Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.Der Haß gegen das Gffizierkorps In dieser tatsächlichen Versäumnis haben wir auch zum Teil die Gründe Und es ist noch eine zweite Schuld, die das alte Offizierkorps gegenüber Die allgemeine Wehrpflicht führte der alten Armee Angehörige aller gebildeten Mit diesen beiden flüchtig angedeuteten Fehlern -- der durch das System ver¬ Der Haß gegen das Gffizierkorps In dieser tatsächlichen Versäumnis haben wir auch zum Teil die Gründe Und es ist noch eine zweite Schuld, die das alte Offizierkorps gegenüber Die allgemeine Wehrpflicht führte der alten Armee Angehörige aller gebildeten Mit diesen beiden flüchtig angedeuteten Fehlern — der durch das System ver¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0343" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337580"/> <fw type="header" place="top"> Der Haß gegen das Gffizierkorps</fw><lb/> <p xml:id="ID_1179"> In dieser tatsächlichen Versäumnis haben wir auch zum Teil die Gründe<lb/> zu suchen für die schwankende Haltung unserer gebildeten Volkskreise gegenüber<lb/> dem Offizier während und nach der Revolution. Enttäuschungen gebären immer<lb/> Verbitterung. Und eine herbe Enttäuschung haben wir diesen Gebildeten, soweit<lb/> sie restlose Anhänger des sogenannten Militarismus waren, bereitet. Eben<lb/> dadurch, daß wir die geistige Führerschaft über die Massen unseres Volkes nicht<lb/> an uns gerissen hatten, sie vielmehr tatenlos in andere Hände hinübergleiten ließen.<lb/> Von der Hilfe, die gerade jene Kreise uns hierin hätten leisten sollen, abgesehen,<lb/> werden wir diesen Vorwurf unerwidert lassen müssen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1180"> Und es ist noch eine zweite Schuld, die das alte Offizierkorps gegenüber<lb/> den gebildeten Kreisen unseres Volkes auf sich lud, und an deren Folgen es im<lb/> vergangenen Jahr zu tragen hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1181"> Die allgemeine Wehrpflicht führte der alten Armee Angehörige aller gebildeten<lb/> Stände unseres Volkes zu. Ein bequemerer Weg, auf dem der Offizier zum<lb/> Herzen all dieser Männer hätte gelangen können, ist kaum denkbar. Ihr Wissen,<lb/> das dem des sie ausbildenden Offiziers oft weit überlegen war, befähigte gerade sie<lb/> in erster Linie, Ansehen und Stellung des Offizierkorps in Staat und Gesellschaft<lb/> zu festigen. Statt dessen ist das Verhältnis, in das sich nur zu ost der Offizier<lb/> vor dem Kriege zu dem meist als Einjährigen in der Armee dienenden Gebildeten<lb/> stellte, in ungezählten Fällen zur Quelle böser Mißstimmungen geworden. Es<lb/> erübrigt sich, hier auf Einzelheiten dieser Entwicklung einzugehen. Nicht einige,<lb/> sondern viele Einjährige nahmen an ihr Dienstjahr Erinnerungen mit hinaus,<lb/> die nichts weniger als schön waren. Erinnerungen, die oft ein berechtigtes Gefühl<lb/> der Verachtung gegen ihren Peiniger bestimmte. Es ist nicht die Gesamtheit der<lb/> Offiziere gewesen, die hier gefehlt hat. Aber man muß die Gesamtheit in diesem<lb/> Zusammenhange dafür verantwortlich machen, wenn sich überhaupt im alten Offizier¬<lb/> korps sogenannte „Einjährigenfresser" entwickeln konnten. Man mag den Ein-<lb/> jährigencienst als solchen billigen oder nicht: sicher bleibt, daß gerade die im Heer<lb/> dienenden Angehörigen der gebildeten Kreise in erster Linie berufen waren, zum<lb/> Bindeglied zu werden zwischen dem Soldaten und der nichtmilitärischen Welt.<lb/> Gerade ihnen mußten wir Offiziere Gelegenheit geben, uns nicht nur von oft<lb/> rauher Außenseite, sondern in unserem inneren Werte kennen zu lernen. Es wäre<lb/> dann jeder Einjährige zum Anker des Ansehens unseres Standes in den Schichten<lb/> der Gebildeten geworden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1182" next="#ID_1183"> Mit diesen beiden flüchtig angedeuteten Fehlern — der durch das System ver¬<lb/> ursachten Weltfremdheit und der durch Schuld des einzelnen in der alten Armee<lb/> entstandenen Einjährigenbehandlung — habe ich die tatsächlichen Verfehlungen<lb/> -,des Friedensoffizierkorps erschöpft. Wir Offiziere haben uns durch sie im Sinne<lb/> unserer Feinde ein Verdienst erworben. Beide werden daher auch in der Reihe<lb/> der gegen uns erhobenen Anschuldigungen fast nie erwähnt. Das ist leicht begreif¬<lb/> lich: den den Mangel sozialer Kenntnisse des Offiziers als Fehler bezeichnen,<lb/> hieße — vom Gesichtspunkt des Sozialismus aus betrachtet — zugeben, daß allein<lb/> sozialpolitische Schulung des Offizierkorps genügt hätte, den Männern, die unser<lb/> Volk seit Jahrzehnten verführten, das Handwerk zu legen. Für einen gebildeten<lb/> Menschen ferner würde es arg beschämend sein, zuzugeben, daß er Offizier und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0343]
Der Haß gegen das Gffizierkorps
In dieser tatsächlichen Versäumnis haben wir auch zum Teil die Gründe
zu suchen für die schwankende Haltung unserer gebildeten Volkskreise gegenüber
dem Offizier während und nach der Revolution. Enttäuschungen gebären immer
Verbitterung. Und eine herbe Enttäuschung haben wir diesen Gebildeten, soweit
sie restlose Anhänger des sogenannten Militarismus waren, bereitet. Eben
dadurch, daß wir die geistige Führerschaft über die Massen unseres Volkes nicht
an uns gerissen hatten, sie vielmehr tatenlos in andere Hände hinübergleiten ließen.
