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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.

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so ist man berechtigt, zu schließen, daß eben -- andere Kräfte bereits am Werke
waren. Und auf wen liegt es nun näher zu raten als auf den in allen Künsten
der Intrige lang erfahrenen, überaus zähen und geschickten Politiker, einen der
besten politischen Techniker Frankreichs: seinen Gesandten in Rom, Barröre.
Bevor wir uns jedoch näher mit ihm beschäftigen, müssen wir einiges über die
merkwürdige Partei der Popolari sagen.

Es ist bekannt, daß hinter den Popolari der Vatikan steht. Nicht in der
Weise natürlich, daß sich dies dokumentarisch beweisen ließe. Der Zusammenhang
ist im Gegenteil mehrmals offiziell abgeleugnet worden. Aber der Umstand,
daß der Vatikan seine Anhänger ausdrücklich aufgefordert hat, an den Wahlen zu
diesem Parlament teilzunehmen, daß Darlegungen des "Osservatore Romo.no"
zu wiederholten Malen und in auffälliger Weise Tendenzen verrieten, wie sie
ganz ähnlich oder ebenso innerhalb der Partei der klerikalen Popolari zum
Ausdruck kamen, daß hervorragende Mitglieder der Partei, darunter der Führer
Don Sturz" selbst, Priester sind, daß endlich der "Osservatore" die letzte Aktion
der Partei ausdrücklich getadelt hat, bilden genügende Anzeichen für die verborgene
Zusammenarbeit. Ja, man kann sagen, daß die Bildung der Popolari-Partei
selbst letzten Endes nichts anderes ist, als der erste Schritt des Vatikans zu
einem erneuten Eingreifen in die Weltpolitik, der Beginn einer neuen Phase
vatikanischer Politik überhaupt. Der Zeitpunkt war einerseits nicht ungünstig,
andererseits drängten die Verhältnisse. In allen Ententeländern hatte die ratio¬
nalistische Demokratie vor der Diktatur zurückweichen müssen, was über kurz oder
lang ja wohl auch in dem innerpolitisch noch unklaren Deutschland eintreten kann,
während der kapitalistische Liberalismus sich als unfähig erwies, die durch den
Krieg geschlagenen Wunden zu heilen. Gleichzeitig erhob sich gegen Rationalismus
und liberalen Militarismus die religiös-mystische Woge des Bolschewismus,
der, obwohl selbst von Militaristischem Nationalismus infiziert, doch alle
tief im Volke verborgenen, noch unverbrauchter, aufbauenden Kräfte eines
neuen Idealismus zu sammeln drohte. Wollte nun der Vatikan den
bereits vor dem Kriege (Frankreichs Trennung von Staat und Kirche) zurück¬
gedrängten, durch seine vergeblichen Friedensvermittlungsaktionen weiter beschränkten
Einfluß wieder stärken und ausbreiten, so brauchte er nichts weiter zu tun, als,
sich auf die infolge der Kriegsgreuel neu ausgelösten religiösen Kräfte stützend,
dem am Horizont heraufkommenden Rettungsschiff des Bolschewismus den Wind
aus den Segeln zu nehmen. Der Vatikan erkannte klar, daß die Kirche, die sich
bisher auf den rationalistisch und kapitalistisch organisierten Staat gestützt, jeden¬
falls sich mit ihm abgefunden hatte, im Begriff war, mit dieser Macht unter¬
zugehen und sich retten mußte, indem sie sich der neuheraufkommenden Strömung
für ihre Zwecke bemächtigte. So entstand die Partei der Popolari, deren linker
von Miglioli geführter Flügel weit radikaler ist als der rechte Flügel der offiziellen
Sozialisten und im Grunde nichts ist als Bolschewismus in klerikaler Form. Und
wenn auch diese Richtung auf dem Neapeler Parteikongreß mit 27 000 gegen
106 769 Stimmen unterlegen ist, so ist das Programm dieser jungen sehr gut
organisierten, sich auf 251740 eingetragene Mitglieder und 1 175 249 Wahl-
stimmen stützenden Partei mannigfaltig und radikal genug, um nicht nur dem
Liberalismus, sondern auch den Sozialisten das Wasser abzugraben. Die Gewähr
dafür, daß das gelingt, liegt aber gerade in dem Umstand, daß die Popolan
offiziell mit dem Vatikan nicht das geringste zu tun haben, daß sie mithin auch
jene Kräfte an sich ziehen können, die, wenn auch nicht klerikal, doch auch napi
antiklerikal sind und erkannt haben. d"ß der Liberalismus abgewirtschaftet pat
und das Land nur durch großzügige und weitgehende Reformen gerettet
werden kann. .

