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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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Reisebriefe an den Ruiser

macht. Nirgends sieht man eine Roheit, nirgends einen Angetrunkenen. Alles
wickelt sich wie selbstverständlich ab.

Trotz dieses bunten, verlockenden Lebens ist mir von nirgends eine Klage
über unsere Leute entgegengetreten; im Gegenteil, nur sehr Anerkennendes bekamen
wir zu hören. Nicht einmal des New Uorker Elefant der "Moltke" bedürfte es, um
die Beurlaubten aus diesem Trubel wieder zusammenzulesen.

Das Kohlen in Rio ging in dem geschützten Hafen verhältnismäßig glatt.
Es ist bezeichnend, daß der Maschinist auf dem holländischen Dampfer, der uns die
Kohlen brachte, mit seinem ersten Offizier eine ziemlich hohe Wette eingegangen
war, daß die leitenden Persönlichkeiten beim Kohlen sicher keine Offiziere wären.
Er könne nicht glauben, daß Offiziere so tüchtig mitarbeiteten, ohne Rücksicht darauf,
wie schwarz sie würden. Offiziere wären dazu viel zu fein. Er mußte seine Wette
bezahlen.

Beim Auslaufen gaben uns die beiden großen Brasilianer "Sav Paulo" und
"Minas Geraes" bis vor den Hafen das Geleit. Bei der äußersten Insel dampften
sie auf, paradierten, salutierten unsere Admiralsflagge und schwenkten mit drei
Hurrah ab. Ein sehr gelungenes, hübsches Manöver. Wir erwiderten die Auf¬
merksamkeit natürlich in gleicher Weise. ,

Wir haben uns dann in der prachtvollen Bucht vor Isla Grande etwas auf¬
gehalten, um dort Netze zu setzen und Minensuchen zu üben und eine Nachtschie߬
übung vorzubereiten. Leider erlaubte uns unsere Zeit nicht, in diesem herrlichen
Exerzierhafen noch länger zu bleiben.

Die nächsten Tage gaben dann noch Gelegenheit, Torpedo- und Prüfungs¬
schießen zu erledigen, so daß wir mit der Ausbildung ein gutes Stück vor¬
wärtskamen.

In Rio ist dann auch an den Maschinen, besonders den Kondensatoren und
mit erheblicher Unterstützung durch seemännisches Personal auch an der Reinigung
der Kessel, tüchtig gearbeitet worden. Bei den zahlreichen Anfressungen, die an allen
Seewasser führenden Teilen auftreten, wird aber auch weiter mit Undichtigkeiten
an den Kondensatoren und dein sehr unbequemen Eintritt von Salz in das Kessel¬
wasser gerechnet werden müssen.

Valdivia, 25. 3. 1914.

Man kann nicht gerade sagen, daß die südamerikanischen Häfen uns die An¬
knüpfung freundschaftlicher Beziehungen erleichtert hätten. Mar del Plata, Monte¬
video und Punta Arenas, sie alle drei haben an Witterung alles aufgeboten, um den
Aufenthalt ungemütlich zu machen, nur für das Kohlen in Montevideo, dem wir mit
ziemlicher Sorge entgegensahen, war zum Glück der Seegang abbestellt.

In Mar del Plata lief am ersten Tage die See so hoch auf, daß sie vor Anker
bis auf die Schanze hinauflief. In Montevideo, wo das Liegen im schlammigen
Fluß mit nur wenig Wässer unter dem Kiel schon nicht angenehm war, setzte
neben dem Strom stets im Laufe des Tages ein so frischer Wind ein, daß die fast
5 Seemeilen weite Bootsfahrt hin und zurück zu den vielen Festen keinesfalls ein
Vergnügen mehr war; es soll sogar Seeoffiziere gegeben haben, bei denen auf solchen
Heimfahrten Galadiner und Bierabend in inneren Konflikt gerieten. In Punta
Arenas endlich setzte kurz vor unserer Ankunft ein schwerer ein, nachdem es
^bisher immer das schönste Wetter gewesen war". '


Grenzboten l 19S1 15
Reisebriefe an den Ruiser

macht. Nirgends sieht man eine Roheit, nirgends einen Angetrunkenen. Alles
wickelt sich wie selbstverständlich ab.

