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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.

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sollten und daß es ratsam sei, die militärischen Sachverständigen gleich mitzubringen,
Fehrenbach wird diese Mitteilung, da sie in einer fremden Sprache gemacht wurde,
nicht verstanden, aber gutmütig genickt haben. So begannen die Mißverständnisse,
und nun rollte die Deputation des deutschen Kleinbürgers nach Spa, mit ihren
hübschen Neichstagsreden ganz fertig und schwarz auf weiß in der Tasche und den
nötigen Dolmetschern, die Englisch und Französisch kennen, aber auch nicht zu wissen
brauchen, wie Geschichtsleute verhandeln. Wäre die Reise nach München gegangen
oder nach Darmstadt, so hätte sie als genügend vorbereitet gelten können und Fehren¬
bach wäre bei den dortigen Staatsmännern mit dem "in seinem bekannten weiner¬
lichen, aber ehrlichen Brustton vorgebrachten Tiraden" eines kolossalen rednerischen
und diplomatischen Erfolges sicher gewesen. Warum hielt der Zug aber auch in
Spa? Ihm entstiegen im Glanz weltgeschichtlichen Könnens die guten Leute, die
jetzt wie begossene Pudel heimwärts ziehen. Federmann hat ja die Zeitungs¬
berichte gelesen und sich für Deutschland geschämt. Aber das Lächerliche tötet in
Deutschland so schnell nicht und darum stehe hier noch einmal, was die Presse aller
Schattierungen über den e, Juli melden mußte".


Lloyd George eröffnete die Debatte mit der Frage nach bestimmten Daten für
die Abliefern"" der Waffen. Gehler antwortete mit einer längeren Rede. Er schien
noch reisemüde zu sein und wirkte daher wenig überzeugend. Er sprach von den
Schwierigkeiten bei der Verminderung der Truppen, da sich die überzähligen Soldaten
nicht gutwillig heinischicken lassen würden. Er sprach von Gegenden, wo man die
bewaffneten Mannschaften noch brauche usw. Die verlangten Daten gab er aber nicht,
was Llohd George zu verstimmen schien. Geßlers Ausführungen enthielten eben
leine, wie man sagt, schlagenden Argumente. Den schlechten Eindruck der Rede
Geßlers suchtie Außenminister Simons durch seine Rede zu verbessern und
hatte dabei einigelt Erfolg. Dann wurde die Sache wieder schlechter
durch das Eingreifen des Reichskanzlers Fehrenbach. In einer vorher vorbereiteten
Rede, die wieder nicht in die Debatte paßte, weil es eher eine weitschweifige Reichs¬
tagsrede war, versuchte er, an die Gefühle der anderen zu appellieren, als er in einem
sentimentalen Ton äußerte, daß er als ehrlicher Mann sterben und unerfüllbare Ver¬
pflichtungen für Deutschland nicht übernehmen wolle. Wenn solche Argumente an
einem großen Platz vielleicht auch gewirkt Hütten, so verloren sie hier ihre Wirkung
durch die Tatsache, daß alles, Satz für Satz, in trockener Weise übersetzt werden
mußte. Infolgedessen wirkten die deutschen Auseinandersetzungen langweilig und er¬
müdend. Lloyd George tänzelte auch unseren Reichskanzler ganz gehörig ab, indem
er darauf hinwies, daß zur Konferenz Männer gekommen seien, die viel zu drin
hätten und nicht zwecklos ihre Zeit vergeuden könnten. Er verlangte von den
Deutschen, daß sie diesem Unistande Rechnung trügen. Die Deutschen mußten diese
Bemerkung sichtlich niedergeschlagen hinnehmen. Die Franzosen hatten der ganzen
Debatte schweigend zugehört. Es war zwischen Lloyd George und Millerand vorher
ausgemacht worden, daß Lloyd George den Deutschen allein zu Leibe gehen solle.
Ihm gegenüber fehlte es den Deutschen offenbar an der notwendigen Schlagfertigkeit.
Man fühlt, daß sie auf dem Terrain einer kurzfristigen Aussprache nicht' zu Haus
waren und besonders die Eigenheiten des Gegners nicht studiert hatten, um sofort
in der richtigen Weife auf seine Angriffe parieren zu können. Nach der aufgehobenen
Sitzung verließen unsere Delegierten in schlechter Laune den Saal. Fehrenbach
brummte unwillig, weil es regnete und sein Automobil nicht sofort zur Stelle war.
Die verbündeten Minister äußerten, daß die Sitzung für die Verbündeten gut ab¬
gelaufen sei und noch besser zu werden verspreche.

