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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr.

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Parteipolitische Verhältnisse in der südafrikanischen Union

das von Großbritannien zu stellen, während bei den Unionisten das Umgekehrte
der Fall ist.

Bis Ende 1912 hatten sich in den Stärkeverhältnissen der Parteien folgende
Verschiebungen ergeben: Die Südafrikanische Partei hatte 73, die Unionisten hatten
34 Sitze; die Zahl der Arbeitervertreter war 5, die der Unabhängigen 4. General
Botho, verfügte also über eine stärkere Majorität, als zu Anfang seiner Amtsführung/

Aber schon damals machten sich Anzeichen des Zerfalls der südafrikanischen
Partei bemerkbar. Der Justizminister, General Hertzog, geriet immer mehr mit
seinen Kollegen im Ministerium in Widerspruch; er warf ihnen zuerst in versteckter
Form, dann immer unverblümter vor, daß sie Großbritannien gegenüber zu liebe¬
dienerisch seien und die Interessen der südafrikanischen Union vernachlässigten.
Auch trat er in sehr heftiger Weise gegen die englische Sprache im öffentlichen
Leben und in den Schulen auf und entfremdete damit die englischen Elemente, die
anfänglich mit der südafrikanischen Partei sympathisiert hatten. General Botho,
entschloß sich schließlich, den ungebärdigen Gefolgsmann loszuwerden; er reichte
dem Generalgouvemeur im Dezember 1912 die Demission des Kabinetts ein, wurde
aber mit der Neubildung des Ministeriums betraut. Aus dem ursprünglichen
Kabinett waren schon vorher zwei Minister ausgeschieden. Both" übernahm wieder
das Amt des Premierministers und das Ministerium für Landwirtschaft und bildete
sein Kabinett im übrigen wie folgt:

Eisenbahnen und Häfen: Henry Burton;
Finanzen und Verteidigung: General Smuts;
Justiz und Eingeborenenangelegenheiten: I. W. Sauer;
Erziehungswesen und Bergwerke: F. S. Malau;
Inneres und öffentliche Ländereien: A. Fisher;
Post, Telegraphie und öffentliche Arbeiten: Sir Thomas Watt; '
Minister ohne Portefeuille: Sir P. D. de Villiers Graaff.

General Hertzog trat nun offen in die Opposition und bildete eine eigene
neue Partei, für die er die alte Bezeichnung "Nationalistenpartei" wieder ins Leben
rief. Zuerst war seine Gefolgschaft nur gering, aber seiner Beredtsamkeit und
geschickten Taktik gelang es bald, weitere Anhänger zu gewinnen. Damit führte er
eine Zersplitterung der Stimmen der Buren im Parlament herbei und schuf aus
seinen Anhängern eine zweite Opposition. Aber er konnte zunächst dem Kabinett
nicht gefährlich werden; schon aus dem Grunde, weil die Unionisten ihm, als dem
verkörperten Mittelpunkt der englandfeindlichen Richtung, gewiß nicht geholfen
hätten, die Negierung zu stürzen.

Als General Botho, bei Ausbruch des Weltkriegs nach einigem Zögern M
erkennen gab, daß er das Heil Südafrikas in der Teilnahme am Kriege auf der
Seite Großbritanniens sah, vertiefte sich der Gegensatz zwischen den beiden Rich¬
tungen der Buren noch erheblich, denn General Hertzog und seine Anhänger ver¬
fochten mit aller Heftigkeit die Forderung strenger Neutralität. Gerade dadurch
aber gewann Bothas Kabinett an Festigkeit, denn die Unionisten versprachen in aller
Form, das Ministerium während der Dauer des Krieges, solange es an seiner
Loyalität England gegenüber festhalte, zu stützen.

Einige extreme Elemente der Nationalisten glaubten kurz nach Ausbruch deS'
Weltkrieges, daß der Augenblick günstig sei, um die britische Herrschaft abzuschütteln.


