Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.Der deutsch-russische Rückvcrfichcrungsvertrag von 588? und seine Kündigung der Ereignisse Bismarck vor die unerwünschte und lange vermiedene Option zwischen Es ist bekannt, daß sich Bismarck für das Bündnis mit Qsterreich-Ungarn Aber in den folgenden Jahren verschob sich die Grundlage genau wie ein Bismarck war damit einverstanden. Denn er hatte immer den Standpunkt Der deutsch-russische Rückvcrfichcrungsvertrag von 588? und seine Kündigung der Ereignisse Bismarck vor die unerwünschte und lange vermiedene Option zwischen Es ist bekannt, daß sich Bismarck für das Bündnis mit Qsterreich-Ungarn Aber in den folgenden Jahren verschob sich die Grundlage genau wie ein Bismarck war damit einverstanden. Denn er hatte immer den Standpunkt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0028" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/338461"/> <fw type="header" place="top"> Der deutsch-russische Rückvcrfichcrungsvertrag von 588? und seine Kündigung</fw><lb/> <p xml:id="ID_58" prev="#ID_57"> der Ereignisse Bismarck vor die unerwünschte und lange vermiedene Option zwischen<lb/> Rußland und Österreich-Ungarn stellte.</p><lb/> <p xml:id="ID_59"> Es ist bekannt, daß sich Bismarck für das Bündnis mit Qsterreich-Ungarn<lb/> entschloß. Aber das bedeutete für ihn lediglich eine Anpassung an die gegebene<lb/> Lage, keine Abweichung von seinem Grundsatz, daß das Deutsche Reich versuchen<lb/> müsse, sowohl mit Österreich-Ungarn wie mit Rußland gut zu stehen. Sorgfältig<lb/> bemühte er sich, den Draht nach Petersburg nach dem Bündnisvertrag vom 7. Ok¬<lb/> tober 187!) nicht abreißen zu lassen. Und er erlebte auch die Genugtuung, daß die<lb/> russische Politik einlenkte. Sie hatte dazu mehrere Gründe, sowohl innere Unsicher¬<lb/> heit wie stärkeres Hervortreten der asiatischen Interessen, die eine Rückendeckung in<lb/> Europa ratsam erscheinen ließen. Von Rußland ging, wie Rafchdcm versicherte,<lb/> der Gedanke aus, das alte Dreikaiserverhältnis in der Form eines Neutralitäts-<lb/> abkommcns zu erneuern. Daß Bismarck sich gern darauf einließ, dürfen wir ohne<lb/> weiteres annehmen. -Österreich-Ungarn dagegen machte zunächst Schwierigkeiten, indem<lb/> es nach Hohenlohes Bericht noch über die vorgeschlagene Anerkennung und Garantie<lb/> des Statusquo hinaus auch die Annexion der 1879 okkupierten Provinzen Bosnien<lb/> und Herzegowina und sogar des Sandschaks Novibazar verlangte. Es ließ sich aber,<lb/> wir wissen noch nicht auf welche Weise, zum Verzicht auf diese Forderung<lb/> bewegen, und am 28. Juni 1881 konnte das Abkommen in Berlin unterzeichnet<lb/> werden. Es besagte im wesentlichen, daß, wenn einer der drei Staaten mit einem<lb/> vierten Krieg führen sollte, die beiden anderen freundschaftliche Neutralität zu<lb/> wahren hätten; einseitige Änderungen des Statusquo auf der Balkanhalbinsel<lb/> sollten nicht stattfinden, die Aufrechterhaltung der Schließung der Dardanellen und<lb/> des Bosporus wurde für ein gemeinsames Interesse erklärt. In wenig veränderter<lb/> Form wurde dieser Vertrag 1384 auf weitere drei Jahre erneuert; eine Zusammen¬<lb/> kunft der drei Kaiser im September dieses Jahres zu Skiernicwice ließ auch nach<lb/> außen hin erkennen, daß das alte Dreikaiserverhältnis wieder belebt worden war.</p><lb/> <p xml:id="ID_60"> Aber in den folgenden Jahren verschob sich die Grundlage genau wie ein<lb/> Jahrzehnt vorher dadurch, daß die Valkcinfrage wieder akut wurde. Bulgarien, das<lb/> die Russen 1877/78 befreit hatten und dauernd unter ihrer Vormundschaft halten<lb/> wollten, versrichte sich unter dem Fürsten Alexander von Ballenberg daraus zu<lb/> lösen und fand in diesem Bestreben die Sympathie nicht nur aller Russcnfeinde<lb/> Europas, sondern auch der österreichisch-ungarischen Monarchie. Der Gegensatz, in<lb/> den die Monarchie dadurch zu Rußland geriet, machte eine Fortsetzung des nur bei<lb/> beiderseitiger Zurückhaltung auf dem Balkan möglichen Neutralitätsverhältnisses<lb/> undurchführbar. Aber die Deckung des nördlichen Teils ihrer Westgrenze schien den<lb/> Russen so wichtig, daß sie dem Deutschen Reich vorschlugen, den Vertrag von<lb/> 1881/84 zu zweien weiter zu führen.</p><lb/> <p xml:id="ID_61" next="#ID_62"> Bismarck war damit einverstanden. Denn er hatte immer den Standpunkt<lb/> vertreten, daß das Bündnis mit Qsterreich-Ungarn das Deutsche Reich nicht an un¬<lb/> mittelbaren Beziehungen zu Rußland hindern dürfe. Und wenn er auch nach wie<lb/> vor die' Erhaltung Österreich-Ungarns als Großmacht für ein deutsches Lebens-<lb/> interesse hielt, so war er doch keinen Augenblick bereit, das deutsche Interesse und<lb/> den deutschen Schutz auf die österreichisch-ungarische Balkanpoliti! auszudehnen.<lb/> Noch hatte Deutschland kein unmittelbares Interesse an den Orientfragen: also<lb/> durfte es sich auch nicht von den Österreichern als Prellblock gegen die russischen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0028]
Der deutsch-russische Rückvcrfichcrungsvertrag von 588? und seine Kündigung
der Ereignisse Bismarck vor die unerwünschte und lange vermiedene Option zwischen
Rußland und Österreich-Ungarn stellte.
