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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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Französische Kulturarbeit am Rhein

Verantwortlich für diesen Lauf der Dinge ist das verflossene Ministerium
Delacroix, welches das Militärabkommen abgeschlossen hat, ohne sich wirtschaftlich
Garantien geben zu lassen. Entweder haben diese Minister einfach Belgien an
Frankreich ausliefern wollen oder es handelt sich um eine jener Gedankenlosig¬
keiten, an denen es in der diplomatischen Geschichte des kontinentalen Europas
nicht mangelt.




Französische Kulturarbeit am Rhein
Linksrheiner von

!in treffliches Buch, aufgebaut auf einer erstaunlich reichen Fülle
von Material, das der Verfasser Peter Hartmann sicherlich in
langen gefahrreichen Bemühungen zusammengebracht hat, bringt
endlich dem ganzen deutschen Volke sicherste Kunde von der
eifrigen Maulwurfsarbeit, die die französische Kulturpropaganda
seit gerade zwei Jahren im besetzten Gebiet in der Westmark des Reiches geleistet
hat: Französische Kulturarbeit am Rhein von Peter Hartmann. Leipzig,
K. F. Koester, 1921.

Interessant und lehrreich darin ist uns besonders das Kapitel, das die
französische Presscpolitik in den Rheinlanden behandelt. Eingehend und aufschlu߬
reich wird von der Einrichtung eines französischen Nachrichtendienstes berichtet,
von Ankauf von Zeitungen, von der strengen Zensur gegenüber der nichtgefügigen
Presse, endlich von der Schaffung eigener französischer Zeitungen und Zeitschriften.
Alle die Torheiten der Zensur, die wir seit Jahrzehnten als längst entschlafene
Repressivmaßregeln einer vergangenen Zeit zu beurteilen Pflegen, tauchen hier in
schönster Blüte wieder auf. Das harmloseste der deutschen Familienblätter, die
Gartenlaube, wurde zeitweise verboten, ebenso der uralte Volkskalender des
Lahrer Hinkenden Boten. Heute gibt es fast keine angesehene deutsche Zeitung
und Zeitschrift, soweit sie irgendwie einmal gegen den französischen Stachel gelokt
hat, die nicht tage-, Wochen- oder monateweise im besetzten Gebiet verboten gewesen
ist. Daß die "Grenzboten" nicht hereingelassen werden, versteht sich von selbst.
Aber auch die Frankfurter Zeitung z. B,, die besonders eifrig und unbeschadet
ihrer sonstigen Haltung das Gebaren der französischen Machthaber in ihrem
nächsten Umkreise an den Pranger stellt, wurde und wird immer aufs neue für
Tage und Wochen, ja für Monate, verboten. Die Agence Havas sucht sich mit
allen Mitteln Eingang in die rheinische Presse zu verschaffen, was ihr um so
leichter wird, da ja bekanntlich das W. T. B. selbst in unbegreiflicher Verblendung
der Pariser Schwester einen ständigen Raum eingeräumt hat, der besonders in
den Dienst der französischen Rheinpolink gestellt wurde. In Frankfurt und in
Wiesbaden errichtet man mit Unterstützung der französischen Behörden scheinbar
harmlose Korrespondenzbureaus mit deutschen oder deutsch-schweizerischen Namen,
die vor allem den Zweck haben, die süddeutsche Presse zu bedienen, und zwar in
süddeutsch-separatistischem Sinne mit der Parole: Los von Berlin. Für alle
diese Einzelheiten gibt Hartmann eine Fülle von Beispielen.


Französische Kulturarbeit am Rhein

Verantwortlich für diesen Lauf der Dinge ist das verflossene Ministerium
Delacroix, welches das Militärabkommen abgeschlossen hat, ohne sich wirtschaftlich
Garantien geben zu lassen. Entweder haben diese Minister einfach Belgien an
Frankreich ausliefern wollen oder es handelt sich um eine jener Gedankenlosig¬
keiten, an denen es in der diplomatischen Geschichte des kontinentalen Europas
nicht mangelt.




Französische Kulturarbeit am Rhein
Linksrheiner von

!in treffliches Buch, aufgebaut auf einer erstaunlich reichen Fülle
von Material, das der Verfasser Peter Hartmann sicherlich in
langen gefahrreichen Bemühungen zusammengebracht hat, bringt
endlich dem ganzen deutschen Volke sicherste Kunde von der
eifrigen Maulwurfsarbeit, die die französische Kulturpropaganda
seit gerade zwei Jahren im besetzten Gebiet in der Westmark des Reiches geleistet
hat: Französische Kulturarbeit am Rhein von Peter Hartmann. Leipzig,
K. F. Koester, 1921.

