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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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Weltspiegel

englischen Parlament erfuhr. Und wenn auch die von dem Agitator Gaudhi
hervorgerufene Enthaltsamkeitsbewegung, die auf den planmäßigen Boykott aller
englischen Behörden, Staatseinrichtungen, Schulen und Universitäten ausgeht,
keineswegs überall erfolgreich gewesen ist und längst nicht oder nicht in vollem
Maße von allen indischen Führern gebilligt wird, so ist es doch bezeichnend genug,
daß gelegentlich eines Festessens unter dem Vorsitz des Unterhausmitglieds Major
Barres in Mortimer Hall, das den Zweck hatte, England und Indien durch
gegenseitige persönliche Aussprache einander näherzubringen, unter den zahl¬
reichen anwesenden Indern kein einziger gesunden werden konnte, der einen Toast
auf England ausbringen wollte. Ein gutes und vollständiges Bild von den ver¬
schiedenen Strömungen in Indien bietet der Bericht der "Times of Jndia"
(vom 1.1.) über den Nationalistenkongreß von Nagpur, über den "Daily Telegraph"
sich folgendermaßen äußert: "llows Rule-Anhänger oder Republikaner, Gemäßigte
oder Aktivisten, all diese sogenannten Nationalisten haben ein gemeinsames Haupt¬
ziel. Sie sind alle gegen die britische Autorität und gegen das britische Weltreich.
Sie mögen einander von Herzen verabscheuen, aber im Haß gegen England und
die Engländer sind sie einig. Sie machen kein Hehl daraus, daß sie die Hand
der englisch-indischen Verwaltung zu schwächen, die Engländer aus allen Andern,
aus Erziehung und Handel auszutreiben und ihnen ihre Stellung unerträglich zu
machen beabsichtigen." Welche Sprache auf diesem Kongreß geführt wurde, davon
eine kleine Piobe aus der Rede Achariars, in der er sich gegen den Boykott der
Universitäten wandte und riet, die Engländer lieber am Geldbeutel zu packen:
"Denken wir daran, daß das Hauptbuch des Engländers Bibel ist. Finanz¬
statistiken, die eine Verminderung des Einkommens anzeigen und mit weiterer
steigender Verminderung drohen, üben auf die Mentalität und Moralität des
Durchschnittsengländers einen weit stärkeren Einfluß aus als irgendeine andere
Waffe." Das Gefährliche für England ist dabei, daß ein bedeutender Teil der
Führer recht wohl weiß, daß mit Gewalt nichts zu erreichen ist. Infolgedessen
hat denn auch der Kongreß, der schon nach dem ersten Sitzungstage ganz unter
den Einfluß der Radikalen geraten war, "mit allen gesetzlichen und friedlichen"
Mitteln auf Homerule zu dringen beschlossen und ist für Verweigerung der
Zusammenarbeit mit englischen Behörden, Nichtzahlung der Steuern, Boykott des
Außenhandels eingetreten. Natürlich können die Engländer mit Recht darauf
hinweisen, daß die Durchführung dieser Beschlüsse auch die Inder selbst treffen
wird, es ist eben die Frage, wer's länger aushält, und eine fanatisierte Masse
im Orient ist zu weit mehr fähig als ein geldsüchtiges Bürgertum in Europa.
Gegen eine weitere Fanatisierung der Klasse aber ist die englische Verwaltung,
so lange es den Führern gelingt, Unruhen und Blutvergießen zu vermeiden,
machtlos. Entschließt man sich einmal, Agitatoren festzusetzen, so ist man durch
das Auftreten der angesehenen Führer, die sogleich planmäßig die gleichen Ver¬
stöße begehen, alsbald genötigt, die Festgenommenen wieder freizulassend Neuer¬
dings sind, wenn man den Erklärungen Lajpat Nais in der Chicago Tribune
Glauben schenken darf, sogar die Pendschab-Sikhs, aus denen sich von jeher die
besten Seapoys rekrutierten, der Boykottbewegung (non-oooperatioii) beigetreten.
Dazu herrscht an den Grenzen dauernd Unruhe und in einzelnen Gegenden,
wie Allahabad, in bedenklichem Maße Agrarbolschewismns.

Auch dieser Konflikt hat wie der irische seine außenpolitischen Rückwirkungen,
nicht nur auf die Haltung des Emirs von Afghanistan, sondern vor allem auf
die Haltung Sowjetrußlands. Die Propaganda der Sowjets hat in ganz Mittel¬
asien schon so viel Erfolg gehabt, daß Tschuscherin in seiner neuesten Note ohne
fürchten zu müssen, des Gegenteils überführt zu werden, behaupten kann, daß
eine russische Propaganda in Mittelasien gar nicht mehr arbeitet. In der Tat
können sich d>e Russen jetzt schon fast überall einheimischer Kräfte bedienen.
Ob und wie weit sie es in Indien tun, entzieht sich der Beurteilung, vage
bolschewistische Ideen fanden in ganz Indien nach verläßlichen Aussagen schon
wahrend des Krieges lebhaftes Interesse. Von aktiver Unterstützung eines etwaigen