Nun ist aber gewiß. d"ß nichts die Kraft einer Partei mehr schwächt aw
vorzeitiger, lediglich auf die Brüchigkeit anderer Parteien zurückzuführender Erfolg.
Gelangen die Popolari schon jetzt zur Macht, so stärken sie unter den gegen¬
wärtigen schwierigen Umständen die Opposition der Sozialisten und ziehen M


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so ist man berechtigt, zu schließen, daß eben — andere Kräfte bereits am Werke
waren. Und auf wen liegt es nun näher zu raten als auf den in allen Künsten
der Intrige lang erfahrenen, überaus zähen und geschickten Politiker, einen der
besten politischen Techniker Frankreichs: seinen Gesandten in Rom, Barröre.
Bevor wir uns jedoch näher mit ihm beschäftigen, müssen wir einiges über die
merkwürdige Partei der Popolari sagen.

Es ist bekannt, daß hinter den Popolari der Vatikan steht. Nicht in der
Weise natürlich, daß sich dies dokumentarisch beweisen ließe. Der Zusammenhang
ist im Gegenteil mehrmals offiziell abgeleugnet worden. Aber der Umstand,
daß der Vatikan seine Anhänger ausdrücklich aufgefordert hat, an den Wahlen zu
diesem Parlament teilzunehmen, daß Darlegungen des „Osservatore Romo.no"
zu wiederholten Malen und in auffälliger Weise Tendenzen verrieten, wie sie
ganz ähnlich oder ebenso innerhalb der Partei der klerikalen Popolari zum
Ausdruck kamen, daß hervorragende Mitglieder der Partei, darunter der Führer
Don Sturz» selbst, Priester sind, daß endlich der „Osservatore" die letzte Aktion
der Partei ausdrücklich getadelt hat, bilden genügende Anzeichen für die verborgene
Zusammenarbeit. Ja, man kann sagen, daß die Bildung der Popolari-Partei
selbst letzten Endes nichts anderes ist, als der erste Schritt des Vatikans zu
einem erneuten Eingreifen in die Weltpolitik, der Beginn einer neuen Phase
vatikanischer Politik überhaupt. Der Zeitpunkt war einerseits nicht ungünstig,
andererseits drängten die Verhältnisse. In allen Ententeländern hatte die ratio¬
nalistische Demokratie vor der Diktatur zurückweichen müssen, was über kurz oder
lang ja wohl auch in dem innerpolitisch noch unklaren Deutschland eintreten kann,
während der kapitalistische Liberalismus sich als unfähig erwies, die durch den
Krieg geschlagenen Wunden zu heilen. Gleichzeitig erhob sich gegen Rationalismus
und liberalen Militarismus die religiös-mystische Woge des Bolschewismus,
der, obwohl selbst von Militaristischem Nationalismus infiziert, doch alle
tief im Volke verborgenen, noch unverbrauchter, aufbauenden Kräfte eines
neuen Idealismus zu sammeln drohte. Wollte nun der Vatikan den
bereits vor dem Kriege (Frankreichs Trennung von Staat und Kirche) zurück¬
gedrängten, durch seine vergeblichen Friedensvermittlungsaktionen weiter beschränkten
Einfluß wieder stärken und ausbreiten, so brauchte er nichts weiter zu tun, als,
sich auf die infolge der Kriegsgreuel neu ausgelösten religiösen Kräfte stützend,
dem am Horizont heraufkommenden Rettungsschiff des Bolschewismus den Wind
aus den Segeln zu nehmen. Der Vatikan erkannte klar, daß die Kirche, die sich
bisher auf den rationalistisch und kapitalistisch organisierten Staat gestützt, jeden¬
falls sich mit ihm abgefunden hatte, im Begriff war, mit dieser Macht unter¬
zugehen und sich retten mußte, indem sie sich der neuheraufkommenden Strömung
für ihre Zwecke bemächtigte. So entstand die Partei der Popolari, deren linker
von Miglioli geführter Flügel weit radikaler ist als der rechte Flügel der offiziellen
Sozialisten und im Grunde nichts ist als Bolschewismus in klerikaler Form. Und
wenn auch diese Richtung auf dem Neapeler Parteikongreß mit 27 000 gegen
106 769 Stimmen unterlegen ist, so ist das Programm dieser jungen sehr gut
organisierten, sich auf 251740 eingetragene Mitglieder und 1 175 249 Wahl-
stimmen stützenden Partei mannigfaltig und radikal genug, um nicht nur dem
Liberalismus, sondern auch den Sozialisten das Wasser abzugraben. Die Gewähr
dafür, daß das gelingt, liegt aber gerade in dem Umstand, daß die Popolan
offiziell mit dem Vatikan nicht das geringste zu tun haben, daß sie mithin auch
jene Kräfte an sich ziehen können, die, wenn auch nicht klerikal, doch auch napi
antiklerikal sind und erkannt haben. d«ß der Liberalismus abgewirtschaftet pat
und das Land nur durch großzügige und weitgehende Reformen gerettet
werden kann. .

