Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.Die englisch-deutschen Bündnisverhandlungen von 5899--590; usw. dar: ihm erscheine ein englisch-deutsches Bündnis mit Hinzuziehung der Ameri¬ Die englisch-deutschen Bündnisverhandlungen traten in das letzte Stadium, Die englisch-deutschen Bündnisverhandlungen von 5899—590; usw. dar: ihm erscheine ein englisch-deutsches Bündnis mit Hinzuziehung der Ameri¬ Die englisch-deutschen Bündnisverhandlungen traten in das letzte Stadium, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0222" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337863"/> <fw type="header" place="top"> Die englisch-deutschen Bündnisverhandlungen von 5899—590; usw.</fw><lb/> <p xml:id="ID_788" prev="#ID_787"> dar: ihm erscheine ein englisch-deutsches Bündnis mit Hinzuziehung der Ameri¬<lb/> kanischen Union wünschenswert. Bülows Bescheid lautete:. Auch er habe bereits<lb/> diese Kombination, die auch in den intellektuellen Kreisen Deutschlands Sympathien<lb/> fände, als erstrebenswert erwogen. Seine Bedingungen aber lauteten: das ganze<lb/> Kabinett müsse die Idee billigen, auch die Opposition müsse in gewissem Ein¬<lb/> vernehmen sein, die öffentliche Meinung in beiden Ländern müsse entsprechend<lb/> beeinflußt werden, vor allem aber:, das Bündnis dürfe keine Spitze gegen irgendeine<lb/> andere Macht richten. Auf die Erwähnung der öffentlichen Meinung fragte<lb/> Chamberlain erstaunt, ob es in Deutschland überhaupt eine gäbe, welche eine Macht<lb/> besitze; Bülow erwiderte, daß eine solche bestände, nur nicht so gut diszipliniert<lb/> wie in England. Die Staatsmänner schieden voneinander in verbindlichen Formen?<lb/> sachlich war die englische Regierung unterrichtet, daß die deutsche im Entschluß, sich<lb/> nicht gegen Rußland vorschieben zu lassen, fest blieb. Für Chamberlain war das<lb/> eine Enttäuschung, die aber insofern wettgemacht wurde, als Bülow kurz darauf<lb/> von Berlin her wissen ließ, Deutschland werde sich auch keiner Kombination an¬<lb/> schließen, welche ihre Spitze gegen England wenden würde; ein vertrauliches amt¬<lb/> liches Schreiben, das Eckardtstein veröffentlicht, lautete: „Die Negierung Seiner<lb/> Majestät werde sich, vorausgesetzt natürlich, daß die deutschen Interessen von eng¬<lb/> lischer Seite geschont würden, von jeder gegen England gerichteten kontinentalen<lb/> Gruppierung sowie von jeder Kollektivaktion, die England Verlegenheit bereiten<lb/> könnte, fernhalten." Demgemäß stieß tatsächlich eine Sondierung von Peters¬<lb/> burg und Paris her, ob Deutschland mit diesen Mächten genieinsame Schritte zur<lb/> Beendigung des Vurenkrieges zu tun geneigt sei, auf keine Vereitwilligkeit. Bei<lb/> diesem Stande der Dinge blieb es, bis im Jahre 1900 englischerseits eine unver¬<lb/> ständliche Provokation erfolgte: die Festnahme deutscher Postdampfer durch die<lb/> englische Flotte; Bülow antwortete darauf zur Beschwichtigung unserer aufs äußerste<lb/> erregten öffentlichen Meinung im Reichstag in einer so brüsten Rede, daß es schien,<lb/> als stände der Abbruch der diplomatischen Beziehungen vor der Tür. Bedarf es der<lb/> Erwähnung, daß Eckardtstein auch wieder die Schuld auf deutscher Seite sieht?</p><lb/> <p xml:id="ID_789" next="#ID_790"> Die englisch-deutschen Bündnisverhandlungen traten in das letzte Stadium,<lb/> als der Burenkrieg zu Englands Gunsten zu Ende ging und im fernen Osten Kriegs¬<lb/> wolken sich zusammenballten. Es wurde immer deutlicher, daß Rußlands Vor¬<lb/> dringen wachsende Unruhe in Tokio hervorrief; die Möglichkeit einer kriegerischen<lb/> Verwicklung wurde größer. In England wirkte Deutschlands Abneigung, sich als<lb/> Schildknappe in englischen Diensten verwenden zu lassen, dahin, daß man einen<lb/> kriegerischen Konflikt zu verhüten wünschte; Lord Salisbury versuchte, ob sich nicht<lb/> ein Kompromiß finden ließ, der Englands Interessen in Ostasien einigermaßen<lb/> sicherte. Er machte den Vorschlag, den russisch-englischen Gegensatz durch eine<lb/> Teilung nach Interessensphären in China zu lösen, und fand insofern günstigen<lb/> Boden, als den Russen daran gelegen war, England und Deutschland auseinander¬<lb/> zuhalten. Am Ende überwog in Petersburg aber doch der Eroberungsdrang jede<lb/> Verständigungsmöglichkeit; der friedliebende Zar wurde durch die Großfürsten-<lb/> klique überstimmt. Unter diesen Umständen erfolgte das letzte Bündniswerben in<lb/> Berlin, weil die englische Diplomatie um die Vervollständigung ihrer diplomatischen<lb/> Rüstung besorgt war und sich deshalb endgültig vergewissern wollte, ob mit Deutsch¬<lb/> land in ihrem politischen System zu rechnen war oder nicht. So erklärt sich das</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0222]
Die englisch-deutschen Bündnisverhandlungen von 5899—590; usw.