Trotz dieses bunten, verlockenden Lebens ist mir von nirgends eine Klage
über unsere Leute entgegengetreten; im Gegenteil, nur sehr Anerkennendes bekamen
wir zu hören. Nicht einmal des New Uorker Elefant der „Moltke" bedürfte es, um
die Beurlaubten aus diesem Trubel wieder zusammenzulesen.

Das Kohlen in Rio ging in dem geschützten Hafen verhältnismäßig glatt.
Es ist bezeichnend, daß der Maschinist auf dem holländischen Dampfer, der uns die
Kohlen brachte, mit seinem ersten Offizier eine ziemlich hohe Wette eingegangen
war, daß die leitenden Persönlichkeiten beim Kohlen sicher keine Offiziere wären.
Er könne nicht glauben, daß Offiziere so tüchtig mitarbeiteten, ohne Rücksicht darauf,
wie schwarz sie würden. Offiziere wären dazu viel zu fein. Er mußte seine Wette
bezahlen.

Beim Auslaufen gaben uns die beiden großen Brasilianer „Sav Paulo" und
„Minas Geraes" bis vor den Hafen das Geleit. Bei der äußersten Insel dampften
sie auf, paradierten, salutierten unsere Admiralsflagge und schwenkten mit drei
Hurrah ab. Ein sehr gelungenes, hübsches Manöver. Wir erwiderten die Auf¬
merksamkeit natürlich in gleicher Weise. ,

Wir haben uns dann in der prachtvollen Bucht vor Isla Grande etwas auf¬
gehalten, um dort Netze zu setzen und Minensuchen zu üben und eine Nachtschie߬
übung vorzubereiten. Leider erlaubte uns unsere Zeit nicht, in diesem herrlichen
Exerzierhafen noch länger zu bleiben.

Die nächsten Tage gaben dann noch Gelegenheit, Torpedo- und Prüfungs¬
schießen zu erledigen, so daß wir mit der Ausbildung ein gutes Stück vor¬
wärtskamen.

In Rio ist dann auch an den Maschinen, besonders den Kondensatoren und
mit erheblicher Unterstützung durch seemännisches Personal auch an der Reinigung
der Kessel, tüchtig gearbeitet worden. Bei den zahlreichen Anfressungen, die an allen
Seewasser führenden Teilen auftreten, wird aber auch weiter mit Undichtigkeiten
an den Kondensatoren und dein sehr unbequemen Eintritt von Salz in das Kessel¬
wasser gerechnet werden müssen.

Valdivia, 25. 3. 1914.

Man kann nicht gerade sagen, daß die südamerikanischen Häfen uns die An¬
knüpfung freundschaftlicher Beziehungen erleichtert hätten. Mar del Plata, Monte¬
video und Punta Arenas, sie alle drei haben an Witterung alles aufgeboten, um den
Aufenthalt ungemütlich zu machen, nur für das Kohlen in Montevideo, dem wir mit
ziemlicher Sorge entgegensahen, war zum Glück der Seegang abbestellt.

In Mar del Plata lief am ersten Tage die See so hoch auf, daß sie vor Anker
bis auf die Schanze hinauflief. In Montevideo, wo das Liegen im schlammigen
Fluß mit nur wenig Wässer unter dem Kiel schon nicht angenehm war, setzte
neben dem Strom stets im Laufe des Tages ein so frischer Wind ein, daß die fast
5 Seemeilen weite Bootsfahrt hin und zurück zu den vielen Festen keinesfalls ein
Vergnügen mehr war; es soll sogar Seeoffiziere gegeben haben, bei denen auf solchen
Heimfahrten Galadiner und Bierabend in inneren Konflikt gerieten. In Punta
Arenas endlich setzte kurz vor unserer Ankunft ein schwerer ein, nachdem es
^bisher immer das schönste Wetter gewesen war". '


