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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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indischen Aufstandes kann einstweilen natürlich noch lange nicht die Rede sein, eS
genügt für russische Zwecke aber auch, wenn nur erst Mittelasien in Unruhe ge¬
halten wird, wo eine weitere Verwendung indischer Truppen immer schwieriger
wird. Andrerseits trägt man englischerseits Bedenken, indische Truppen aus
Mesopotamien, Persien, Ägypten oder Ostafrika heim zu befördern, wie es indische
Nationalisten fordern. Diese Truppen haben gar zuviel gesehen, was man in Indien
nicht allzu bekannt werden lassen möchte.

Unter anderen den entschlossenen Widerstand der Ägypter gegen den
Milnerschen Protektoratsentwurf! Dieser Entwurf wurde von englischen Blättern
als ein großes Entgegenkommen Englands gefeiert. Er wäre auch vom
englischen Standpunkt aus sehr schön gewesen, wenn nur die Ägypter mit ihm
zufrieden gewesen wären. Doch auch hier erhebt sich ein drohes Zuspät. Die
Ägypter verlangen unentwegt förmliche Abschaffung des Protektorats und Ver¬
handlung auf gleichem Fuße.

Aber nicht allein die fremdstämmigen Völker versuchen die englische Herrschaft
abzuschütteln, die eigenen Dominion, die den Krieg nicht umsonst mitgemacht haben
wollen, beginnen immer selbständiger gegen das Mutterland aufzutreten und auch
außenpolitisch ihre eigenen Wege zu gehen, wie sie es innerpolitisch seit langer Zeit
gewohnt sind. Zwar ist, wie der Ausfall der Wahlen beweist, in Südafrika die
Gefahr noch einmal abgewandt worden: die Nationalistenpartei Hertzogs ist gegen
die Vereinigten Umonisten und Südafrikaner unter Führung von Smuts (ver-
gleiche den Aufsatz "Parteipolitische Verhältnisse in der südafrikanischen Union",
Grenzboten Heft 50/51) unterlegen, aber wahrscheinlich im wesentlichen, weilwcm
Unruhen im eigenen Lande vermeiden wollte. Aber schon verhandeln Kanada,
Australien und Neu-Zeeland eigenmächtig mit den Bereinigten Staaten über die
Frage der Verteidigung zur See, schon erklärte der australische Premier in aller
Öffentlichkeit und im offentsichtlichen Gegensatz zu den Interessen des Mutterlandes:
das weiße Australien begrüßt den Stapellauf jedes neuen amerikanischen
Kriegsschiffes) schon entstehen in der Frage der Politik Japan gegenüber ernste
Unstimmigkeiten zwischen Mutterland und Kolonien, und wenn auch die Nach¬
richten über ein kanadisches Übereinkommen mit den Vereinigten Staaten betreffs
Verwendung des Kanada von England zugewiesenen Geschwaders im Stillen
Ozean als zu weit gehend dementiert werden, so sieht man daraus doch, daß die
ursprünglich zur Befestigung der englischen Weltherrschaft erdachte selbständige
Vertretung der Dominions im Völkerbund auch ihre bedenkliche Kehrseite hat.
Sowie innerhalb des britischen Imperiums die Interessen zwischen Kolonien und
Mutterland zu weit auseinandergehen, was in der japanischen Frage der Fall
ist, erzittert der stolze Bau schon jetzt in all seinen Fugen. Das deutet auf
Probleme nicht der Tages-, aber der Weltpolitik. Auch der Sieger im Weltkrieg
Menenius wird seines Sieges nicht froh.




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indischen Aufstandes kann einstweilen natürlich noch lange nicht die Rede sein, eS
genügt für russische Zwecke aber auch, wenn nur erst Mittelasien in Unruhe ge¬
halten wird, wo eine weitere Verwendung indischer Truppen immer schwieriger
wird. Andrerseits trägt man englischerseits Bedenken, indische Truppen aus
Mesopotamien, Persien, Ägypten oder Ostafrika heim zu befördern, wie es indische
Nationalisten fordern. Diese Truppen haben gar zuviel gesehen, was man in Indien
nicht allzu bekannt werden lassen möchte.

Unter anderen den entschlossenen Widerstand der Ägypter gegen den
Milnerschen Protektoratsentwurf! Dieser Entwurf wurde von englischen Blättern
als ein großes Entgegenkommen Englands gefeiert. Er wäre auch vom
englischen Standpunkt aus sehr schön gewesen, wenn nur die Ägypter mit ihm
zufrieden gewesen wären. Doch auch hier erhebt sich ein drohes Zuspät. Die
Ägypter verlangen unentwegt förmliche Abschaffung des Protektorats und Ver¬
handlung auf gleichem Fuße.

