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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.

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Drinnen und draußen

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Wiederaufstieg durch Entziehung seiner natür¬
lichen Hilfsquellen erschweren möchte, strebt
danach, zum dauernden Besitzer der Saar¬
gruben zu werden. Aus diesem Grunde ver¬
sucht es, das Saargebiet vorläufig wirtschaft¬
lich zu annektieren, in der Annahme, daß
dann die politische Angliederung später selbst¬
tätig folgen müsse. Einen Erfolg in der
wirtschaftlich-industriellen Angliederung ver¬
bürgt ihm der Besitz der Kohlengruben. Die
Saarwerke müssen 60 A französisches Geld
in ihr Betriebskapital aufnehmen, andernfalls
kürzt oder sperrt man ihnen die Kohlenzufuhr
gänzlich. Fast sämtliche größeren und be¬
deutenden Werke an der Saar arbeiten heute
mit französischem Kapital zusammen. Man
beteiligt von deutscher Seite nicht ganz ohne
Absicht Franzosen an der Saarindustrie. Die
französische Schwerindustrie legt im eigensten
Interesse keinen Wert darauf, sich an der
Saar einen äußerst gefährlichen Konkurrenten
großzuziehen, und deshalb nimmt man an,
daß die Saarindustrie bei einer engeren Ver¬
bindung mit dem französischen Kapital auf
größeres Entgegenkommen von feiten Frank¬
reichs rechnen kann. Daß Frankreich aber
vorläufig die Saarindustrie nur als lästiges
Anhängsel der Kohlengruben empfindet, geht
aus der Behandlung hervor, die es bislang
dem Wirtschaftsleben und Handel des Saar¬
gebietes hat angedeihen lassen. Mangelhafte
Belieferung mit teuren Kohlen zwingen viele
Saarwerke, ihre Betriebe empfindlich ein¬
zuschränken oder zeitweise gänzlich stillzulegen.
Diese Mißhandlung der Saarindustrie zeigt
deutlich, daß es der französischen Schwer¬
industrie bei ihrer Beteiligung am saar-
ländischen Betriebskapital nur darauf ankam,
sich im Saargebiet durch den Erwerb viel¬
fachen Besitzes eine möglichst breite Basis zu
schaffen, von der aus später die Annexion
des Saarlandes mit seinen wertvollen Gruben
ins Werk gesetzt werden soll. Vorläufig geht
das Bestreben der Franzosen dahin, sich so¬
lange wie möglich die lästige Konkurrenz der
saarländischen Industrie vom Leibe zu halten.
Zu diesem Zwecke heißt es vor allem, das
wirtschaftliche Leben des Saarreviers in Ab¬
hängigkeit von Frankreich zu bringen, um
es am eigenen Vorgehen hindern zu
können, das Frankreich gefährlich werden

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könnte. Die Zollgrenze, die erst nach Ablauf
von S Jahren voll in Wirksamkeit treten
wird, stellt den ersten rechtlich festgelegten
Schritt auf dem Wege dar, die Saarindustrie
zum willenlosen Vasallen des französischen
Kapitals zu machen. Sie vollzieht die erste
Operation, das Saargebiet aus seinem
ursprünglichen wirtschaftlichen Organismus
Deutschland loszulösen, um es allmählich mit
Frankreich zu einer Einheit zu verschmelzen.
Das Saargebiet soll Deutschland genommen
werden.

Es liegt auf der Hand, daß eine so tief
greifende Umgruppierung nicht ohne Reibungen
und schwere Störungen für Leben und Volk
des Saargebiets vor sich gehen kann. Die
Depression, die von französischer Seite aus
den erwähnten Gründen über das Wirtschafts¬
leben an der Saar gelegt ist, wird leider,
wie man wiederholt feststellen mußte, von
feiten des Mutterlandes in manchen Fällen
noch verstärkt. Ganz abgesehen davon, daß
an erster Stelle die im Saargebiet ansässigen
deutschen Volksgenossen, die trotz aller
Drohungen oft offen und froh ihr Deutschtum
bekannt haben, unter den Rückschlägen mit¬
leiden müssen, die die Industrie erfährt, und
es mit dem nationalen Interesse unvereinbar
ist, daß man den vom Mutterland abgetrennten
Deutschen zu den mannigfachen seelischen Leiden
auch noch wirtschaftliche Nöte aufbürdet, ist
es hier Wohl angetan, einmal darauf hin¬
zuweisen, wie bedeutungsvoll das Saargebiet
für den Wiederaufstieg Deutschlands ist.

Eine unbeschreibliche Erschwernis für das
saarländische Wirtschaftsleben bringt das Vor¬
gehen vieler deutscher Liefererkreise mit sich,
die das Saarland als Ausland betrachtet
wissen wollen und dementsprechend für ihre
Lieferungen an das Saargebiet Auslandspreise
oder AuslandszuMäge fordern. Wie ver¬
lautet, sollen neuerdings auch die von der
Ncichsregierung angeordneten Ausfuhrabgaben
im Verkehr mit dem Saarland angewandt
werden. Weiter wird der Handel aus dem
Saargebiet nach Deutschland durch die von
der deutschen Regierung geforderten Einfuhr¬
bewilligungen aufs schlimmste gefährdet. Die
Errichtung der Zollgrenze hat das Saargcbict
aber weder staatsrechtlich noch in bezug auf
seine organischen Handelsverbindungen mit