dar: ihm erscheine ein englisch-deutsches Bündnis mit Hinzuziehung der Ameri¬
kanischen Union wünschenswert. Bülows Bescheid lautete:. Auch er habe bereits
diese Kombination, die auch in den intellektuellen Kreisen Deutschlands Sympathien
fände, als erstrebenswert erwogen. Seine Bedingungen aber lauteten: das ganze
Kabinett müsse die Idee billigen, auch die Opposition müsse in gewissem Ein¬
vernehmen sein, die öffentliche Meinung in beiden Ländern müsse entsprechend
beeinflußt werden, vor allem aber:, das Bündnis dürfe keine Spitze gegen irgendeine
andere Macht richten. Auf die Erwähnung der öffentlichen Meinung fragte
Chamberlain erstaunt, ob es in Deutschland überhaupt eine gäbe, welche eine Macht
besitze; Bülow erwiderte, daß eine solche bestände, nur nicht so gut diszipliniert
wie in England. Die Staatsmänner schieden voneinander in verbindlichen Formen?
sachlich war die englische Regierung unterrichtet, daß die deutsche im Entschluß, sich
nicht gegen Rußland vorschieben zu lassen, fest blieb. Für Chamberlain war das
eine Enttäuschung, die aber insofern wettgemacht wurde, als Bülow kurz darauf
von Berlin her wissen ließ, Deutschland werde sich auch keiner Kombination an¬
schließen, welche ihre Spitze gegen England wenden würde; ein vertrauliches amt¬
liches Schreiben, das Eckardtstein veröffentlicht, lautete: „Die Negierung Seiner
Majestät werde sich, vorausgesetzt natürlich, daß die deutschen Interessen von eng¬
lischer Seite geschont würden, von jeder gegen England gerichteten kontinentalen
Gruppierung sowie von jeder Kollektivaktion, die England Verlegenheit bereiten
könnte, fernhalten." Demgemäß stieß tatsächlich eine Sondierung von Peters¬
burg und Paris her, ob Deutschland mit diesen Mächten genieinsame Schritte zur
Beendigung des Vurenkrieges zu tun geneigt sei, auf keine Vereitwilligkeit. Bei
diesem Stande der Dinge blieb es, bis im Jahre 1900 englischerseits eine unver¬
ständliche Provokation erfolgte: die Festnahme deutscher Postdampfer durch die
englische Flotte; Bülow antwortete darauf zur Beschwichtigung unserer aufs äußerste
erregten öffentlichen Meinung im Reichstag in einer so brüsten Rede, daß es schien,
als stände der Abbruch der diplomatischen Beziehungen vor der Tür. Bedarf es der
Erwähnung, daß Eckardtstein auch wieder die Schuld auf deutscher Seite sieht?
Die englisch-deutschen Bündnisverhandlungen traten in das letzte Stadium,
als der Burenkrieg zu Englands Gunsten zu Ende ging und im fernen Osten Kriegs¬
wolken sich zusammenballten. Es wurde immer deutlicher, daß Rußlands Vor¬
dringen wachsende Unruhe in Tokio hervorrief; die Möglichkeit einer kriegerischen
Verwicklung wurde größer. In England wirkte Deutschlands Abneigung, sich als
Schildknappe in englischen Diensten verwenden zu lassen, dahin, daß man einen
kriegerischen Konflikt zu verhüten wünschte; Lord Salisbury versuchte, ob sich nicht
ein Kompromiß finden ließ, der Englands Interessen in Ostasien einigermaßen
sicherte. Er machte den Vorschlag, den russisch-englischen Gegensatz durch eine
Teilung nach Interessensphären in China zu lösen, und fand insofern günstigen
Boden, als den Russen daran gelegen war, England und Deutschland auseinander¬
zuhalten. Am Ende überwog in Petersburg aber doch der Eroberungsdrang jede
Verständigungsmöglichkeit; der friedliebende Zar wurde durch die Großfürsten-
klique überstimmt. Unter diesen Umständen erfolgte das letzte Bündniswerben in
Berlin, weil die englische Diplomatie um die Vervollständigung ihrer diplomatischen
Rüstung besorgt war und sich deshalb endgültig vergewissern wollte, ob mit Deutsch¬
land in ihrem politischen System zu rechnen war oder nicht. So erklärt sich das
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |