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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.

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Unterschreiben! Unterschreiben!

Einem Deutschen wird der deutsche Wähler niemals zugeben, daß er sich mit
Vorliebe die falschen Männer zum Regieren wählt. Vielleicht glaubt er es jetzt dem
Ausland. Und wenn er es jetzt noch nicht glaubt, dann werden wir eben noch mehr
Rückporto für als unbestellbar zurückgehende Dumpingsendungen bezahlen müssen.

Was du zu produzieren vermagst, lieber Wähler, ist bitte nur für den
inneren Konsum; da kann uns niemand hindern, uns daran den Magen zu ver¬
derben.




Unterschreiben! Unterschreiben!

"Viele unter den Verbündeten wollten, daß man Deutschland Zugeständnisse
mache, um es zur Unterschrift zu bringen. Im Januar 1919 wollte man Deutsch¬
land die folgenden Friedensbedingungen auferlegen: Sofortige Zulassung Deutsch¬
lands zum Völkerbund) eine internationale Besetzung nur fiir die Dauer von
18 Monaten,' die Kohlengruben im Saargebiet sollten nicht in den Besitz Frank¬
reichs übergehen, auch die dortige Bevölkerung keinem besonderen Regime unter¬
worfen werden) Deutschland sollte nur 40 v. H. aller Schäden an Menschen und
Gütern bezahlen und nach dreißig Jahren frei von allen Lasten sein sowie das
Recht haben, die Hälfte der Entschädigungssumme in Papier zu begleichen/ Oster¬
reich sollte frei dariiber beschließen, ob es sich mit Deutschland vereinigen wolle."

Andr6 Tardieu, Herrn Clemenceaus eifriger Mitarbeiter, hat in seinen
offenherzigen Darlegungen nur verschwiegen, daß Lloyd George nach eben
gewonnenem KhakiwalMmpse vielleicht doch zäher für die geplanten Milderungen
eingetreten wäre, wenn nicht das aus Deutschland hertiberdröhnende "Unterschreiben!
Unterschreiben!" jede Vorsicht unnötig gemacht hätte. Deutschland war, das er¬
kannte der letzte Kindskopf in London und Paris, wirklich kein wildes Biese, das
man nicht all zu sehr in die Enge jagen, nicht all zu sehr zur Verzweiflung
treiben durste. Es hob die Pranke, aber nicht zum furchtbaren Hiebe, sondern
zum Unterschreiben.

Keine Ewigkeit in Spa bringt zurück, was unsere nagenden im Januar 1919
in der Sekunde ausgeschlagen haben.




Spleenige Engländer. Bon Zeit zu Zeit quittiert das englische Schatzamt
über freiwillige Zahlungen reicher Leute, die dem Staate ohne Not oder Gewissens¬
zwang Zuwendungen machen. Kürzlich gingen 200 000 Pfd. Sterling in Kriegs¬
anleihe, dann wieder 15 000 und 20 000 Pfd. ein. Großbritannien hat bisher,
als das Land des business as usu-U, in hohem Ansehen bei unseren Kriegs¬
und Umsturz-Profitlern gestanden. Zeigt es aber weiter so bedenkliche Spuren
von Geistesverwirrung und Entartung, dann wird der alte Respekt bald fort sein.
Gefühlsduselei in Geldsachen sind dem Kapitalsflüchter wie dem Steuerhinterzieher
gleich verächtlich. "Kennst du das Land, wo Sittlichkeit im Kreise froher
Menschen wohnt?"




Unterschreiben! Unterschreiben!

Einem Deutschen wird der deutsche Wähler niemals zugeben, daß er sich mit
Vorliebe die falschen Männer zum Regieren wählt. Vielleicht glaubt er es jetzt dem
Ausland. Und wenn er es jetzt noch nicht glaubt, dann werden wir eben noch mehr
Rückporto für als unbestellbar zurückgehende Dumpingsendungen bezahlen müssen.

Was du zu produzieren vermagst, lieber Wähler, ist bitte nur für den
inneren Konsum; da kann uns niemand hindern, uns daran den Magen zu ver¬
derben.




Unterschreiben! Unterschreiben!

„Viele unter den Verbündeten wollten, daß man Deutschland Zugeständnisse
mache, um es zur Unterschrift zu bringen. Im Januar 1919 wollte man Deutsch¬
land die folgenden Friedensbedingungen auferlegen: Sofortige Zulassung Deutsch¬
lands zum Völkerbund) eine internationale Besetzung nur fiir die Dauer von
18 Monaten,' die Kohlengruben im Saargebiet sollten nicht in den Besitz Frank¬
reichs übergehen, auch die dortige Bevölkerung keinem besonderen Regime unter¬
worfen werden) Deutschland sollte nur 40 v. H. aller Schäden an Menschen und
Gütern bezahlen und nach dreißig Jahren frei von allen Lasten sein sowie das
Recht haben, die Hälfte der Entschädigungssumme in Papier zu begleichen/ Oster¬
reich sollte frei dariiber beschließen, ob es sich mit Deutschland vereinigen wolle."

Andr6 Tardieu, Herrn Clemenceaus eifriger Mitarbeiter, hat in seinen
offenherzigen Darlegungen nur verschwiegen, daß Lloyd George nach eben
gewonnenem KhakiwalMmpse vielleicht doch zäher für die geplanten Milderungen
eingetreten wäre, wenn nicht das aus Deutschland hertiberdröhnende „Unterschreiben!
Unterschreiben!" jede Vorsicht unnötig gemacht hätte. Deutschland war, das er¬
kannte der letzte Kindskopf in London und Paris, wirklich kein wildes Biese, das
man nicht all zu sehr in die Enge jagen, nicht all zu sehr zur Verzweiflung
treiben durste. Es hob die Pranke, aber nicht zum furchtbaren Hiebe, sondern
zum Unterschreiben.

Keine Ewigkeit in Spa bringt zurück, was unsere nagenden im Januar 1919
in der Sekunde ausgeschlagen haben.




Spleenige Engländer. Bon Zeit zu Zeit quittiert das englische Schatzamt
über freiwillige Zahlungen reicher Leute, die dem Staate ohne Not oder Gewissens¬
zwang Zuwendungen machen. Kürzlich gingen 200 000 Pfd. Sterling in Kriegs¬
anleihe, dann wieder 15 000 und 20 000 Pfd. ein. Großbritannien hat bisher,
als das Land des business as usu-U, in hohem Ansehen bei unseren Kriegs¬
und Umsturz-Profitlern gestanden. Zeigt es aber weiter so bedenkliche Spuren
von Geistesverwirrung und Entartung, dann wird der alte Respekt bald fort sein.
Gefühlsduselei in Geldsachen sind dem Kapitalsflüchter wie dem Steuerhinterzieher
gleich verächtlich. „Kennst du das Land, wo Sittlichkeit im Kreise froher
Menschen wohnt?"




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337640/49>, abgerufen am 03.07.2024.