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Drinnen und draußen

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Wiederaufstieg durch Entziehung seiner natür¬
lichen Hilfsquellen erschweren möchte, strebt
danach, zum dauernden Besitzer der Saar¬
gruben zu werden. Aus diesem Grunde ver¬
sucht es, das Saargebiet vorläufig wirtschaft¬
lich zu annektieren, in der Annahme, daß
dann die politische Angliederung später selbst¬
tätig folgen müsse. Einen Erfolg in der
wirtschaftlich-industriellen Angliederung ver¬
bürgt ihm der Besitz der Kohlengruben. Die
Saarwerke müssen 60 A französisches Geld
in ihr Betriebskapital aufnehmen, andernfalls
kürzt oder sperrt man ihnen die Kohlenzufuhr
gänzlich. Fast sämtliche größeren und be¬
deutenden Werke an der Saar arbeiten heute
mit französischem Kapital zusammen. Man
beteiligt von deutscher Seite nicht ganz ohne
Absicht Franzosen an der Saarindustrie. Die
französische Schwerindustrie legt im eigensten
Interesse keinen Wert darauf, sich an der
Saar einen äußerst gefährlichen Konkurrenten
großzuziehen, und deshalb nimmt man an,
daß die Saarindustrie bei einer engeren Ver¬
bindung mit dem französischen Kapital auf
größeres Entgegenkommen von feiten Frank¬
reichs rechnen kann. Daß Frankreich aber
vorläufig die Saarindustrie nur als lästiges
Anhängsel der Kohlengruben empfindet, geht
aus der Behandlung hervor, die es bislang
dem Wirtschaftsleben und Handel des Saar¬
gebietes hat angedeihen lassen. Mangelhafte
Belieferung mit teuren Kohlen zwingen viele
Saarwerke, ihre Betriebe empfindlich ein¬
zuschränken oder zeitweise gänzlich stillzulegen.
Diese Mißhandlung der Saarindustrie zeigt
deutlich, daß es der französischen Schwer¬
industrie bei ihrer Beteiligung am saar-
ländischen Betriebskapital nur darauf ankam,
sich im Saargebiet durch den Erwerb viel¬
fachen Besitzes eine möglichst breite Basis zu
schaffen, von der aus später die Annexion
des Saarlandes mit seinen wertvollen Gruben
ins Werk gesetzt werden soll. Vorläufig geht
das Bestreben der Franzosen dahin, sich so¬
lange wie möglich die lästige Konkurrenz der
saarländischen Industrie vom Leibe zu halten.
Zu diesem Zwecke heißt es vor allem, das
wirtschaftliche Leben des Saarreviers in Ab¬
hängigkeit von Frankreich zu bringen, um
es am eigenen Vorgehen hindern zu
können, das Frankreich gefährlich werden

[Spaltenumbruch]

könnte. Die Zollgrenze, die erst nach Ablauf
von S Jahren voll in Wirksamkeit treten
wird, stellt den ersten rechtlich festgelegten
Schritt auf dem Wege dar, die Saarindustrie
zum willenlosen Vasallen des französischen
Kapitals zu machen. Sie vollzieht die erste
Operation, das Saargebiet aus seinem
ursprünglichen wirtschaftlichen Organismus
Deutschland loszulösen, um es allmählich mit
Frankreich zu einer Einheit zu verschmelzen.
Das Saargebiet soll Deutschland genommen
werden.

Es liegt auf der Hand, daß eine so tief
greifende Umgruppierung nicht ohne Reibungen
und schwere Störungen für Leben und Volk
des Saargebiets vor sich gehen kann. Die
Depression, die von französischer Seite aus
den erwähnten Gründen über das Wirtschafts¬
leben an der Saar gelegt ist, wird leider,
wie man wiederholt feststellen mußte, von
feiten des Mutterlandes in manchen Fällen
noch verstärkt. Ganz abgesehen davon, daß
an erster Stelle die im Saargebiet ansässigen
deutschen Volksgenossen, die trotz aller
Drohungen oft offen und froh ihr Deutschtum
bekannt haben, unter den Rückschlägen mit¬
leiden müssen, die die Industrie erfährt, und
es mit dem nationalen Interesse unvereinbar
ist, daß man den vom Mutterland abgetrennten
Deutschen zu den mannigfachen seelischen Leiden
auch noch wirtschaftliche Nöte aufbürdet, ist
es hier Wohl angetan, einmal darauf hin¬
zuweisen, wie bedeutungsvoll das Saargebiet
für den Wiederaufstieg Deutschlands ist.

Eine unbeschreibliche Erschwernis für das
saarländische Wirtschaftsleben bringt das Vor¬
gehen vieler deutscher Liefererkreise mit sich,
die das Saarland als Ausland betrachtet
wissen wollen und dementsprechend für ihre
Lieferungen an das Saargebiet Auslandspreise
oder AuslandszuMäge fordern. Wie ver¬
lautet, sollen neuerdings auch die von der
Ncichsregierung angeordneten Ausfuhrabgaben
im Verkehr mit dem Saarland angewandt
werden. Weiter wird der Handel aus dem
Saargebiet nach Deutschland durch die von
der deutschen Regierung geforderten Einfuhr¬
bewilligungen aufs schlimmste gefährdet. Die
Errichtung der Zollgrenze hat das Saargcbict
aber weder staatsrechtlich noch in bezug auf
seine organischen Handelsverbindungen mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/361>, abgerufen am 21.10.2024.