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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr.

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Parteipolitische Verhältnisse in der südafrikanischen Union

wenig, wie der König von England, einen Minister ernennen, sondern muß einen
führenden Parlamentarier mit der Bildung eines Ministeriums beauftragen.

Nachdem die Union konstituiert war, sandte der Generalgouvemeur, in der
richtigen Voraussetzung, daß die "Afrikaner" bei den Parlamentswahlen die meisten
Sitze gewinnen würden, nach deren Führer, dem General Louis Bodha, und beauf¬
tragte ihn mit der Bildung des Ministeriums. Bodha besetzte das Kabinett fast ganz
mit seinen Parteigängern. Er übernahm selbst das Amt des Premierministers und
das Portefeuille der Landwirtschaft und verteilte die anderen Portefeuilles wie
folgt: An Parlamentarier vom Transvaal zwei, an solche der Kapkolonie vier, an
solche der Oranjefreistaatkolonie zwei, während ein Posten an einen Vollblut¬
engländer, als Vertreter der Kolonie Natal, fiel. Das erste Kabinett hatte folgende
Zusammensetzung:

Premierminister und Landwirtschaftsminister: General Louis Bodha;
Inneres und Verteidigung: General I. C. Smuts;
Eisenbahnen und Häfen: I. W. Sauer;
Justiz: General I. B. H. Hertzog;
Erziehungswesen: F. S. Malau;
Finanzen: H. C. Hull;
Öffentliche Ländereien: A. Fisher;
Eingeborenenangelegenheitm: H. Burton;
Post und Telegraphie: P. D. de Villiers Graaff;
Handel, Industrie und öffentliche Arbeiten: Oberst G. Leuchars.

Die Wahlen fanden am 15. September 1910 statt und brachten mancherlei
Überraschungen, unter anderen auch die, daß General Bodha selbst durchsiel, -was
ihn so verärgerte, daß damals von manchen Seiten mit seinem Ausscheiden aus dem
öffentlichen Leben gerechnet wurde. Er entschloß sich aber, zu bleiben, und es wurde
natürlich ein sicherer Wahlkreis für ihn frei gemacht. Die Wahlen hatten das folgende
Ergebnis: Nationalisten 66, Unionisten 39, Unabhängige 12, Arbeiter 4 Sitze.

Vor den Wahlen bestanden in Südafrika eigentlich nur zwei Parteien, die
"Nationalisten" oder Buren, und die "Unionisten", die sich ganz überwiegend aus
Engländern zusammensetzen. Von den Arbeitern konnte man als von einer Partei
kaum reden. Bemerkenswert groß war die Zahl der Unabhängigen; nicht weniger
als 11 waren in Natal gewählt worden, und sie bestanden meist aus Leuten, die
noch zögerten, welcher der beiden großen Parteien sie sich anschließen sollten.

Die Bezeichnung "Nationalisten" hatte bis dahin ausschließlich für die Buren
gegolten. General Bodha sah darin einen Nachteil für seine Partei, die er auf eine
möglichst breite Grundlage zu stellen wünschte, und gab ihr nach den Wahlen den
Namen "Südafrikanische Partei". Dies war von Erfolg begleitet, mehrere Un¬
entschlossene traten der Partei bei, und auch sonstige Abgeordnete englischer Ab¬
stammung schlössen sich ihr an. Tatsächlich ist die vielfach verbreitete Ansicht, daß
die beiden großen Parteien lediglich Gegensätze zwischen Briten und Buren dar¬
stellten, unrichtig. Auch ist die Annahme, daß die Südafrikanische Partei die länd¬
lichen, die Unionistenpartei die städtischen Interessen vertrete, in dieser Verall¬
gemeinerung nicht zutreffend. Vielleicht läßt sich der Unterschied am besten so er¬
klären, daß die Südafrikanische Partei dazu neigt, das südafrikanische Interesse über


Parteipolitische Verhältnisse in der südafrikanischen Union

wenig, wie der König von England, einen Minister ernennen, sondern muß einen
führenden Parlamentarier mit der Bildung eines Ministeriums beauftragen.

Nachdem die Union konstituiert war, sandte der Generalgouvemeur, in der
richtigen Voraussetzung, daß die „Afrikaner" bei den Parlamentswahlen die meisten
Sitze gewinnen würden, nach deren Führer, dem General Louis Bodha, und beauf¬
tragte ihn mit der Bildung des Ministeriums. Bodha besetzte das Kabinett fast ganz
mit seinen Parteigängern. Er übernahm selbst das Amt des Premierministers und
das Portefeuille der Landwirtschaft und verteilte die anderen Portefeuilles wie
folgt: An Parlamentarier vom Transvaal zwei, an solche der Kapkolonie vier, an
solche der Oranjefreistaatkolonie zwei, während ein Posten an einen Vollblut¬
engländer, als Vertreter der Kolonie Natal, fiel. Das erste Kabinett hatte folgende
Zusammensetzung:

Premierminister und Landwirtschaftsminister: General Louis Bodha;
Inneres und Verteidigung: General I. C. Smuts;
Eisenbahnen und Häfen: I. W. Sauer;
Justiz: General I. B. H. Hertzog;
Erziehungswesen: F. S. Malau;
Finanzen: H. C. Hull;
Öffentliche Ländereien: A. Fisher;
Eingeborenenangelegenheitm: H. Burton;
Post und Telegraphie: P. D. de Villiers Graaff;
Handel, Industrie und öffentliche Arbeiten: Oberst G. Leuchars.

Die Wahlen fanden am 15. September 1910 statt und brachten mancherlei
Überraschungen, unter anderen auch die, daß General Bodha selbst durchsiel, -was
ihn so verärgerte, daß damals von manchen Seiten mit seinem Ausscheiden aus dem
öffentlichen Leben gerechnet wurde. Er entschloß sich aber, zu bleiben, und es wurde
natürlich ein sicherer Wahlkreis für ihn frei gemacht. Die Wahlen hatten das folgende
Ergebnis: Nationalisten 66, Unionisten 39, Unabhängige 12, Arbeiter 4 Sitze.

Vor den Wahlen bestanden in Südafrika eigentlich nur zwei Parteien, die
»Nationalisten" oder Buren, und die „Unionisten", die sich ganz überwiegend aus
Engländern zusammensetzen. Von den Arbeitern konnte man als von einer Partei
kaum reden. Bemerkenswert groß war die Zahl der Unabhängigen; nicht weniger
als 11 waren in Natal gewählt worden, und sie bestanden meist aus Leuten, die
noch zögerten, welcher der beiden großen Parteien sie sich anschließen sollten.

Die Bezeichnung „Nationalisten" hatte bis dahin ausschließlich für die Buren
gegolten. General Bodha sah darin einen Nachteil für seine Partei, die er auf eine
möglichst breite Grundlage zu stellen wünschte, und gab ihr nach den Wahlen den
Namen „Südafrikanische Partei". Dies war von Erfolg begleitet, mehrere Un¬
entschlossene traten der Partei bei, und auch sonstige Abgeordnete englischer Ab¬
stammung schlössen sich ihr an. Tatsächlich ist die vielfach verbreitete Ansicht, daß
die beiden großen Parteien lediglich Gegensätze zwischen Briten und Buren dar¬
stellten, unrichtig. Auch ist die Annahme, daß die Südafrikanische Partei die länd¬
lichen, die Unionistenpartei die städtischen Interessen vertrete, in dieser Verall¬
gemeinerung nicht zutreffend. Vielleicht läßt sich der Unterschied am besten so er¬
klären, daß die Südafrikanische Partei dazu neigt, das südafrikanische Interesse über


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[0331] Parteipolitische Verhältnisse in der südafrikanischen Union wenig, wie der König von England, einen Minister ernennen, sondern muß einen führenden Parlamentarier mit der Bildung eines Ministeriums beauftragen. Nachdem die Union konstituiert war, sandte der Generalgouvemeur, in der richtigen Voraussetzung, daß die „Afrikaner" bei den Parlamentswahlen die meisten Sitze gewinnen würden, nach deren Führer, dem General Louis Bodha, und beauf¬ tragte ihn mit der Bildung des Ministeriums. Bodha besetzte das Kabinett fast ganz mit seinen Parteigängern. Er übernahm selbst das Amt des Premierministers und das Portefeuille der Landwirtschaft und verteilte die anderen Portefeuilles wie folgt: An Parlamentarier vom Transvaal zwei, an solche der Kapkolonie vier, an solche der Oranjefreistaatkolonie zwei, während ein Posten an einen Vollblut¬ engländer, als Vertreter der Kolonie Natal, fiel. Das erste Kabinett hatte folgende Zusammensetzung: Premierminister und Landwirtschaftsminister: General Louis Bodha; Inneres und Verteidigung: General I. C. Smuts; Eisenbahnen und Häfen: I. W. Sauer; Justiz: General I. B. H. Hertzog; Erziehungswesen: F. S. Malau; Finanzen: H. C. Hull; Öffentliche Ländereien: A. Fisher; Eingeborenenangelegenheitm: H. Burton; Post und Telegraphie: P. D. de Villiers Graaff; Handel, Industrie und öffentliche Arbeiten: Oberst G. Leuchars. Die Wahlen fanden am 15. September 1910 statt und brachten mancherlei Überraschungen, unter anderen auch die, daß General Bodha selbst durchsiel, -was ihn so verärgerte, daß damals von manchen Seiten mit seinem Ausscheiden aus dem öffentlichen Leben gerechnet wurde. Er entschloß sich aber, zu bleiben, und es wurde natürlich ein sicherer Wahlkreis für ihn frei gemacht. Die Wahlen hatten das folgende Ergebnis: Nationalisten 66, Unionisten 39, Unabhängige 12, Arbeiter 4 Sitze. Vor den Wahlen bestanden in Südafrika eigentlich nur zwei Parteien, die »Nationalisten" oder Buren, und die „Unionisten", die sich ganz überwiegend aus Engländern zusammensetzen. Von den Arbeitern konnte man als von einer Partei kaum reden. Bemerkenswert groß war die Zahl der Unabhängigen; nicht weniger als 11 waren in Natal gewählt worden, und sie bestanden meist aus Leuten, die noch zögerten, welcher der beiden großen Parteien sie sich anschließen sollten. Die Bezeichnung „Nationalisten" hatte bis dahin ausschließlich für die Buren gegolten. General Bodha sah darin einen Nachteil für seine Partei, die er auf eine möglichst breite Grundlage zu stellen wünschte, und gab ihr nach den Wahlen den Namen „Südafrikanische Partei". Dies war von Erfolg begleitet, mehrere Un¬ entschlossene traten der Partei bei, und auch sonstige Abgeordnete englischer Ab¬ stammung schlössen sich ihr an. Tatsächlich ist die vielfach verbreitete Ansicht, daß die beiden großen Parteien lediglich Gegensätze zwischen Briten und Buren dar¬ stellten, unrichtig. Auch ist die Annahme, daß die Südafrikanische Partei die länd¬ lichen, die Unionistenpartei die städtischen Interessen vertrete, in dieser Verall¬ gemeinerung nicht zutreffend. Vielleicht läßt sich der Unterschied am besten so er¬ klären, daß die Südafrikanische Partei dazu neigt, das südafrikanische Interesse über

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_338022/331>, abgerufen am 03.07.2024.