Parteipolitische Verhältnisse in der südafrikanischen Union

das von Großbritannien zu stellen, während bei den Unionisten das Umgekehrte
der Fall ist.

Bis Ende 1912 hatten sich in den Stärkeverhältnissen der Parteien folgende
Verschiebungen ergeben: Die Südafrikanische Partei hatte 73, die Unionisten hatten
34 Sitze; die Zahl der Arbeitervertreter war 5, die der Unabhängigen 4. General
Botho, verfügte also über eine stärkere Majorität, als zu Anfang seiner Amtsführung/

Aber schon damals machten sich Anzeichen des Zerfalls der südafrikanischen
Partei bemerkbar. Der Justizminister, General Hertzog, geriet immer mehr mit
seinen Kollegen im Ministerium in Widerspruch; er warf ihnen zuerst in versteckter
Form, dann immer unverblümter vor, daß sie Großbritannien gegenüber zu liebe¬
dienerisch seien und die Interessen der südafrikanischen Union vernachlässigten.
Auch trat er in sehr heftiger Weise gegen die englische Sprache im öffentlichen
Leben und in den Schulen auf und entfremdete damit die englischen Elemente, die
anfänglich mit der südafrikanischen Partei sympathisiert hatten. General Botho,
entschloß sich schließlich, den ungebärdigen Gefolgsmann loszuwerden; er reichte
dem Generalgouvemeur im Dezember 1912 die Demission des Kabinetts ein, wurde
aber mit der Neubildung des Ministeriums betraut. Aus dem ursprünglichen
Kabinett waren schon vorher zwei Minister ausgeschieden. Both« übernahm wieder
das Amt des Premierministers und das Ministerium für Landwirtschaft und bildete
sein Kabinett im übrigen wie folgt:

Eisenbahnen und Häfen: Henry Burton;
Finanzen und Verteidigung: General Smuts;
Justiz und Eingeborenenangelegenheiten: I. W. Sauer;
Erziehungswesen und Bergwerke: F. S. Malau;
Inneres und öffentliche Ländereien: A. Fisher;
Post, Telegraphie und öffentliche Arbeiten: Sir Thomas Watt; '
Minister ohne Portefeuille: Sir P. D. de Villiers Graaff.

General Hertzog trat nun offen in die Opposition und bildete eine eigene
neue Partei, für die er die alte Bezeichnung „Nationalistenpartei" wieder ins Leben
rief. Zuerst war seine Gefolgschaft nur gering, aber seiner Beredtsamkeit und
geschickten Taktik gelang es bald, weitere Anhänger zu gewinnen. Damit führte er
eine Zersplitterung der Stimmen der Buren im Parlament herbei und schuf aus
seinen Anhängern eine zweite Opposition. Aber er konnte zunächst dem Kabinett
nicht gefährlich werden; schon aus dem Grunde, weil die Unionisten ihm, als dem
verkörperten Mittelpunkt der englandfeindlichen Richtung, gewiß nicht geholfen
hätten, die Negierung zu stürzen.

Als General Botho, bei Ausbruch des Weltkriegs nach einigem Zögern M
erkennen gab, daß er das Heil Südafrikas in der Teilnahme am Kriege auf der
Seite Großbritanniens sah, vertiefte sich der Gegensatz zwischen den beiden Rich¬
tungen der Buren noch erheblich, denn General Hertzog und seine Anhänger ver¬
fochten mit aller Heftigkeit die Forderung strenger Neutralität. Gerade dadurch
aber gewann Bothas Kabinett an Festigkeit, denn die Unionisten versprachen in aller
Form, das Ministerium während der Dauer des Krieges, solange es an seiner
Loyalität England gegenüber festhalte, zu stützen.

Einige extreme Elemente der Nationalisten glaubten kurz nach Ausbruch deS'
Weltkrieges, daß der Augenblick günstig sei, um die britische Herrschaft abzuschütteln.