Interessant und lehrreich darin ist uns besonders das Kapitel, das die
französische Presscpolitik in den Rheinlanden behandelt. Eingehend und aufschlu߬
reich wird von der Einrichtung eines französischen Nachrichtendienstes berichtet,
von Ankauf von Zeitungen, von der strengen Zensur gegenüber der nichtgefügigen
Presse, endlich von der Schaffung eigener französischer Zeitungen und Zeitschriften.
Alle die Torheiten der Zensur, die wir seit Jahrzehnten als längst entschlafene
Repressivmaßregeln einer vergangenen Zeit zu beurteilen Pflegen, tauchen hier in
schönster Blüte wieder auf. Das harmloseste der deutschen Familienblätter, die
Gartenlaube, wurde zeitweise verboten, ebenso der uralte Volkskalender des
Lahrer Hinkenden Boten. Heute gibt es fast keine angesehene deutsche Zeitung
und Zeitschrift, soweit sie irgendwie einmal gegen den französischen Stachel gelokt
hat, die nicht tage-, Wochen- oder monateweise im besetzten Gebiet verboten gewesen
ist. Daß die „Grenzboten" nicht hereingelassen werden, versteht sich von selbst.
Aber auch die Frankfurter Zeitung z. B,, die besonders eifrig und unbeschadet
ihrer sonstigen Haltung das Gebaren der französischen Machthaber in ihrem
nächsten Umkreise an den Pranger stellt, wurde und wird immer aufs neue für
Tage und Wochen, ja für Monate, verboten. Die Agence Havas sucht sich mit
allen Mitteln Eingang in die rheinische Presse zu verschaffen, was ihr um so
leichter wird, da ja bekanntlich das W. T. B. selbst in unbegreiflicher Verblendung
der Pariser Schwester einen ständigen Raum eingeräumt hat, der besonders in
den Dienst der französischen Rheinpolink gestellt wurde. In Frankfurt und in
Wiesbaden errichtet man mit Unterstützung der französischen Behörden scheinbar
harmlose Korrespondenzbureaus mit deutschen oder deutsch-schweizerischen Namen,
die vor allem den Zweck haben, die süddeutsche Presse zu bedienen, und zwar in
süddeutsch-separatistischem Sinne mit der Parole: Los von Berlin. Für alle
diese Einzelheiten gibt Hartmann eine Fülle von Beispielen.


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[0163] Französische Kulturarbeit am Rhein Verantwortlich für diesen Lauf der Dinge ist das verflossene Ministerium Delacroix, welches das Militärabkommen abgeschlossen hat, ohne sich wirtschaftlich Garantien geben zu lassen. Entweder haben diese Minister einfach Belgien an Frankreich ausliefern wollen oder es handelt sich um eine jener Gedankenlosig¬ keiten, an denen es in der diplomatischen Geschichte des kontinentalen Europas nicht mangelt. Französische Kulturarbeit am Rhein Linksrheiner von !in treffliches Buch, aufgebaut auf einer erstaunlich reichen Fülle von Material, das der Verfasser Peter Hartmann sicherlich in langen gefahrreichen Bemühungen zusammengebracht hat, bringt endlich dem ganzen deutschen Volke sicherste Kunde von der eifrigen Maulwurfsarbeit, die die französische Kulturpropaganda seit gerade zwei Jahren im besetzten Gebiet in der Westmark des Reiches geleistet hat: Französische Kulturarbeit am Rhein von Peter Hartmann. Leipzig, K. F. Koester, 1921. Interessant und lehrreich darin ist uns besonders das Kapitel, das die französische Presscpolitik in den Rheinlanden behandelt. Eingehend und aufschlu߬ reich wird von der Einrichtung eines französischen Nachrichtendienstes berichtet, von Ankauf von Zeitungen, von der strengen Zensur gegenüber der nichtgefügigen Presse, endlich von der Schaffung eigener französischer Zeitungen und Zeitschriften. Alle die Torheiten der Zensur, die wir seit Jahrzehnten als längst entschlafene Repressivmaßregeln einer vergangenen Zeit zu beurteilen Pflegen, tauchen hier in schönster Blüte wieder auf. Das harmloseste der deutschen Familienblätter, die Gartenlaube, wurde zeitweise verboten, ebenso der uralte Volkskalender des Lahrer Hinkenden Boten. Heute gibt es fast keine angesehene deutsche Zeitung und Zeitschrift, soweit sie irgendwie einmal gegen den französischen Stachel gelokt hat, die nicht tage-, Wochen- oder monateweise im besetzten Gebiet verboten gewesen ist. Daß die „Grenzboten" nicht hereingelassen werden, versteht sich von selbst. Aber auch die Frankfurter Zeitung z. B,, die besonders eifrig und unbeschadet ihrer sonstigen Haltung das Gebaren der französischen Machthaber in ihrem nächsten Umkreise an den Pranger stellt, wurde und wird immer aufs neue für Tage und Wochen, ja für Monate, verboten. Die Agence Havas sucht sich mit allen Mitteln Eingang in die rheinische Presse zu verschaffen, was ihr um so leichter wird, da ja bekanntlich das W. T. B. selbst in unbegreiflicher Verblendung der Pariser Schwester einen ständigen Raum eingeräumt hat, der besonders in den Dienst der französischen Rheinpolink gestellt wurde. In Frankfurt und in Wiesbaden errichtet man mit Unterstützung der französischen Behörden scheinbar harmlose Korrespondenzbureaus mit deutschen oder deutsch-schweizerischen Namen, die vor allem den Zweck haben, die süddeutsche Presse zu bedienen, und zwar in süddeutsch-separatistischem Sinne mit der Parole: Los von Berlin. Für alle diese Einzelheiten gibt Hartmann eine Fülle von Beispielen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/163>, abgerufen am 30.06.2024.