Heiligen Zorn faßt den Deutschen, der wohl weiß, daß wir noch Männer
haben, würdig und fähig, den gerissenen Demagogen von Seine und Themse gegen¬
überzutreten, sie rin deutschen Augen furchtlos und ruhig anzusehen und ihnen
höflich, klar und bestimmt auf ihr übermütiges Siegerprahlen die betreffende Ant¬
wort zu geben. Glücklicherweise waren in Spa auch einige der verachteten Fach¬
leute anwesend. Sie waren zunächst zum Schweigen da. Nachdem sich aber die
Beredsamkeit der Parlamentarier rasch totgelaufen hatte, kamen am nächsten Tag
die Fachleute mit lave? :in6 ki^uro", Simons und Seeckt, zu Worte, und die
blamierten Europäer aus Memmingen wurden vor weiteren Katastrophen behütet.


Lehrenbach als Exportartikel

sollten und daß es ratsam sei, die militärischen Sachverständigen gleich mitzubringen,
Fehrenbach wird diese Mitteilung, da sie in einer fremden Sprache gemacht wurde,
nicht verstanden, aber gutmütig genickt haben. So begannen die Mißverständnisse,
und nun rollte die Deputation des deutschen Kleinbürgers nach Spa, mit ihren
hübschen Neichstagsreden ganz fertig und schwarz auf weiß in der Tasche und den
nötigen Dolmetschern, die Englisch und Französisch kennen, aber auch nicht zu wissen
brauchen, wie Geschichtsleute verhandeln. Wäre die Reise nach München gegangen
oder nach Darmstadt, so hätte sie als genügend vorbereitet gelten können und Fehren¬
bach wäre bei den dortigen Staatsmännern mit dem „in seinem bekannten weiner¬
lichen, aber ehrlichen Brustton vorgebrachten Tiraden" eines kolossalen rednerischen
und diplomatischen Erfolges sicher gewesen. Warum hielt der Zug aber auch in
Spa? Ihm entstiegen im Glanz weltgeschichtlichen Könnens die guten Leute, die
jetzt wie begossene Pudel heimwärts ziehen. Federmann hat ja die Zeitungs¬
berichte gelesen und sich für Deutschland geschämt. Aber das Lächerliche tötet in
Deutschland so schnell nicht und darum stehe hier noch einmal, was die Presse aller
Schattierungen über den e, Juli melden mußte".


