bald schwächer empfun¬
den -- ein gut Teil dort zum Ausdruck kommt.

So wird der Eindruck der Reise hineingetragen in alle, auch die stillsten
Winkel, daheim, und wenn der Mann einst nach Hause kommt und die Eltern mit
ihm stolz durchs Heimatstädtchen wandern, dann treten unwillkürlich die Länder
und Erlebnisse, die an uns vorübergezogen sind, dem weltfremden Kreise dort näher:
Afrika und Brasilien, Se. Helena und die Magelhaensstraszc, Swakovmund und
Blumenau, und wie sie alle heißen, sonst kaum aus dem Atlas bekannt, sie beleben
sich, wenn der Kaisermatrose im Familienkreise erzählt, was er alles gesehen hat,
und es wird manchem dann mit einem Male klar, daß es für deutsche Kraft noch
gez. Trotha. andere Aufgaben gibt, als in der engen Heimat.




Die Rlosterschule Ilfeld im Harz
Hans Schimmelpfeng N(M

wischen senkrecht aus dem Bährctal aufsteigenden Höhen liegt in die
Südharzberge eingebettet die altehrwürdige Klosterschule Ilfeld.
Cisterzienser Mönche waren die Erbauer des Klosters gewesen, dessen
zernagte Mauerreste noch bellte am steilen Hange des sonnigen Mühl¬
berges träumerisch von alter versunkener Zeit reden. Der letzte Abt
Thomas Stange übernahm in den stürmischen Tagen der Reformation, die zahl¬
reiche Mönchsorden aus den engen Zellen hinaustrieb und heimatlos machte, die
Leitung der jungen Schule. Ihm war das gleiche beschicken, was seine vielen näch¬
tiger erleben mußten, daß junge Knaben, wehmütig über pergamentene Folianten
geoückt, ihre sinnenden Augen in die unvergängliche Schönheit der hochstämmigen
Laubwälder sehnsuchtsvoll tauchten. Jahrhunderte hindurch ist dies unverändert
geblieben bis auf den heutigen Tag. Die weisen Lehren des klassischen Altertums


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Die Alofierschule Zlfcld im Harz

gekommen im ungewohnten Getriebe, im großen Schiff, im engen Dienst____aber
wenn er jetzt heimkehrt von der weiten Fahrt, nachdem er ein großes Stück Welt
gesehen hat: als Deutscher hat er sich fühlen gelernt; sein Heimatstädtchen, das ihm
bis dahin der Mittelpunkt der Welt schien, ist klein geworden vor dem Namen
Deutschland. Achtung hat man seinem Vaterland gezollt, weil es Macht und Kraft
zeigte; und er hat dabei mitgeholfen. Sauer ist es wohl manchmal gewesen beim
Bootsdienst, im Hcizraum, beim Kohlentrimmen, auf Wache. Aber dafür hat er
das Mützenband „S. M. S. Kaiser" auch mit besonderem Stolz tragen können. So
ein Schiff war noch nicht gezeigt, wo wir hinkamen. Da war er mit dabei, er hatte
seine Kraft mit eingesetzt, dem stolzen Schiff Leben und Bewegung zu geben;
an einem vielleicht ganz bescheidenen Platz, aber er fühlte sich doch unentbehrlich,
»in den „Kaiser" zu dem zu machen, was das Schiff sein soll, ein mächtiges Werkzeug
seines Vaterlandes auch schon im Frieden.

Wenn man am Sonntag nachmittags durch das Schiff geht und überall an
den Backen die Leute sitzen, nach Hause schreibend oder Tagebuch führend, so kann
man sicher sein, daß von solchen Gedanken — bald stärker bald schwächer empfun¬
den — ein gut Teil dort zum Ausdruck kommt.

So wird der Eindruck der Reise hineingetragen in alle, auch die stillsten
Winkel, daheim, und wenn der Mann einst nach Hause kommt und die Eltern mit
ihm stolz durchs Heimatstädtchen wandern, dann treten unwillkürlich die Länder
und Erlebnisse, die an uns vorübergezogen sind, dem weltfremden Kreise dort näher:
Afrika und Brasilien, Se. Helena und die Magelhaensstraszc, Swakovmund und
Blumenau, und wie sie alle heißen, sonst kaum aus dem Atlas bekannt, sie beleben
sich, wenn der Kaisermatrose im Familienkreise erzählt, was er alles gesehen hat,
und es wird manchem dann mit einem Male klar, daß es für deutsche Kraft noch
gez. Trotha. andere Aufgaben gibt, als in der engen Heimat.




Die Rlosterschule Ilfeld im Harz
Hans Schimmelpfeng N(M

wischen senkrecht aus dem Bährctal aufsteigenden Höhen liegt in die
Südharzberge eingebettet die altehrwürdige Klosterschule Ilfeld.
Cisterzienser Mönche waren die Erbauer des Klosters gewesen, dessen
zernagte Mauerreste noch bellte am steilen Hange des sonnigen Mühl¬
berges träumerisch von alter versunkener Zeit reden. Der letzte Abt
Thomas Stange übernahm in den stürmischen Tagen der Reformation, die zahl¬
reiche Mönchsorden aus den engen Zellen hinaustrieb und heimatlos machte, die
Leitung der jungen Schule. Ihm war das gleiche beschicken, was seine vielen näch¬
tiger erleben mußten, daß junge Knaben, wehmütig über pergamentene Folianten
geoückt, ihre sinnenden Augen in die unvergängliche Schönheit der hochstämmigen
Laubwälder sehnsuchtsvoll tauchten. Jahrhunderte hindurch ist dies unverändert
geblieben bis auf den heutigen Tag. Die weisen Lehren des klassischen Altertums


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/289>, abgerufen am 04.07.2024.