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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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Dumping

Da alle Beeinflussung jedoch nur wenig fruchten wollte, ging man bald zu
dem massiveren Mittel der Zeitungsankäufe über, das dann auch im Saargebiet
endlich durchgedrungen ist. Die hohen Papier- und Herstellungspreise, die ewigen
Verbote und Schikanen erzeugten eine Art Verzweiflungsstimmung in den Kreisen
der saarländischen Zeitungsbesitzer. Da die Hauptzeitung des Saargebiets, die
Saarbrücker Zeitung, nicht verkäuflich war, kaufte man durch ein französisches
Zeitungskonsortium die Südwestdeutsche Abendzeitung in Saarbrücken auf und
gab sie als Neuen Saarkurier heraus, der nun zu etwa Dreiviertel in deutscher
zu EinViertel in französischer Sprache erscheint. Eine ganze Anzahl von Lokal¬
zeitungen find zu sogenannten Kopfzeitungen des Neuen Saarkuriers geworden,
in denen der französische Text lediglich durch Lokalnachrichten ersetzt wird. Bei
Erscheinen des Saarkuriers hatte dieser eine Auflage von rund 8000, heute ist
diese bereits auf 24 000 gestiegen, eine Zahl, die sich durch die Tochterpresse auf
30 000 Exemplare Tageszeitungen erhöht.

Das alles aber ist, so bedenklich und schmachvoll es auch erscheint, doch
lediglich nur ein Ausschnitt aus dem großen Gebiet der französischen Kultur¬
propaganda, mit der die Pariser Machthaber das ganze Rheinland durchdringen.

In lebensvollen Bildern versteht es Peter Hartmann, auch Wesen und Art
der übrigen Lockungen deutlich zu kennzeichnen, die in groben Umrissen wenigstens
auch diese Blätter ab und an schon andeuteten: Die französische Werbung durch
Buch und Büchereien, durch Vortragswesen, Musik und Theater, durch Kunst¬
ausstellungen und Festfeiern, endlich durch eine regsame Schulpropaganda, deren
Vorgeschichte sozusagen in dem von Joachim Kühn zusammengestellten Buche:
"Der Nationalismus im Leben der dritten Republik" Paul Rühlmann
als der beste Kenner französischer Kulturpropaganda mit sicherer Hand umschrieb.
Die jüngste Nachricht, die aus Ostfrankreich in den Tagen gerade der funfzig¬
jährigen Wiederkehr der Reichsgründung ins Rheinland dringt, daß die französischen
Universitäten Nancy und Straßburg die von ihnen im "besetzten Gebiet" bereits
ins Leben gerufenen "Hochschulen" und "Bücherberatungsstellcn" zu vollständigen
Schwesteranstalten ausbauen wollen, beleuchtet grell und scharf die Wichtigkeit,
die Frankreich selbst seiner Kulturpolitik am Rhein beimißt.




Dumping
Fritz Aem von

las häßliche englische Wort, das an der Spitze dieser Ausführungen
steht, hat alle Aussicht, im Zeichen der Weltabsatzkrisis von 1921
in den Sprachschatz auch des ungelehrten Deutschen übergeführt zu
werden, ähnlich wie uns schon die Entwicklung seit dem Frieden
von Versailles darüber belehrt hat, daß "Valuta" kein Mädchen¬
name ist. Unter "Dumping" versteht man eine "Schleuderkonkurrenz", die durch
Unterbietung des Wettbewerbers, ja sogar durch zeitweilige Unterschreitung der
eigenen Selbstkosten, Massen minderwertiger Artikel auf den Markt wirft. Augen-


Dumping

Da alle Beeinflussung jedoch nur wenig fruchten wollte, ging man bald zu
dem massiveren Mittel der Zeitungsankäufe über, das dann auch im Saargebiet
endlich durchgedrungen ist. Die hohen Papier- und Herstellungspreise, die ewigen
Verbote und Schikanen erzeugten eine Art Verzweiflungsstimmung in den Kreisen
der saarländischen Zeitungsbesitzer. Da die Hauptzeitung des Saargebiets, die
Saarbrücker Zeitung, nicht verkäuflich war, kaufte man durch ein französisches
Zeitungskonsortium die Südwestdeutsche Abendzeitung in Saarbrücken auf und
gab sie als Neuen Saarkurier heraus, der nun zu etwa Dreiviertel in deutscher
zu EinViertel in französischer Sprache erscheint. Eine ganze Anzahl von Lokal¬
zeitungen find zu sogenannten Kopfzeitungen des Neuen Saarkuriers geworden,
in denen der französische Text lediglich durch Lokalnachrichten ersetzt wird. Bei
Erscheinen des Saarkuriers hatte dieser eine Auflage von rund 8000, heute ist
diese bereits auf 24 000 gestiegen, eine Zahl, die sich durch die Tochterpresse auf
30 000 Exemplare Tageszeitungen erhöht.

Das alles aber ist, so bedenklich und schmachvoll es auch erscheint, doch
lediglich nur ein Ausschnitt aus dem großen Gebiet der französischen Kultur¬
propaganda, mit der die Pariser Machthaber das ganze Rheinland durchdringen.

