Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.Drinnen und draußen [Beginn Spaltensatz] dem übrigen Reiche zum Ausland gemacht. Die Negierungskommissivn des Saargebietes Wird das Saargebiet seiner lebens¬ Drinnen und draußen [Beginn Spaltensatz] dem übrigen Reiche zum Ausland gemacht. Die Negierungskommissivn des Saargebietes Wird das Saargebiet seiner lebens¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0362" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337599"/> <fw type="header" place="top"> Drinnen und draußen</fw><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_1260" prev="#ID_1259" next="#ID_1261"> dem übrigen Reiche zum Ausland gemacht.<lb/> Nach wie vor kommt der deutsche Markt für<lb/> 70 A> der saarläudischen Ausfuhr als Absatz¬<lb/> gebiet in Betracht. Mithin hängt an dem<lb/> hemmungslosen Zugang zu diesem Absatzfeld<lb/> Gedeihen und Verderben der Saarindustrie.<lb/> Die saarläudischen Verbraucher sind an sich<lb/> schon aus finanziellen Gründen auf eine Be¬<lb/> lieferung aus Deutschland angewiesen. Preis¬<lb/> bildung und Lebenshaltung richten sich hier<lb/> wie im übrigen Deutschland nach dem Kauf¬<lb/> wert der Mark. Der Valutaunterschied ver¬<lb/> teuert alles, was über oder aus Frankreich<lb/> bezogen wird, um das Drei- bis Vierfache.<lb/> Das Saargebiet versteht die Schwierigkeiten,<lb/> mit denen Deutschland im Hinblick auf seine<lb/> wirtschaftliche Gesundung zu kämpfen hat,<lb/> versteht, daß Deutschland unter allen Um¬<lb/> ständen das Loch im Westen verstopfen muß,<lb/> und verlangt darum keine Bevorzugung vor<lb/> anderen deutschen Gebietsteilen. Das Saar¬<lb/> gebiet ist bestrebt, seine alten, natürlichen<lb/> Verbindungen mit dem Reich aufrechtzuer¬<lb/> halten, und muß, schon weil es nach dem<lb/> Friedensvertrag weiterhin deutsches Land<lb/> bleibt, von Deutschland im Nahmen der<lb/> übrigen kontingentierten Versorgung instant<lb/> gesetzt werden, seinen bisherigen wirtschaft¬<lb/> lichen Verbindungen nachkommen zu können.<lb/> Aus der Mitte von saarländischcn Industrie-<lb/> Vertretern ist darum die Entsendung eines<lb/> deutschen Delegierten ins Saargcbiet schon<lb/> verschiedentlich angeregt worden. Dieser<lb/> Delegierte müßte mit den weitest gehenden Be¬<lb/> fugnissen versehen sein, soweit sie Be¬<lb/> willigungen von Ausfuhr aus und Einfuhr<lb/> nach Deutschland anbelangen. Der weit¬<lb/> läufige, schwerfällig arbeitende Instanzenweg,<lb/> auf den der Saarländer heute noch bei seinen<lb/> Anträgen auf Ein- oder Ausfuhr angewiesen<lb/> ist, konnte dann zur wesentlichen Erleichterung<lb/> für den Handelsverkehr stark verkürzt werden.<lb/> Bis zum 10. Juli bestehen noch gewisse Er¬<lb/> leichterungen für die Einfuhr aus dem Saar¬<lb/> land nach Deutschland, nach diesem Termin<lb/> treten die deutschen Einfuhrbcstimmungen<lb/> wieder in vollem Umfange in Kraft. Bis zu<lb/> diesem Zeitpunkt also dürfte die Errichtung<lb/> einer deutschen Delegicrtenstelle für den<lb/> Handel mit Deutschland im Saargebiet zu<lb/> einer brennenden Angelegenheit geworden sein.</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_1261" prev="#ID_1260"> Die Negierungskommissivn des Saargebietes<lb/> hat einem eventuell deutschen Delegierten schon<lb/> im voraus die Aufenthaltsberechtigung erteilt.<lb/> Es fehlt also nur noch seine Entsendung und<lb/> Bevollmächtigung durch Deutschland.