Es ist bekannt, daß sich Bismarck für das Bündnis mit Qsterreich-Ungarn
entschloß. Aber das bedeutete für ihn lediglich eine Anpassung an die gegebene
Lage, keine Abweichung von seinem Grundsatz, daß das Deutsche Reich versuchen
müsse, sowohl mit Österreich-Ungarn wie mit Rußland gut zu stehen. Sorgfältig
bemühte er sich, den Draht nach Petersburg nach dem Bündnisvertrag vom 7. Ok¬
tober 187!) nicht abreißen zu lassen. Und er erlebte auch die Genugtuung, daß die
russische Politik einlenkte. Sie hatte dazu mehrere Gründe, sowohl innere Unsicher¬
heit wie stärkeres Hervortreten der asiatischen Interessen, die eine Rückendeckung in
Europa ratsam erscheinen ließen. Von Rußland ging, wie Rafchdcm versicherte,
der Gedanke aus, das alte Dreikaiserverhältnis in der Form eines Neutralitäts-
abkommcns zu erneuern. Daß Bismarck sich gern darauf einließ, dürfen wir ohne
weiteres annehmen. -Österreich-Ungarn dagegen machte zunächst Schwierigkeiten, indem
es nach Hohenlohes Bericht noch über die vorgeschlagene Anerkennung und Garantie
des Statusquo hinaus auch die Annexion der 1879 okkupierten Provinzen Bosnien
und Herzegowina und sogar des Sandschaks Novibazar verlangte. Es ließ sich aber,
wir wissen noch nicht auf welche Weise, zum Verzicht auf diese Forderung
bewegen, und am 28. Juni 1881 konnte das Abkommen in Berlin unterzeichnet
werden. Es besagte im wesentlichen, daß, wenn einer der drei Staaten mit einem
vierten Krieg führen sollte, die beiden anderen freundschaftliche Neutralität zu
wahren hätten; einseitige Änderungen des Statusquo auf der Balkanhalbinsel
sollten nicht stattfinden, die Aufrechterhaltung der Schließung der Dardanellen und
des Bosporus wurde für ein gemeinsames Interesse erklärt. In wenig veränderter
Form wurde dieser Vertrag 1384 auf weitere drei Jahre erneuert; eine Zusammen¬
kunft der drei Kaiser im September dieses Jahres zu Skiernicwice ließ auch nach
außen hin erkennen, daß das alte Dreikaiserverhältnis wieder belebt worden war.
Aber in den folgenden Jahren verschob sich die Grundlage genau wie ein
Jahrzehnt vorher dadurch, daß die Valkcinfrage wieder akut wurde. Bulgarien, das
die Russen 1877/78 befreit hatten und dauernd unter ihrer Vormundschaft halten
wollten, versrichte sich unter dem Fürsten Alexander von Ballenberg daraus zu
lösen und fand in diesem Bestreben die Sympathie nicht nur aller Russcnfeinde
Europas, sondern auch der österreichisch-ungarischen Monarchie. Der Gegensatz, in
den die Monarchie dadurch zu Rußland geriet, machte eine Fortsetzung des nur bei
beiderseitiger Zurückhaltung auf dem Balkan möglichen Neutralitätsverhältnisses
undurchführbar. Aber die Deckung des nördlichen Teils ihrer Westgrenze schien den
Russen so wichtig, daß sie dem Deutschen Reich vorschlugen, den Vertrag von
1881/84 zu zweien weiter zu führen.
Bismarck war damit einverstanden. Denn er hatte immer den Standpunkt
vertreten, daß das Bündnis mit Qsterreich-Ungarn das Deutsche Reich nicht an un¬
mittelbaren Beziehungen zu Rußland hindern dürfe. Und wenn er auch nach wie
vor die' Erhaltung Österreich-Ungarns als Großmacht für ein deutsches Lebens-
interesse hielt, so war er doch keinen Augenblick bereit, das deutsche Interesse und
den deutschen Schutz auf die österreichisch-ungarische Balkanpoliti! auszudehnen.
Noch hatte Deutschland kein unmittelbares Interesse an den Orientfragen: also
durfte es sich auch nicht von den Österreichern als Prellblock gegen die russischen
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