Nun ist aber gewiß. d»ß nichts die Kraft einer Partei mehr schwächt aw
vorzeitiger, lediglich auf die Brüchigkeit anderer Parteien zurückzuführender Erfolg.
Gelangen die Popolari schon jetzt zur Macht, so stärken sie unter den gegen¬
wärtigen schwierigen Umständen die Opposition der Sozialisten und ziehen M


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[0330] Weltspitze! so ist man berechtigt, zu schließen, daß eben — andere Kräfte bereits am Werke waren. Und auf wen liegt es nun näher zu raten als auf den in allen Künsten der Intrige lang erfahrenen, überaus zähen und geschickten Politiker, einen der besten politischen Techniker Frankreichs: seinen Gesandten in Rom, Barröre. Bevor wir uns jedoch näher mit ihm beschäftigen, müssen wir einiges über die merkwürdige Partei der Popolari sagen. Es ist bekannt, daß hinter den Popolari der Vatikan steht. Nicht in der Weise natürlich, daß sich dies dokumentarisch beweisen ließe. Der Zusammenhang ist im Gegenteil mehrmals offiziell abgeleugnet worden. Aber der Umstand, daß der Vatikan seine Anhänger ausdrücklich aufgefordert hat, an den Wahlen zu diesem Parlament teilzunehmen, daß Darlegungen des „Osservatore Romo.no" zu wiederholten Malen und in auffälliger Weise Tendenzen verrieten, wie sie ganz ähnlich oder ebenso innerhalb der Partei der klerikalen Popolari zum Ausdruck kamen, daß hervorragende Mitglieder der Partei, darunter der Führer Don Sturz» selbst, Priester sind, daß endlich der „Osservatore" die letzte Aktion der Partei ausdrücklich getadelt hat, bilden genügende Anzeichen für die verborgene Zusammenarbeit. Ja, man kann sagen, daß die Bildung der Popolari-Partei selbst letzten Endes nichts anderes ist, als der erste Schritt des Vatikans zu einem erneuten Eingreifen in die Weltpolitik, der Beginn einer neuen Phase vatikanischer Politik überhaupt. Der Zeitpunkt war einerseits nicht ungünstig, andererseits drängten die Verhältnisse. In allen Ententeländern hatte die ratio¬ nalistische Demokratie vor der Diktatur zurückweichen müssen, was über kurz oder lang ja wohl auch in dem innerpolitisch noch unklaren Deutschland eintreten kann, während der kapitalistische Liberalismus sich als unfähig erwies, die durch den Krieg geschlagenen Wunden zu heilen. Gleichzeitig erhob sich gegen Rationalismus und liberalen Militarismus die religiös-mystische Woge des Bolschewismus, der, obwohl selbst von Militaristischem Nationalismus infiziert, doch alle tief im Volke verborgenen, noch unverbrauchter, aufbauenden Kräfte eines neuen Idealismus zu sammeln drohte. Wollte nun der Vatikan den bereits vor dem Kriege (Frankreichs Trennung von Staat und Kirche) zurück¬ gedrängten, durch seine vergeblichen Friedensvermittlungsaktionen weiter beschränkten Einfluß wieder stärken und ausbreiten, so brauchte er nichts weiter zu tun, als, sich auf die infolge der Kriegsgreuel neu ausgelösten religiösen Kräfte stützend, dem am Horizont heraufkommenden Rettungsschiff des Bolschewismus den Wind aus den Segeln zu nehmen. Der Vatikan erkannte klar, daß die Kirche, die sich bisher auf den rationalistisch und kapitalistisch organisierten Staat gestützt, jeden¬ falls sich mit ihm abgefunden hatte, im Begriff war, mit dieser Macht unter¬ zugehen und sich retten mußte, indem sie sich der neuheraufkommenden Strömung für ihre Zwecke bemächtigte. So entstand die Partei der Popolari, deren linker von Miglioli geführter Flügel weit radikaler ist als der rechte Flügel der offiziellen Sozialisten und im Grunde nichts ist als Bolschewismus in klerikaler Form. Und wenn auch diese Richtung auf dem Neapeler Parteikongreß mit 27 000 gegen 106 769 Stimmen unterlegen ist, so ist das Programm dieser jungen sehr gut organisierten, sich auf 251740 eingetragene Mitglieder und 1 175 249 Wahl- stimmen stützenden Partei mannigfaltig und radikal genug, um nicht nur dem Liberalismus, sondern auch den Sozialisten das Wasser abzugraben. Die Gewähr dafür, daß das gelingt, liegt aber gerade in dem Umstand, daß die Popolan offiziell mit dem Vatikan nicht das geringste zu tun haben, daß sie mithin auch jene Kräfte an sich ziehen können, die, wenn auch nicht klerikal, doch auch napi antiklerikal sind und erkannt haben. d«ß der Liberalismus abgewirtschaftet pat und das Land nur durch großzügige und weitgehende Reformen gerettet werden kann. . Nun ist aber gewiß. d»ß nichts die Kraft einer Partei mehr schwächt aw vorzeitiger, lediglich auf die Brüchigkeit anderer Parteien zurückzuführender Erfolg. Gelangen die Popolari schon jetzt zur Macht, so stärken sie unter den gegen¬ wärtigen schwierigen Umständen die Opposition der Sozialisten und ziehen M

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/330>, abgerufen am 28.09.2024.