</p> <p xml:id="ID_1262" next="#ID_1263"> Wird das Saargebiet seiner lebens¬<lb/> notwendigen Verbindung, des wechselseitigen<lb/> Verkehrs mit Deutschland beraubt, dann<lb/> droht die Gefahr, daß die Industrie, der<lb/> Handel an der Saar, in eine tödliche<lb/> Stagnation gerät, die nicht nur die Lebens¬<lb/> interessen der ansäßigen Bevölkerung in<lb/> Mitleidenschaft ziehen würde, sondern auch<lb/> nicht ohne erheblichen schädigenden Einfluß<lb/> auf die Industrie des übrigen Deutschlands<lb/> bleiben würde. Es bleibt hier zu beachten,<lb/> daß das Reich bei seinem wirtschaftlichen<lb/> Wiederaufbau nicht nur ein gewisses Interesse<lb/> an dem Gebiet haben muß, sondern daß es<lb/> dabei recht fühlbar auf das Saargebiet an¬<lb/> gewiesen sein wird. Die Produktion des<lb/> kleinen Saargebietcs beträgt nämlich ein ganzes<lb/> Achtzehntel der deutschen Gesamtproduktion und<lb/> ein wirtschaftlich hochentwickeltes Gebiet von<lb/> so konzentrierter Arbeitskraft, das einen derart<lb/> großen Einfluß auf den deutschen Arbeits¬<lb/> markt hat, wird um sich schon immer ein mit¬<lb/> bestimmender Faktor bei der Wiedcrgesundung<lb/> der deutschen Wettbewerbsfähigkeit sein. Die<lb/> Aufwendungen, die Deutschland bei der Be¬<lb/> lieferung des Saargebiets machen müßte,<lb/> stehen in keinem Verhältnis zu dessen Nutzen<lb/> für Deutschland, die Bevölkerung, die ein<lb/> Achtzehntel der Gesamtproduktion verarbeitet,<lb/> beträgt nur ein Hundertstel des deutschen<lb/> Volkes. Die Besorgnisse, die von deutscher<lb/> Seite häufig geäußert werden, daß das Saar¬<lb/> gebiet bei Nichtanwendung der deutschen Ein-<lb/> und Ausfuhrbeschränkungen zu einem ewigen<lb/> „Loch. im Westen" werden könnte, können<lb/> durch den deutschen Delegierten im Saar¬<lb/> gebiet beseitigt werden, der ja in der Haupt¬<lb/> sache die richtige Verteilung der aus Deutsch¬<lb/> land kommenden Waren und Rohstoffe zu<lb/> beaufsichtigen hätte. Ein wirkliches, wenn<lb/> auch bedauerlich kurzsichtiges Interesse daran,<lb/> den Einfluß der Saarindustrie auf dem deutschen<lb/> Markt auszuschalten, könnten nur andere<lb/> deutsche schwerindustrielle Kreise haben, Kreise,<lb/> von deren offensichtlich deutschnationaler<lb/> Haltung während der Vergangenheit man</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0362]
Drinnen und draußen
dem übrigen Reiche zum Ausland gemacht.
Nach wie vor kommt der deutsche Markt für
70 A> der saarläudischen Ausfuhr als Absatz¬
gebiet in Betracht. Mithin hängt an dem
hemmungslosen Zugang zu diesem Absatzfeld
Gedeihen und Verderben der Saarindustrie.
Die saarläudischen Verbraucher sind an sich
schon aus finanziellen Gründen auf eine Be¬
lieferung aus Deutschland angewiesen. Preis¬
bildung und Lebenshaltung richten sich hier
wie im übrigen Deutschland nach dem Kauf¬
wert der Mark. Der Valutaunterschied ver¬
teuert alles, was über oder aus Frankreich
bezogen wird, um das Drei- bis Vierfache.
Das Saargebiet versteht die Schwierigkeiten,
mit denen Deutschland im Hinblick auf seine
wirtschaftliche Gesundung zu kämpfen hat,
versteht, daß Deutschland unter allen Um¬
ständen das Loch im Westen verstopfen muß,
und verlangt darum keine Bevorzugung vor
anderen deutschen Gebietsteilen. Das Saar¬
gebiet ist bestrebt, seine alten, natürlichen
Verbindungen mit dem Reich aufrechtzuer¬
halten, und muß, schon weil es nach dem
Friedensvertrag weiterhin deutsches Land
bleibt, von Deutschland im Nahmen der
übrigen kontingentierten Versorgung instant
gesetzt werden, seinen bisherigen wirtschaft¬
lichen Verbindungen nachkommen zu können.