Aber nicht allein die fremdstämmigen Völker versuchen die englische Herrschaft
abzuschütteln, die eigenen Dominion, die den Krieg nicht umsonst mitgemacht haben
wollen, beginnen immer selbständiger gegen das Mutterland aufzutreten und auch
außenpolitisch ihre eigenen Wege zu gehen, wie sie es innerpolitisch seit langer Zeit
gewohnt sind. Zwar ist, wie der Ausfall der Wahlen beweist, in Südafrika die
Gefahr noch einmal abgewandt worden: die Nationalistenpartei Hertzogs ist gegen
die Vereinigten Umonisten und Südafrikaner unter Führung von Smuts (ver-
gleiche den Aufsatz „Parteipolitische Verhältnisse in der südafrikanischen Union",
Grenzboten Heft 50/51) unterlegen, aber wahrscheinlich im wesentlichen, weilwcm
Unruhen im eigenen Lande vermeiden wollte. Aber schon verhandeln Kanada,
Australien und Neu-Zeeland eigenmächtig mit den Bereinigten Staaten über die
Frage der Verteidigung zur See, schon erklärte der australische Premier in aller
Öffentlichkeit und im offentsichtlichen Gegensatz zu den Interessen des Mutterlandes:
das weiße Australien begrüßt den Stapellauf jedes neuen amerikanischen
Kriegsschiffes) schon entstehen in der Frage der Politik Japan gegenüber ernste
Unstimmigkeiten zwischen Mutterland und Kolonien, und wenn auch die Nach¬
richten über ein kanadisches Übereinkommen mit den Vereinigten Staaten betreffs
Verwendung des Kanada von England zugewiesenen Geschwaders im Stillen
Ozean als zu weit gehend dementiert werden, so sieht man daraus doch, daß die
ursprünglich zur Befestigung der englischen Weltherrschaft erdachte selbständige
Vertretung der Dominions im Völkerbund auch ihre bedenkliche Kehrseite hat.
Sowie innerhalb des britischen Imperiums die Interessen zwischen Kolonien und
Mutterland zu weit auseinandergehen, was in der japanischen Frage der Fall
ist, erzittert der stolze Bau schon jetzt in all seinen Fugen. Das deutet auf
Probleme nicht der Tages-, aber der Weltpolitik. Auch der Sieger im Weltkrieg
Menenius wird seines Sieges nicht froh.




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[0249] lveltspiegel indischen Aufstandes kann einstweilen natürlich noch lange nicht die Rede sein, eS genügt für russische Zwecke aber auch, wenn nur erst Mittelasien in Unruhe ge¬ halten wird, wo eine weitere Verwendung indischer Truppen immer schwieriger wird. Andrerseits trägt man englischerseits Bedenken, indische Truppen aus Mesopotamien, Persien, Ägypten oder Ostafrika heim zu befördern, wie es indische Nationalisten fordern. Diese Truppen haben gar zuviel gesehen, was man in Indien nicht allzu bekannt werden lassen möchte. Unter anderen den entschlossenen Widerstand der Ägypter gegen den Milnerschen Protektoratsentwurf! Dieser Entwurf wurde von englischen Blättern als ein großes Entgegenkommen Englands gefeiert. Er wäre auch vom englischen Standpunkt aus sehr schön gewesen, wenn nur die Ägypter mit ihm zufrieden gewesen wären. Doch auch hier erhebt sich ein drohes Zuspät. Die Ägypter verlangen unentwegt förmliche Abschaffung des Protektorats und Ver¬ handlung auf gleichem Fuße. Aber nicht allein die fremdstämmigen Völker versuchen die englische Herrschaft abzuschütteln, die eigenen Dominion, die den Krieg nicht umsonst mitgemacht haben wollen, beginnen immer selbständiger gegen das Mutterland aufzutreten und auch außenpolitisch ihre eigenen Wege zu gehen, wie sie es innerpolitisch seit langer Zeit gewohnt sind. Zwar ist, wie der Ausfall der Wahlen beweist, in Südafrika die Gefahr noch einmal abgewandt worden: die Nationalistenpartei Hertzogs ist gegen die Vereinigten Umonisten und Südafrikaner unter Führung von Smuts (ver- gleiche den Aufsatz „Parteipolitische Verhältnisse in der südafrikanischen Union", Grenzboten Heft 50/51) unterlegen, aber wahrscheinlich im wesentlichen, weilwcm Unruhen im eigenen Lande vermeiden wollte. Aber schon verhandeln Kanada, Australien und Neu-Zeeland eigenmächtig mit den Bereinigten Staaten über die Frage der Verteidigung zur See, schon erklärte der australische Premier in aller Öffentlichkeit und im offentsichtlichen Gegensatz zu den Interessen des Mutterlandes: das weiße Australien begrüßt den Stapellauf jedes neuen amerikanischen Kriegsschiffes) schon entstehen in der Frage der Politik Japan gegenüber ernste Unstimmigkeiten zwischen Mutterland und Kolonien, und wenn auch die Nach¬ richten über ein kanadisches Übereinkommen mit den Vereinigten Staaten betreffs Verwendung des Kanada von England zugewiesenen Geschwaders im Stillen Ozean als zu weit gehend dementiert werden, so sieht man daraus doch, daß die ursprünglich zur Befestigung der englischen Weltherrschaft erdachte selbständige Vertretung der Dominions im Völkerbund auch ihre bedenkliche Kehrseite hat. Sowie innerhalb des britischen Imperiums die Interessen zwischen Kolonien und Mutterland zu weit auseinandergehen, was in der japanischen Frage der Fall ist, erzittert der stolze Bau schon jetzt in all seinen Fugen. Das deutet auf Probleme nicht der Tages-, aber der Weltpolitik. Auch der Sieger im Weltkrieg Menenius wird seines Sieges nicht froh.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/249>, abgerufen am 29.12.2024.