Lloyd George eröffnete die Debatte mit der Frage nach bestimmten Daten für
die Abliefern»« der Waffen. Gehler antwortete mit einer längeren Rede. Er schien
noch reisemüde zu sein und wirkte daher wenig überzeugend. Er sprach von den
Schwierigkeiten bei der Verminderung der Truppen, da sich die überzähligen Soldaten
nicht gutwillig heinischicken lassen würden. Er sprach von Gegenden, wo man die
bewaffneten Mannschaften noch brauche usw. Die verlangten Daten gab er aber nicht,
was Llohd George zu verstimmen schien. Geßlers Ausführungen enthielten eben
leine, wie man sagt, schlagenden Argumente. Den schlechten Eindruck der Rede
Geßlers suchtie Außenminister Simons durch seine Rede zu verbessern und
hatte dabei einigelt Erfolg. Dann wurde die Sache wieder schlechter
durch das Eingreifen des Reichskanzlers Fehrenbach. In einer vorher vorbereiteten
Rede, die wieder nicht in die Debatte paßte, weil es eher eine weitschweifige Reichs¬
tagsrede war, versuchte er, an die Gefühle der anderen zu appellieren, als er in einem
sentimentalen Ton äußerte, daß er als ehrlicher Mann sterben und unerfüllbare Ver¬
pflichtungen für Deutschland nicht übernehmen wolle. Wenn solche Argumente an
einem großen Platz vielleicht auch gewirkt Hütten, so verloren sie hier ihre Wirkung
durch die Tatsache, daß alles, Satz für Satz, in trockener Weise übersetzt werden
mußte. Infolgedessen wirkten die deutschen Auseinandersetzungen langweilig und er¬
müdend. Lloyd George tänzelte auch unseren Reichskanzler ganz gehörig ab, indem
er darauf hinwies, daß zur Konferenz Männer gekommen seien, die viel zu drin
hätten und nicht zwecklos ihre Zeit vergeuden könnten. Er verlangte von den
Deutschen, daß sie diesem Unistande Rechnung trügen. Die Deutschen mußten diese
Bemerkung sichtlich niedergeschlagen hinnehmen. Die Franzosen hatten der ganzen
Debatte schweigend zugehört. Es war zwischen Lloyd George und Millerand vorher
ausgemacht worden, daß Lloyd George den Deutschen allein zu Leibe gehen solle.
Ihm gegenüber fehlte es den Deutschen offenbar an der notwendigen Schlagfertigkeit.
Man fühlt, daß sie auf dem Terrain einer kurzfristigen Aussprache nicht' zu Haus
waren und besonders die Eigenheiten des Gegners nicht studiert hatten, um sofort
in der richtigen Weife auf seine Angriffe parieren zu können. Nach der aufgehobenen
Sitzung verließen unsere Delegierten in schlechter Laune den Saal. Fehrenbach
brummte unwillig, weil es regnete und sein Automobil nicht sofort zur Stelle war.
Die verbündeten Minister äußerten, daß die Sitzung für die Verbündeten gut ab¬
gelaufen sei und noch besser zu werden verspreche.

Heiligen Zorn faßt den Deutschen, der wohl weiß, daß wir noch Männer
haben, würdig und fähig, den gerissenen Demagogen von Seine und Themse gegen¬
überzutreten, sie rin deutschen Augen furchtlos und ruhig anzusehen und ihnen
höflich, klar und bestimmt auf ihr übermütiges Siegerprahlen die betreffende Ant¬
wort zu geben. Glücklicherweise waren in Spa auch einige der verachteten Fach¬
leute anwesend. Sie waren zunächst zum Schweigen da. Nachdem sich aber die
Beredsamkeit der Parlamentarier rasch totgelaufen hatte, kamen am nächsten Tag
die Fachleute mit lave? :in6 ki^uro», Simons und Seeckt, zu Worte, und die
blamierten Europäer aus Memmingen wurden vor weiteren Katastrophen behütet.


