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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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Die Behandlung des Versailles Friedens als "Fetzen Papier" usw.

ganz unverständlich ist, wenn man sich nicht erinnert, daß Eitelkeit von je eine
der hervorstechendsten Nationaleigentümlichkciten des gallischen Volkes gewesen ist.
Der Artikel 355 besagt nämlich:

"Die.....Zentralkommissivn wird aus 19 Mitgliedern bestehen, uüm-
lich vus:

2 Vertretern der Niederlande,
2 " " Schweiz,
4 " " deutschen Rheinuferstaaten,
4 " Frankreichs, welches außerdem den Vorsitzenden der Kommission
ernennen wird,
2 " Großbritanniens,
2 " Italiens,
2 " Belgiens.

Also die alten Nheinuferstaaten sollen zusammen nur L Stimmen in der
Kommission haben gegenüber 11 Stimmen der Ententeländer, die bisher keinen
Meter Ufergelände am Rhein besaßen! Frankreich ist zwar mit seiner zweiten
Eroberung des Elsaß wieder Herr am deutschen Rhein geworden, besitzt aber
unter den heutigen 4 Nheinmächten die weitaus kleinste Uferstrecke und beansprucht
dennoch für sich nicht weniger als 5 Vertreter einschließlich des ständigen Vor¬
sitzes in der Zentralkommission. Ein derartig lächerliches Mißverhältnis zwischen
Machtbefugnis und Bedeutung in der Rheinschiffahrt gutzuheißen hatten die Neu¬
tralen nicht die geringste Veranlassung. Deutschland zwar mußte mit seiner er¬
zwungenen Unterschrift auch diesen Unsinn gutheißen/ Holland und die Schweiz
aber setzten sich nachdrücklich zur Wehr.

Beide neutralen Länder verlangten für sich eine angemessenere Vertretung in
der Straßburger Kommission, da sie als Rheinuferstaaten über Rhein-Belange ein
gewichtigeres Wort mitzusprechen wünschten als die Nicht-Rhcinstaaten England,
Italien (!) und Belgien, denen ebensoviel Vertreter wie ihnen selbst zugebilligt
waren, nämlich je 2. Insbesondere Holland, das auch seine Hoheitsrechte in der
Rheinmündung durch den Versailler Frieden schwer bedroht sah, drängte auf
Änderung der ungerechten Punkte. Frankreich aber betrachtete den Wortlaut des
Friedens als Tabu und fürchtete, daß die Änderung einer noch so unwesentlichen
Einzelheit die Auflockerung des ganzen Gewebes nach sich ziehen könne, daher
lehnte man Hollands Wünsche ab, ebenso die der Schweiz, die eine Sicherstellung
der (den Franzosen höchst unerwünschten) schweizerischen Rheinschiffahrtsinteressen
forderte. Die Folge war, daß Holland brüsk erklärte, es werde in Straßburg
überhaupt nicht mittaten und mitraten, und daß die Schweiz sich im wesentlichen
zum gleichen Schritt entschloß, wenn sie auch ihre Vertreter in der Straßburger
Kommission beauftragte, wenigstens als stumme Zuhörer an den Verhandlungen
teilzunehmen. Holland dagegen hat seine scharfe Zurückweisung der Entente¬
anmaßung nach ausdrücklich durch die Feststellung unterstrichen, daß für sein Ver¬
halten nach wie vor ausschließlich die internationale Mannheimer Rheinakte vom
17. Oktober 1868 maßgebend sei, die ohne seine Genehmigung weder von den
Versailler Siegern noch von irgendeiner anderen Macht in der Welt abgeändert
oder außer Kraft gesetzt werden könne.


Die Behandlung des Versailles Friedens als „Fetzen Papier" usw.

ganz unverständlich ist, wenn man sich nicht erinnert, daß Eitelkeit von je eine
der hervorstechendsten Nationaleigentümlichkciten des gallischen Volkes gewesen ist.
Der Artikel 355 besagt nämlich:

„Die.....Zentralkommissivn wird aus 19 Mitgliedern bestehen, uüm-
lich vus:

2 Vertretern der Niederlande,
2 „ „ Schweiz,
4 „ „ deutschen Rheinuferstaaten,
4 „ Frankreichs, welches außerdem den Vorsitzenden der Kommission
ernennen wird,
2 „ Großbritanniens,
2 „ Italiens,
2 „ Belgiens.

Also die alten Nheinuferstaaten sollen zusammen nur L Stimmen in der
Kommission haben gegenüber 11 Stimmen der Ententeländer, die bisher keinen
Meter Ufergelände am Rhein besaßen! Frankreich ist zwar mit seiner zweiten
Eroberung des Elsaß wieder Herr am deutschen Rhein geworden, besitzt aber
unter den heutigen 4 Nheinmächten die weitaus kleinste Uferstrecke und beansprucht
dennoch für sich nicht weniger als 5 Vertreter einschließlich des ständigen Vor¬
sitzes in der Zentralkommission. Ein derartig lächerliches Mißverhältnis zwischen
Machtbefugnis und Bedeutung in der Rheinschiffahrt gutzuheißen hatten die Neu¬
tralen nicht die geringste Veranlassung. Deutschland zwar mußte mit seiner er¬
zwungenen Unterschrift auch diesen Unsinn gutheißen/ Holland und die Schweiz
aber setzten sich nachdrücklich zur Wehr.

Beide neutralen Länder verlangten für sich eine angemessenere Vertretung in
der Straßburger Kommission, da sie als Rheinuferstaaten über Rhein-Belange ein
gewichtigeres Wort mitzusprechen wünschten als die Nicht-Rhcinstaaten England,
Italien (!) und Belgien, denen ebensoviel Vertreter wie ihnen selbst zugebilligt
waren, nämlich je 2. Insbesondere Holland, das auch seine Hoheitsrechte in der
Rheinmündung durch den Versailler Frieden schwer bedroht sah, drängte auf
Änderung der ungerechten Punkte. Frankreich aber betrachtete den Wortlaut des
Friedens als Tabu und fürchtete, daß die Änderung einer noch so unwesentlichen
Einzelheit die Auflockerung des ganzen Gewebes nach sich ziehen könne, daher
lehnte man Hollands Wünsche ab, ebenso die der Schweiz, die eine Sicherstellung
der (den Franzosen höchst unerwünschten) schweizerischen Rheinschiffahrtsinteressen
forderte. Die Folge war, daß Holland brüsk erklärte, es werde in Straßburg
überhaupt nicht mittaten und mitraten, und daß die Schweiz sich im wesentlichen
zum gleichen Schritt entschloß, wenn sie auch ihre Vertreter in der Straßburger
Kommission beauftragte, wenigstens als stumme Zuhörer an den Verhandlungen
teilzunehmen. Holland dagegen hat seine scharfe Zurückweisung der Entente¬
anmaßung nach ausdrücklich durch die Feststellung unterstrichen, daß für sein Ver¬
halten nach wie vor ausschließlich die internationale Mannheimer Rheinakte vom
17. Oktober 1868 maßgebend sei, die ohne seine Genehmigung weder von den
Versailler Siegern noch von irgendeiner anderen Macht in der Welt abgeändert
oder außer Kraft gesetzt werden könne.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/226>, abgerufen am 29.12.2024.