In lebensvollen Bildern versteht es Peter Hartmann, auch Wesen und Art
der übrigen Lockungen deutlich zu kennzeichnen, die in groben Umrissen wenigstens
auch diese Blätter ab und an schon andeuteten: Die französische Werbung durch
Buch und Büchereien, durch Vortragswesen, Musik und Theater, durch Kunst¬
ausstellungen und Festfeiern, endlich durch eine regsame Schulpropaganda, deren
Vorgeschichte sozusagen in dem von Joachim Kühn zusammengestellten Buche:
„Der Nationalismus im Leben der dritten Republik" Paul Rühlmann
als der beste Kenner französischer Kulturpropaganda mit sicherer Hand umschrieb.
Die jüngste Nachricht, die aus Ostfrankreich in den Tagen gerade der funfzig¬
jährigen Wiederkehr der Reichsgründung ins Rheinland dringt, daß die französischen
Universitäten Nancy und Straßburg die von ihnen im „besetzten Gebiet" bereits
ins Leben gerufenen „Hochschulen" und „Bücherberatungsstellcn" zu vollständigen
Schwesteranstalten ausbauen wollen, beleuchtet grell und scharf die Wichtigkeit,
die Frankreich selbst seiner Kulturpolitik am Rhein beimißt.




Dumping
Fritz Aem von

las häßliche englische Wort, das an der Spitze dieser Ausführungen
steht, hat alle Aussicht, im Zeichen der Weltabsatzkrisis von 1921
in den Sprachschatz auch des ungelehrten Deutschen übergeführt zu
werden, ähnlich wie uns schon die Entwicklung seit dem Frieden
von Versailles darüber belehrt hat, daß „Valuta" kein Mädchen¬
name ist. Unter „Dumping" versteht man eine „Schleuderkonkurrenz", die durch
Unterbietung des Wettbewerbers, ja sogar durch zeitweilige Unterschreitung der
eigenen Selbstkosten, Massen minderwertiger Artikel auf den Markt wirft. Augen-


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[0164] Dumping Da alle Beeinflussung jedoch nur wenig fruchten wollte, ging man bald zu dem massiveren Mittel der Zeitungsankäufe über, das dann auch im Saargebiet endlich durchgedrungen ist. Die hohen Papier- und Herstellungspreise, die ewigen Verbote und Schikanen erzeugten eine Art Verzweiflungsstimmung in den Kreisen der saarländischen Zeitungsbesitzer. Da die Hauptzeitung des Saargebiets, die Saarbrücker Zeitung, nicht verkäuflich war, kaufte man durch ein französisches Zeitungskonsortium die Südwestdeutsche Abendzeitung in Saarbrücken auf und gab sie als Neuen Saarkurier heraus, der nun zu etwa Dreiviertel in deutscher zu EinViertel in französischer Sprache erscheint. Eine ganze Anzahl von Lokal¬ zeitungen find zu sogenannten Kopfzeitungen des Neuen Saarkuriers geworden, in denen der französische Text lediglich durch Lokalnachrichten ersetzt wird. Bei Erscheinen des Saarkuriers hatte dieser eine Auflage von rund 8000, heute ist diese bereits auf 24 000 gestiegen, eine Zahl, die sich durch die Tochterpresse auf 30 000 Exemplare Tageszeitungen erhöht. Das alles aber ist, so bedenklich und schmachvoll es auch erscheint, doch lediglich nur ein Ausschnitt aus dem großen Gebiet der französischen Kultur¬ propaganda, mit der die Pariser Machthaber das ganze Rheinland durchdringen. In lebensvollen Bildern versteht es Peter Hartmann, auch Wesen und Art der übrigen Lockungen deutlich zu kennzeichnen, die in groben Umrissen wenigstens auch diese Blätter ab und an schon andeuteten: Die französische Werbung durch Buch und Büchereien, durch Vortragswesen, Musik und Theater, durch Kunst¬ ausstellungen und Festfeiern, endlich durch eine regsame Schulpropaganda, deren Vorgeschichte sozusagen in dem von Joachim Kühn zusammengestellten Buche: „Der Nationalismus im Leben der dritten Republik" Paul Rühlmann als der beste Kenner französischer Kulturpropaganda mit sicherer Hand umschrieb. Die jüngste Nachricht, die aus Ostfrankreich in den Tagen gerade der funfzig¬ jährigen Wiederkehr der Reichsgründung ins Rheinland dringt, daß die französischen Universitäten Nancy und Straßburg die von ihnen im „besetzten Gebiet" bereits ins Leben gerufenen „Hochschulen" und „Bücherberatungsstellcn" zu vollständigen Schwesteranstalten ausbauen wollen, beleuchtet grell und scharf die Wichtigkeit, die Frankreich selbst seiner Kulturpolitik am Rhein beimißt. Dumping Fritz Aem von las häßliche englische Wort, das an der Spitze dieser Ausführungen steht, hat alle Aussicht, im Zeichen der Weltabsatzkrisis von 1921 in den Sprachschatz auch des ungelehrten Deutschen übergeführt zu werden, ähnlich wie uns schon die Entwicklung seit dem Frieden von Versailles darüber belehrt hat, daß „Valuta" kein Mädchen¬ name ist. Unter „Dumping" versteht man eine „Schleuderkonkurrenz", die durch Unterbietung des Wettbewerbers, ja sogar durch zeitweilige Unterschreitung der eigenen Selbstkosten, Massen minderwertiger Artikel auf den Markt wirft. Augen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/164>, abgerufen am 02.07.2024.