Grenzboten l 19S1 15
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[0239] Reisebriefe an den Ruiser macht. Nirgends sieht man eine Roheit, nirgends einen Angetrunkenen. Alles wickelt sich wie selbstverständlich ab. Trotz dieses bunten, verlockenden Lebens ist mir von nirgends eine Klage über unsere Leute entgegengetreten; im Gegenteil, nur sehr Anerkennendes bekamen wir zu hören. Nicht einmal des New Uorker Elefant der „Moltke" bedürfte es, um die Beurlaubten aus diesem Trubel wieder zusammenzulesen. Das Kohlen in Rio ging in dem geschützten Hafen verhältnismäßig glatt. Es ist bezeichnend, daß der Maschinist auf dem holländischen Dampfer, der uns die Kohlen brachte, mit seinem ersten Offizier eine ziemlich hohe Wette eingegangen war, daß die leitenden Persönlichkeiten beim Kohlen sicher keine Offiziere wären. Er könne nicht glauben, daß Offiziere so tüchtig mitarbeiteten, ohne Rücksicht darauf, wie schwarz sie würden. Offiziere wären dazu viel zu fein. Er mußte seine Wette bezahlen. Beim Auslaufen gaben uns die beiden großen Brasilianer „Sav Paulo" und „Minas Geraes" bis vor den Hafen das Geleit. Bei der äußersten Insel dampften sie auf, paradierten, salutierten unsere Admiralsflagge und schwenkten mit drei Hurrah ab. Ein sehr gelungenes, hübsches Manöver. Wir erwiderten die Auf¬ merksamkeit natürlich in gleicher Weise. , Wir haben uns dann in der prachtvollen Bucht vor Isla Grande etwas auf¬ gehalten, um dort Netze zu setzen und Minensuchen zu üben und eine Nachtschie߬ übung vorzubereiten. Leider erlaubte uns unsere Zeit nicht, in diesem herrlichen Exerzierhafen noch länger zu bleiben. Die nächsten Tage gaben dann noch Gelegenheit, Torpedo- und Prüfungs¬ schießen zu erledigen, so daß wir mit der Ausbildung ein gutes Stück vor¬ wärtskamen. In Rio ist dann auch an den Maschinen, besonders den Kondensatoren und mit erheblicher Unterstützung durch seemännisches Personal auch an der Reinigung der Kessel, tüchtig gearbeitet worden. Bei den zahlreichen Anfressungen, die an allen Seewasser führenden Teilen auftreten, wird aber auch weiter mit Undichtigkeiten an den Kondensatoren und dein sehr unbequemen Eintritt von Salz in das Kessel¬ wasser gerechnet werden müssen. Valdivia, 25. 3. 1914. Man kann nicht gerade sagen, daß die südamerikanischen Häfen uns die An¬ knüpfung freundschaftlicher Beziehungen erleichtert hätten. Mar del Plata, Monte¬ video und Punta Arenas, sie alle drei haben an Witterung alles aufgeboten, um den Aufenthalt ungemütlich zu machen, nur für das Kohlen in Montevideo, dem wir mit ziemlicher Sorge entgegensahen, war zum Glück der Seegang abbestellt. In Mar del Plata lief am ersten Tage die See so hoch auf, daß sie vor Anker bis auf die Schanze hinauflief. In Montevideo, wo das Liegen im schlammigen Fluß mit nur wenig Wässer unter dem Kiel schon nicht angenehm war, setzte neben dem Strom stets im Laufe des Tages ein so frischer Wind ein, daß die fast 5 Seemeilen weite Bootsfahrt hin und zurück zu den vielen Festen keinesfalls ein Vergnügen mehr war; es soll sogar Seeoffiziere gegeben haben, bei denen auf solchen Heimfahrten Galadiner und Bierabend in inneren Konflikt gerieten. In Punta Arenas endlich setzte kurz vor unserer Ankunft ein schwerer ein, nachdem es ^bisher immer das schönste Wetter gewesen war". ' Grenzboten l 19S1 15

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/239>, abgerufen am 29.12.2024.