Von der Hilfe, die gerade jene Kreise uns hierin hätten leisten sollen, abgesehen,
werden wir diesen Vorwurf unerwidert lassen müssen.
Und es ist noch eine zweite Schuld, die das alte Offizierkorps gegenüber
den gebildeten Kreisen unseres Volkes auf sich lud, und an deren Folgen es im
vergangenen Jahr zu tragen hatte.
Die allgemeine Wehrpflicht führte der alten Armee Angehörige aller gebildeten
Stände unseres Volkes zu. Ein bequemerer Weg, auf dem der Offizier zum
Herzen all dieser Männer hätte gelangen können, ist kaum denkbar. Ihr Wissen,
das dem des sie ausbildenden Offiziers oft weit überlegen war, befähigte gerade sie
in erster Linie, Ansehen und Stellung des Offizierkorps in Staat und Gesellschaft
zu festigen. Statt dessen ist das Verhältnis, in das sich nur zu ost der Offizier
vor dem Kriege zu dem meist als Einjährigen in der Armee dienenden Gebildeten
stellte, in ungezählten Fällen zur Quelle böser Mißstimmungen geworden. Es
erübrigt sich, hier auf Einzelheiten dieser Entwicklung einzugehen. Nicht einige,
sondern viele Einjährige nahmen an ihr Dienstjahr Erinnerungen mit hinaus,
die nichts weniger als schön waren. Erinnerungen, die oft ein berechtigtes Gefühl
der Verachtung gegen ihren Peiniger bestimmte. Es ist nicht die Gesamtheit der
Offiziere gewesen, die hier gefehlt hat. Aber man muß die Gesamtheit in diesem
Zusammenhange dafür verantwortlich machen, wenn sich überhaupt im alten Offizier¬
korps sogenannte „Einjährigenfresser" entwickeln konnten. Man mag den Ein-
jährigencienst als solchen billigen oder nicht: sicher bleibt, daß gerade die im Heer
dienenden Angehörigen der gebildeten Kreise in erster Linie berufen waren, zum
Bindeglied zu werden zwischen dem Soldaten und der nichtmilitärischen Welt.
Gerade ihnen mußten wir Offiziere Gelegenheit geben, uns nicht nur von oft
rauher Außenseite, sondern in unserem inneren Werte kennen zu lernen. Es wäre
dann jeder Einjährige zum Anker des Ansehens unseres Standes in den Schichten
der Gebildeten geworden.
Mit diesen beiden flüchtig angedeuteten Fehlern — der durch das System ver¬
ursachten Weltfremdheit und der durch Schuld des einzelnen in der alten Armee
entstandenen Einjährigenbehandlung — habe ich die tatsächlichen Verfehlungen
-,des Friedensoffizierkorps erschöpft. Wir Offiziere haben uns durch sie im Sinne
unserer Feinde ein Verdienst erworben. Beide werden daher auch in der Reihe
der gegen uns erhobenen Anschuldigungen fast nie erwähnt. Das ist leicht begreif¬
lich: den den Mangel sozialer Kenntnisse des Offiziers als Fehler bezeichnen,
hieße — vom Gesichtspunkt des Sozialismus aus betrachtet — zugeben, daß allein
sozialpolitische Schulung des Offizierkorps genügt hätte, den Männern, die unser
Volk seit Jahrzehnten verführten, das Handwerk zu legen. Für einen gebildeten
Menschen ferner würde es arg beschämend sein, zuzugeben, daß er Offizier und
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