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englischen Parlament erfuhr. Und wenn auch die von dem Agitator Gaudhi
hervorgerufene Enthaltsamkeitsbewegung, die auf den planmäßigen Boykott aller
englischen Behörden, Staatseinrichtungen, Schulen und Universitäten ausgeht,
keineswegs überall erfolgreich gewesen ist und längst nicht oder nicht in vollem
Maße von allen indischen Führern gebilligt wird, so ist es doch bezeichnend genug,
daß gelegentlich eines Festessens unter dem Vorsitz des Unterhausmitglieds Major
Barres in Mortimer Hall, das den Zweck hatte, England und Indien durch
gegenseitige persönliche Aussprache einander näherzubringen, unter den zahl¬
reichen anwesenden Indern kein einziger gesunden werden konnte, der einen Toast
auf England ausbringen wollte. Ein gutes und vollständiges Bild von den ver¬
schiedenen Strömungen in Indien bietet der Bericht der „Times of Jndia"
(vom 1.1.) über den Nationalistenkongreß von Nagpur, über den „Daily Telegraph"
sich folgendermaßen äußert: „llows Rule-Anhänger oder Republikaner, Gemäßigte
oder Aktivisten, all diese sogenannten Nationalisten haben ein gemeinsames Haupt¬
ziel. Sie sind alle gegen die britische Autorität und gegen das britische Weltreich.
Sie mögen einander von Herzen verabscheuen, aber im Haß gegen England und
die Engländer sind sie einig. Sie machen kein Hehl daraus, daß sie die Hand
der englisch-indischen Verwaltung zu schwächen, die Engländer aus allen Andern,
aus Erziehung und Handel auszutreiben und ihnen ihre Stellung unerträglich zu
machen beabsichtigen." Welche Sprache auf diesem Kongreß geführt wurde, davon
eine kleine Piobe aus der Rede Achariars, in der er sich gegen den Boykott der
Universitäten wandte und riet, die Engländer lieber am Geldbeutel zu packen:
„Denken wir daran, daß das Hauptbuch des Engländers Bibel ist. Finanz¬
statistiken, die eine Verminderung des Einkommens anzeigen und mit weiterer
steigender Verminderung drohen, üben auf die Mentalität und Moralität des
Durchschnittsengländers einen weit stärkeren Einfluß aus als irgendeine andere
Waffe." Das Gefährliche für England ist dabei, daß ein bedeutender Teil der
Führer recht wohl weiß, daß mit Gewalt nichts zu erreichen ist. Infolgedessen
hat denn auch der Kongreß, der schon nach dem ersten Sitzungstage ganz unter
den Einfluß der Radikalen geraten war, „mit allen gesetzlichen und friedlichen"
Mitteln auf Homerule zu dringen beschlossen und ist für Verweigerung der
Zusammenarbeit mit englischen Behörden, Nichtzahlung der Steuern, Boykott des
Außenhandels eingetreten. Natürlich können die Engländer mit Recht darauf
hinweisen, daß die Durchführung dieser Beschlüsse auch die Inder selbst treffen
wird, es ist eben die Frage, wer's länger aushält, und eine fanatisierte Masse
im Orient ist zu weit mehr fähig als ein geldsüchtiges Bürgertum in Europa.
Gegen eine weitere Fanatisierung der Klasse aber ist die englische Verwaltung,
so lange es den Führern gelingt, Unruhen und Blutvergießen zu vermeiden,
machtlos. Entschließt man sich einmal, Agitatoren festzusetzen, so ist man durch
das Auftreten der angesehenen Führer, die sogleich planmäßig die gleichen Ver¬
stöße begehen, alsbald genötigt, die Festgenommenen wieder freizulassend Neuer¬
dings sind, wenn man den Erklärungen Lajpat Nais in der Chicago Tribune
Glauben schenken darf, sogar die Pendschab-Sikhs, aus denen sich von jeher die
besten Seapoys rekrutierten, der Boykottbewegung (non-oooperatioii) beigetreten.
Dazu herrscht an den Grenzen dauernd Unruhe und in einzelnen Gegenden,
wie Allahabad, in bedenklichem Maße Agrarbolschewismns.

Auch dieser Konflikt hat wie der irische seine außenpolitischen Rückwirkungen,
nicht nur auf die Haltung des Emirs von Afghanistan, sondern vor allem auf
die Haltung Sowjetrußlands. Die Propaganda der Sowjets hat in ganz Mittel¬
asien schon so viel Erfolg gehabt, daß Tschuscherin in seiner neuesten Note ohne
fürchten zu müssen, des Gegenteils überführt zu werden, behaupten kann, daß
eine russische Propaganda in Mittelasien gar nicht mehr arbeitet. In der Tat
können sich d>e Russen jetzt schon fast überall einheimischer Kräfte bedienen.
Ob und wie weit sie es in Indien tun, entzieht sich der Beurteilung, vage
bolschewistische Ideen fanden in ganz Indien nach verläßlichen Aussagen schon
wahrend des Krieges lebhaftes Interesse. Von aktiver Unterstützung eines etwaigen


