Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr. "Pfui den widerwärt'gen Schwelgern!" klirrt J^i das Traumbild da Minister Wirth. "Faule Prasser sind sie!" Ihn zu lohnen, Krächzen links zwei Aufgescheuchte: "Drohnen!" Und der Traumulus schreit freien Sinnes, Tiefempört: "Sehr richtig! Stinnes! Stinnes!" So entdeckt man in des Reichstags Zonen, Wo die Schädlinge und Drohnen wohnen. pandur. Europäische Kultur? Europäische Politik? i- ß-??S^ Als Ende März 1915 in seinen, Patrizierpalast i" der Altstadt von Neapel „Pfui den widerwärt'gen Schwelgern!" klirrt J^i das Traumbild da Minister Wirth. „Faule Prasser sind sie!" Ihn zu lohnen, Krächzen links zwei Aufgescheuchte: „Drohnen!" Und der Traumulus schreit freien Sinnes, Tiefempört: „Sehr richtig! Stinnes! Stinnes!" So entdeckt man in des Reichstags Zonen, Wo die Schädlinge und Drohnen wohnen. pandur. Europäische Kultur? Europäische Politik? i- ß-??S^ Als Ende März 1915 in seinen, Patrizierpalast i» der Altstadt von Neapel <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0051" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337692"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <lg xml:id="POEMID_6" type="poem"> <l> „Pfui den widerwärt'gen Schwelgern!" klirrt<lb/> J^i das Traumbild da Minister Wirth.<lb/> „Faule Prasser sind sie!" Ihn zu lohnen,<lb/> Krächzen links zwei Aufgescheuchte: „Drohnen!"<lb/> Und der Traumulus schreit freien Sinnes,<lb/> Tiefempört: „Sehr richtig! Stinnes! Stinnes!"</l> <l> So entdeckt man in des Reichstags Zonen,<lb/> Wo die Schädlinge und Drohnen wohnen.</l> <note type="byline"> pandur.</note> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_133"> Europäische Kultur? Europäische Politik?<lb/><note type="byline"> Fritz Kern</note> Oon </p><lb/> <div n="2"> <head> i-</head><lb/> <p xml:id="ID_134"> ß-??S^<lb/> Uls im Herbst 1914 Deutschland und die Entente um die Seele<lb/> Italiens rangen, verstummten einer nach dem andern alle die Männer<lb/> der Politik und der Wirtschaft, die bisher ihr sonnenreiches Vater¬<lb/> land nach dem deutschen Norden orientiert hatten. Nur eine kleine<lb/> Gruppe von „Triplicistm" hielt dem versenken Deutschland bis zu¬<lb/> letzt die Treue, Denker und Gelehrte, Schüler und Freunde der deutschen Kultur.<lb/> Es war ein Häuflein von etwa 90 ersten Männern der Wissenschaft und der Feder,<lb/> die in ihrem im Winter 1914/15 gegründeten Blatt „Pro Italia nostra" die Neu¬<lb/> tralität Italiens (mehr konnten sie nicht fordern) verfochten. Die ententistische öffent¬<lb/> liche Meinung des Cafe Aragno gab dein Häuflein bald den Namen des „(üomitato<lb/> äsilv maries alvi mogli t,ec!oK<M", ein beißendes Scherzwort, das sich nur an¬<lb/> deutend übersehen läßt mit „Ausschuß der Pantoffelmännchen deutscher Ehefrauen".<lb/> In der Tat hatten sich nicht wenige dieser mittclmeerländischen Bewunderer deutscher<lb/> Wissenschaft auch nordische Gattinnen geholt. Aber der Spott traf vorbei. Der<lb/> feurige Literat Cabasino Renda, der sich für Deutschland duellierte, hatte eine<lb/> Tochter Hespcriens zur Frau; unvermählt war Cesare de Lotus, Professor an der<lb/> Universität Rom, der, als ihn schäumende Studenten vom Katheder reißen wollten,<lb/> mit beiden Füßen auf das Pult sprang und die Wahrheit über Deutschland um so<lb/> lauter in die Menge deklamierte; vor allem aber konnte nichts echter italienisch<lb/> sein, als die Führergestalt dieser tapferen Ehrenmänner, Benedetto Croce, der<lb/> Senator und anerkannte größte Mann des Geisteslebens im heutigen Negro.</p><lb/> <p xml:id="ID_135" next="#ID_136"> Als Ende März 1915 in seinen, Patrizierpalast i» der Altstadt von Neapel<lb/> — während die Mittagsglut abgedämpft durch halbgeschlossene Fensterläden über<lb/> kühle Marmorfliesen und die zahllosen Pergamentrücken einer flüchtig geordneten<lb/> vielsprachigen Bibliothek strich — Benedetto Croce mir entgegentrat, der untersetzte<lb/> Mann mit dem unschön vierschrötiger Kopf, der eine Welt von Wissen und Können<lb/> in sich herumträgt, begann der große Hegelianer realistisch das Gespräch mit einer<lb/> Satire auf die Kulturhetze gegen Deutschland. „Ich habe meinen Freunden schon</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0051]
„Pfui den widerwärt'gen Schwelgern!" klirrt
J^i das Traumbild da Minister Wirth.