Aus der Mitte von saarländischcn Industrie-
Vertretern ist darum die Entsendung eines
deutschen Delegierten ins Saargcbiet schon
verschiedentlich angeregt worden. Dieser
Delegierte müßte mit den weitest gehenden Be¬
fugnissen versehen sein, soweit sie Be¬
willigungen von Ausfuhr aus und Einfuhr
nach Deutschland anbelangen. Der weit¬
läufige, schwerfällig arbeitende Instanzenweg,
auf den der Saarländer heute noch bei seinen
Anträgen auf Ein- oder Ausfuhr angewiesen
ist, konnte dann zur wesentlichen Erleichterung
für den Handelsverkehr stark verkürzt werden.
Bis zum 10. Juli bestehen noch gewisse Er¬
leichterungen für die Einfuhr aus dem Saar¬
land nach Deutschland, nach diesem Termin
treten die deutschen Einfuhrbcstimmungen
wieder in vollem Umfange in Kraft. Bis zu
diesem Zeitpunkt also dürfte die Errichtung
einer deutschen Delegicrtenstelle für den
Handel mit Deutschland im Saargebiet zu
einer brennenden Angelegenheit geworden sein.
Die Negierungskommissivn des Saargebietes
hat einem eventuell deutschen Delegierten schon
im voraus die Aufenthaltsberechtigung erteilt.
Es fehlt also nur noch seine Entsendung und
Bevollmächtigung durch Deutschland.
Wird das Saargebiet seiner lebens¬
notwendigen Verbindung, des wechselseitigen
Verkehrs mit Deutschland beraubt, dann
droht die Gefahr, daß die Industrie, der
Handel an der Saar, in eine tödliche
Stagnation gerät, die nicht nur die Lebens¬
interessen der ansäßigen Bevölkerung in
Mitleidenschaft ziehen würde, sondern auch
nicht ohne erheblichen schädigenden Einfluß
auf die Industrie des übrigen Deutschlands
bleiben würde. Es bleibt hier zu beachten,
daß das Reich bei seinem wirtschaftlichen
Wiederaufbau nicht nur ein gewisses Interesse
an dem Gebiet haben muß, sondern daß es
dabei recht fühlbar auf das Saargebiet an¬
gewiesen sein wird. Die Produktion des
kleinen Saargebietcs beträgt nämlich ein ganzes
Achtzehntel der deutschen Gesamtproduktion und
ein wirtschaftlich hochentwickeltes Gebiet von
so konzentrierter Arbeitskraft, das einen derart
großen Einfluß auf den deutschen Arbeits¬
markt hat, wird um sich schon immer ein mit¬
bestimmender Faktor bei der Wiedcrgesundung
der deutschen Wettbewerbsfähigkeit sein. Die
Aufwendungen, die Deutschland bei der Be¬
lieferung des Saargebiets machen müßte,
stehen in keinem Verhältnis zu dessen Nutzen
für Deutschland, die Bevölkerung, die ein
Achtzehntel der Gesamtproduktion verarbeitet,
beträgt nur ein Hundertstel des deutschen
Volkes. Die Besorgnisse, die von deutscher
Seite häufig geäußert werden, daß das Saar¬
gebiet bei Nichtanwendung der deutschen Ein-
und Ausfuhrbeschränkungen zu einem ewigen
„Loch. im Westen" werden könnte, können
durch den deutschen Delegierten im Saar¬
gebiet beseitigt werden, der ja in der Haupt¬
sache die richtige Verteilung der aus Deutsch¬
land kommenden Waren und Rohstoffe zu
beaufsichtigen hätte. Ein wirkliches, wenn
auch bedauerlich kurzsichtiges Interesse daran,
den Einfluß der Saarindustrie auf dem deutschen
Markt auszuschalten, könnten nur andere
deutsche schwerindustrielle Kreise haben, Kreise,
von deren offensichtlich deutschnationaler
Haltung während der Vergangenheit man
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