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[0248] Weltspiegel englischen Parlament erfuhr. Und wenn auch die von dem Agitator Gaudhi hervorgerufene Enthaltsamkeitsbewegung, die auf den planmäßigen Boykott aller englischen Behörden, Staatseinrichtungen, Schulen und Universitäten ausgeht, keineswegs überall erfolgreich gewesen ist und längst nicht oder nicht in vollem Maße von allen indischen Führern gebilligt wird, so ist es doch bezeichnend genug, daß gelegentlich eines Festessens unter dem Vorsitz des Unterhausmitglieds Major Barres in Mortimer Hall, das den Zweck hatte, England und Indien durch gegenseitige persönliche Aussprache einander näherzubringen, unter den zahl¬ reichen anwesenden Indern kein einziger gesunden werden konnte, der einen Toast auf England ausbringen wollte. Ein gutes und vollständiges Bild von den ver¬ schiedenen Strömungen in Indien bietet der Bericht der „Times of Jndia" (vom 1.1.) über den Nationalistenkongreß von Nagpur, über den „Daily Telegraph" sich folgendermaßen äußert: „llows Rule-Anhänger oder Republikaner, Gemäßigte oder Aktivisten, all diese sogenannten Nationalisten haben ein gemeinsames Haupt¬ ziel. Sie sind alle gegen die britische Autorität und gegen das britische Weltreich. Sie mögen einander von Herzen verabscheuen, aber im Haß gegen England und die Engländer sind sie einig. Sie machen kein Hehl daraus, daß sie die Hand der englisch-indischen Verwaltung zu schwächen, die Engländer aus allen Andern, aus Erziehung und Handel auszutreiben und ihnen ihre Stellung unerträglich zu machen beabsichtigen." Welche Sprache auf diesem Kongreß geführt wurde, davon eine kleine Piobe aus der Rede Achariars, in der er sich gegen den Boykott der Universitäten wandte und riet, die Engländer lieber am Geldbeutel zu packen: „Denken wir daran, daß das Hauptbuch des Engländers Bibel ist. Finanz¬ statistiken, die eine Verminderung des Einkommens anzeigen und mit weiterer steigender Verminderung drohen, üben auf die Mentalität und Moralität des Durchschnittsengländers einen weit stärkeren Einfluß aus als irgendeine andere Waffe." Das Gefährliche für England ist dabei, daß ein bedeutender Teil der Führer recht wohl weiß, daß mit Gewalt nichts zu erreichen ist. Infolgedessen hat denn auch der Kongreß, der schon nach dem ersten Sitzungstage ganz unter den Einfluß der Radikalen geraten war, „mit allen gesetzlichen und friedlichen" Mitteln auf Homerule zu dringen beschlossen und ist für Verweigerung der Zusammenarbeit mit englischen Behörden, Nichtzahlung der Steuern, Boykott des Außenhandels eingetreten. Natürlich können die Engländer mit Recht darauf hinweisen, daß die Durchführung dieser Beschlüsse auch die Inder selbst treffen wird, es ist eben die Frage, wer's länger aushält, und eine fanatisierte Masse im Orient ist zu weit mehr fähig als ein geldsüchtiges Bürgertum in Europa. Gegen eine weitere Fanatisierung der Klasse aber ist die englische Verwaltung, so lange es den Führern gelingt, Unruhen und Blutvergießen zu vermeiden, machtlos. Entschließt man sich einmal, Agitatoren festzusetzen, so ist man durch das Auftreten der angesehenen Führer, die sogleich planmäßig die gleichen Ver¬ stöße begehen, alsbald genötigt, die Festgenommenen wieder freizulassend Neuer¬ dings sind, wenn man den Erklärungen Lajpat Nais in der Chicago Tribune Glauben schenken darf, sogar die Pendschab-Sikhs, aus denen sich von jeher die besten Seapoys rekrutierten, der Boykottbewegung (non-oooperatioii) beigetreten. Dazu herrscht an den Grenzen dauernd Unruhe und in einzelnen Gegenden, wie Allahabad, in bedenklichem Maße Agrarbolschewismns. Auch dieser Konflikt hat wie der irische seine außenpolitischen Rückwirkungen, nicht nur auf die Haltung des Emirs von Afghanistan, sondern vor allem auf die Haltung Sowjetrußlands. Die Propaganda der Sowjets hat in ganz Mittel¬ asien schon so viel Erfolg gehabt, daß Tschuscherin in seiner neuesten Note ohne fürchten zu müssen, des Gegenteils überführt zu werden, behaupten kann, daß eine russische Propaganda in Mittelasien gar nicht mehr arbeitet. In der Tat können sich d>e Russen jetzt schon fast überall einheimischer Kräfte bedienen. Ob und wie weit sie es in Indien tun, entzieht sich der Beurteilung, vage bolschewistische Ideen fanden in ganz Indien nach verläßlichen Aussagen schon wahrend des Krieges lebhaftes Interesse. Von aktiver Unterstützung eines etwaigen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/248>, abgerufen am 01.07.2024.