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[0332] Parteipolitische Verhältnisse in der südafrikanischen Union das von Großbritannien zu stellen, während bei den Unionisten das Umgekehrte der Fall ist. Bis Ende 1912 hatten sich in den Stärkeverhältnissen der Parteien folgende Verschiebungen ergeben: Die Südafrikanische Partei hatte 73, die Unionisten hatten 34 Sitze; die Zahl der Arbeitervertreter war 5, die der Unabhängigen 4. General Botho, verfügte also über eine stärkere Majorität, als zu Anfang seiner Amtsführung/ Aber schon damals machten sich Anzeichen des Zerfalls der südafrikanischen Partei bemerkbar. Der Justizminister, General Hertzog, geriet immer mehr mit seinen Kollegen im Ministerium in Widerspruch; er warf ihnen zuerst in versteckter Form, dann immer unverblümter vor, daß sie Großbritannien gegenüber zu liebe¬ dienerisch seien und die Interessen der südafrikanischen Union vernachlässigten. Auch trat er in sehr heftiger Weise gegen die englische Sprache im öffentlichen Leben und in den Schulen auf und entfremdete damit die englischen Elemente, die anfänglich mit der südafrikanischen Partei sympathisiert hatten. General Botho, entschloß sich schließlich, den ungebärdigen Gefolgsmann loszuwerden; er reichte dem Generalgouvemeur im Dezember 1912 die Demission des Kabinetts ein, wurde aber mit der Neubildung des Ministeriums betraut. Aus dem ursprünglichen Kabinett waren schon vorher zwei Minister ausgeschieden. Both« übernahm wieder das Amt des Premierministers und das Ministerium für Landwirtschaft und bildete sein Kabinett im übrigen wie folgt: Eisenbahnen und Häfen: Henry Burton; Finanzen und Verteidigung: General Smuts; Justiz und Eingeborenenangelegenheiten: I. W. Sauer; Erziehungswesen und Bergwerke: F. S. Malau; Inneres und öffentliche Ländereien: A. Fisher; Post, Telegraphie und öffentliche Arbeiten: Sir Thomas Watt; ' Minister ohne Portefeuille: Sir P. D. de Villiers Graaff. General Hertzog trat nun offen in die Opposition und bildete eine eigene neue Partei, für die er die alte Bezeichnung „Nationalistenpartei" wieder ins Leben rief. Zuerst war seine Gefolgschaft nur gering, aber seiner Beredtsamkeit und geschickten Taktik gelang es bald, weitere Anhänger zu gewinnen. Damit führte er eine Zersplitterung der Stimmen der Buren im Parlament herbei und schuf aus seinen Anhängern eine zweite Opposition. Aber er konnte zunächst dem Kabinett nicht gefährlich werden; schon aus dem Grunde, weil die Unionisten ihm, als dem verkörperten Mittelpunkt der englandfeindlichen Richtung, gewiß nicht geholfen hätten, die Negierung zu stürzen. Als General Botho, bei Ausbruch des Weltkriegs nach einigem Zögern M erkennen gab, daß er das Heil Südafrikas in der Teilnahme am Kriege auf der Seite Großbritanniens sah, vertiefte sich der Gegensatz zwischen den beiden Rich¬ tungen der Buren noch erheblich, denn General Hertzog und seine Anhänger ver¬ fochten mit aller Heftigkeit die Forderung strenger Neutralität. Gerade dadurch aber gewann Bothas Kabinett an Festigkeit, denn die Unionisten versprachen in aller Form, das Ministerium während der Dauer des Krieges, solange es an seiner Loyalität England gegenüber festhalte, zu stützen. Einige extreme Elemente der Nationalisten glaubten kurz nach Ausbruch deS' Weltkrieges, daß der Augenblick günstig sei, um die britische Herrschaft abzuschütteln.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_338022/332>, abgerufen am 03.07.2024.