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[0048] Lehrenbach als Exportartikel sollten und daß es ratsam sei, die militärischen Sachverständigen gleich mitzubringen, Fehrenbach wird diese Mitteilung, da sie in einer fremden Sprache gemacht wurde, nicht verstanden, aber gutmütig genickt haben. So begannen die Mißverständnisse, und nun rollte die Deputation des deutschen Kleinbürgers nach Spa, mit ihren hübschen Neichstagsreden ganz fertig und schwarz auf weiß in der Tasche und den nötigen Dolmetschern, die Englisch und Französisch kennen, aber auch nicht zu wissen brauchen, wie Geschichtsleute verhandeln. Wäre die Reise nach München gegangen oder nach Darmstadt, so hätte sie als genügend vorbereitet gelten können und Fehren¬ bach wäre bei den dortigen Staatsmännern mit dem „in seinem bekannten weiner¬ lichen, aber ehrlichen Brustton vorgebrachten Tiraden" eines kolossalen rednerischen und diplomatischen Erfolges sicher gewesen. Warum hielt der Zug aber auch in Spa? Ihm entstiegen im Glanz weltgeschichtlichen Könnens die guten Leute, die jetzt wie begossene Pudel heimwärts ziehen. Federmann hat ja die Zeitungs¬ berichte gelesen und sich für Deutschland geschämt. Aber das Lächerliche tötet in Deutschland so schnell nicht und darum stehe hier noch einmal, was die Presse aller Schattierungen über den e, Juli melden mußte". Lloyd George eröffnete die Debatte mit der Frage nach bestimmten Daten für die Abliefern»« der Waffen. Gehler antwortete mit einer längeren Rede. Er schien noch reisemüde zu sein und wirkte daher wenig überzeugend. Er sprach von den Schwierigkeiten bei der Verminderung der Truppen, da sich die überzähligen Soldaten nicht gutwillig heinischicken lassen würden. Er sprach von Gegenden, wo man die bewaffneten Mannschaften noch brauche usw. Die verlangten Daten gab er aber nicht, was Llohd George zu verstimmen schien. Geßlers Ausführungen enthielten eben leine, wie man sagt, schlagenden Argumente. Den schlechten Eindruck der Rede Geßlers suchtie Außenminister Simons durch seine Rede zu verbessern und hatte dabei einigelt Erfolg. Dann wurde die Sache wieder schlechter durch das Eingreifen des Reichskanzlers Fehrenbach. In einer vorher vorbereiteten Rede, die wieder nicht in die Debatte paßte, weil es eher eine weitschweifige Reichs¬ tagsrede war, versuchte er, an die Gefühle der anderen zu appellieren, als er in einem sentimentalen Ton äußerte, daß er als ehrlicher Mann sterben und unerfüllbare Ver¬ pflichtungen für Deutschland nicht übernehmen wolle. Wenn solche Argumente an einem großen Platz vielleicht auch gewirkt Hütten, so verloren sie hier ihre Wirkung durch die Tatsache, daß alles, Satz für Satz, in trockener Weise übersetzt werden mußte. Infolgedessen wirkten die deutschen Auseinandersetzungen langweilig und er¬ müdend. Lloyd George tänzelte auch unseren Reichskanzler ganz gehörig ab, indem er darauf hinwies, daß zur Konferenz Männer gekommen seien, die viel zu drin hätten und nicht zwecklos ihre Zeit vergeuden könnten. Er verlangte von den Deutschen, daß sie diesem Unistande Rechnung trügen. Die Deutschen mußten diese Bemerkung sichtlich niedergeschlagen hinnehmen. Die Franzosen hatten der ganzen Debatte schweigend zugehört. Es war zwischen Lloyd George und Millerand vorher ausgemacht worden, daß Lloyd George den Deutschen allein zu Leibe gehen solle. Ihm gegenüber fehlte es den Deutschen offenbar an der notwendigen Schlagfertigkeit. Man fühlt, daß sie auf dem Terrain einer kurzfristigen Aussprache nicht' zu Haus waren und besonders die Eigenheiten des Gegners nicht studiert hatten, um sofort in der richtigen Weife auf seine Angriffe parieren zu können. Nach der aufgehobenen Sitzung verließen unsere Delegierten in schlechter Laune den Saal. Fehrenbach brummte unwillig, weil es regnete und sein Automobil nicht sofort zur Stelle war. Die verbündeten Minister äußerten, daß die Sitzung für die Verbündeten gut ab¬ gelaufen sei und noch besser zu werden verspreche. Heiligen Zorn faßt den Deutschen, der wohl weiß, daß wir noch Männer haben, würdig und fähig, den gerissenen Demagogen von Seine und Themse gegen¬ überzutreten, sie rin deutschen Augen furchtlos und ruhig anzusehen und ihnen höflich, klar und bestimmt auf ihr übermütiges Siegerprahlen die betreffende Ant¬ wort zu geben. Glücklicherweise waren in Spa auch einige der verachteten Fach¬ leute anwesend. Sie waren zunächst zum Schweigen da. Nachdem sich aber die Beredsamkeit der Parlamentarier rasch totgelaufen hatte, kamen am nächsten Tag die Fachleute mit lave? :in6 ki^uro», Simons und Seeckt, zu Worte, und die blamierten Europäer aus Memmingen wurden vor weiteren Katastrophen behütet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337640/48>, abgerufen am 01.07.2024.