„Faule Prasser sind sie!" Ihn zu lohnen,
Krächzen links zwei Aufgescheuchte: „Drohnen!"
Und der Traumulus schreit freien Sinnes,
Tiefempört: „Sehr richtig! Stinnes! Stinnes!" So entdeckt man in des Reichstags Zonen,
Wo die Schädlinge und Drohnen wohnen. pandur.
Europäische Kultur? Europäische Politik?
Fritz Kern Oon
i-
ß-??S^
Uls im Herbst 1914 Deutschland und die Entente um die Seele
Italiens rangen, verstummten einer nach dem andern alle die Männer
der Politik und der Wirtschaft, die bisher ihr sonnenreiches Vater¬
land nach dem deutschen Norden orientiert hatten. Nur eine kleine
Gruppe von „Triplicistm" hielt dem versenken Deutschland bis zu¬
letzt die Treue, Denker und Gelehrte, Schüler und Freunde der deutschen Kultur.
Es war ein Häuflein von etwa 90 ersten Männern der Wissenschaft und der Feder,
die in ihrem im Winter 1914/15 gegründeten Blatt „Pro Italia nostra" die Neu¬
tralität Italiens (mehr konnten sie nicht fordern) verfochten. Die ententistische öffent¬
liche Meinung des Cafe Aragno gab dein Häuflein bald den Namen des „(üomitato
äsilv maries alvi mogli t,ec!oK<M", ein beißendes Scherzwort, das sich nur an¬
deutend übersehen läßt mit „Ausschuß der Pantoffelmännchen deutscher Ehefrauen".
In der Tat hatten sich nicht wenige dieser mittclmeerländischen Bewunderer deutscher
Wissenschaft auch nordische Gattinnen geholt. Aber der Spott traf vorbei. Der
feurige Literat Cabasino Renda, der sich für Deutschland duellierte, hatte eine
Tochter Hespcriens zur Frau; unvermählt war Cesare de Lotus, Professor an der
Universität Rom, der, als ihn schäumende Studenten vom Katheder reißen wollten,
mit beiden Füßen auf das Pult sprang und die Wahrheit über Deutschland um so
lauter in die Menge deklamierte; vor allem aber konnte nichts echter italienisch
sein, als die Führergestalt dieser tapferen Ehrenmänner, Benedetto Croce, der
Senator und anerkannte größte Mann des Geisteslebens im heutigen Negro.
Als Ende März 1915 in seinen, Patrizierpalast i» der Altstadt von Neapel
— während die Mittagsglut abgedämpft durch halbgeschlossene Fensterläden über
kühle Marmorfliesen und die zahllosen Pergamentrücken einer flüchtig geordneten
vielsprachigen Bibliothek strich — Benedetto Croce mir entgegentrat, der untersetzte
Mann mit dem unschön vierschrötiger Kopf, der eine Welt von Wissen und Können
in sich herumträgt, begann der große Hegelianer realistisch das Gespräch mit einer
Satire auf die Kulturhetze gegen Deutschland. „Ich habe meinen Freunden schon
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