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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.

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regieren heißt und rät dem König zunächst, Meta, den Führer des rechten Flügels
der Popolari, mit der Kabinettsbildung zu betrauen. Aber die Popolari kneifen.
Kabinette stürzen, das können sie, aber wozu sollen sie sich durch Übernahme der
Verantwortung in einer nach innen wie nach außen hin so schwierigen Lage
unpopulär machen? Ohnehin sind sie, um ein Kabinett nur aus sich heraus zu
bilden, zahlenmäßig zu schwach. Sollen sie sich durch Bündnis mit Liberalen
und Freimaurern um die Sympathien des Volkes bringen? Sollen sie sich mit
den Sozialisten verbinden, die bolschewitisch gesinnt sind? Nichts da, der Sieg
gehört dem, der warten kann. Wieder wendet sich der König an Riedl. Der rät,
ebenso wie Tittoni und Orlando, diesmal zu Bcmomi, seit Biffolatis Tode das
Haupt der kleinen Gruppe der Neformsozialisten. Aber Bonomi. der frühere
Kriegsminister, ist als FaM den in vielen Parteien zerstreuten Gioliitianern
nicht recht, und auch den Popolari, die gegen alles Kriegsgeschrei sind, nicht
genehm. Ihr Parteisekretär Michell schreibt ihm zwar einen schönen Brief, daß
man ihn, solange er nichts dem Parteiprogramm Widersprechendes unternehmen
wird, unterstützen werde, abir in sein Kabinett könne mau nicht eintreten. Mit
einer so wackligen Zustimmung kann selbst Bonomis Ehrgeiz sich nicht zufrieden
geben. Schon beginnt man von Giolitti zu sprechen, der zwar den ehemaligen
Interventionisten wegen der dann drohenden Untersuchung über die Verantwort¬
lichkeit für den Krieg nicht geheuer ist, im Grunde aber immer noch als der
kommende Mann gilt. Der aber, ehe nicht die Adriafragc beglichen ist, hält sich
vorsichtig zurück. Da wendet sich der König, wiederum auf Rat Tittonis und
Orlandos, noch einmal an Nilti, dein es dann endlich gelingt, den Popolari
zwei Portefeuilles, Ackerbau und Krieg, und vier Unterstaatssckretariate (Kolonien.
Bauten, Handel, befreite Provinzen) aufzudrängen, wohlverstanden gegen beträcht¬
liche Konzessionen, sein Kabinett dann durch Liberal-Demokraten, Radikale und
Giolittianer, darunter den Busenfreund Giolittis, Peano, zu vervollständigen.
Allerdings kann niemand behaupten, daß dieses dritte Kabinett Riedl auf festeren
Füßen stände als das erste oder zweite -- im Grunde bedeutet es nichts anderes
als daß im bisherigen rüttelnden Trott fortgewurstelt wird. -- Aber es ist wenigstens
vermieden, daß durch vorzeitige Auflösung der Kammer neue Unruhe in das
schwer heimgesuchte Land getragen und der außenpolitische Kurs in seiner Stetig¬
keit unterbrochen wird. (S. Nachwort.)

Daß diese Vorgänge mehr bedeuten, als daß das von Anfang an aus un¬
sicheren Füßen stehende Kabinett durch eine Zufallsabstimmung gestürzt worden
ist, beweisen die Schwierigkeiten der Neubildung. In welchen Umständen aber
diese tiefere Bedeutung zu suchen ist, weiß mit Sicherheit kein Mensch, weshalb
man gut tun wird, verschiedene Ursachen anzunehmen. Zunächst ist nicht aus¬
geschlossen, daß Riedl selbst einen ungefährlichen Moment benutzt hat, sich durch
den Nachweis seiner Unentbehrlichkeit für die kommenden wichtigen außenpolitischen
Entscheidungen auf diese Weise ein neu gefestigtes Fundament zu schaffen. Die
Unzufriedenheit der römischen Postbeamten ist keine so wichtige Angelegenheit,
als daß der sehr geschickte und parlamentarisch erfahrene Ministerpräsident darüber
hätte stolpern müssen. Es ist also recht wohl möglich, daß er, ehe eS ihn in
einem außenpolitisch bedenklicheren Zeitpunkt haschte, der Welt und seinen Kollegen
zeigen wollte, wie zwecklos es sei, ihm unnötige Schwierigkeiten zu bereiten und
daß im Grunde augenblicklich niemand anders zum Regieren da sei. Auch daß,
sich die kabinettstürzende Partei sogleich der Verantwoulichteit zu entziehen suchte,
war ja keineswegs geeignet, ihr Ansehen zu heben, und möchte eine heilsame
Warnung vor leichtsinniger Wiederholung ähnlicher Manöver bilden.

Dann aber müssen wir fragen: ein bono? Wem vor allem mußte daran
gelegen sein, Riedl zu stürzen? Nicht einmal die Soziolisten, gegen die Riedl
angeblich nicht mit genügender Energie vorging, sollen so viel Interesse daran
wie die Franzosen. Seit San Remo hat in Frankreich nicht einmal Lloyd
George eine so schlechte Presse wie Riedl und wenn die Erbitterung der Journa-
l'sten nicht in hellen Flammen ausschlug, sondern vorsichtig umschleiert wurde,


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regieren heißt und rät dem König zunächst, Meta, den Führer des rechten Flügels
der Popolari, mit der Kabinettsbildung zu betrauen. Aber die Popolari kneifen.
Kabinette stürzen, das können sie, aber wozu sollen sie sich durch Übernahme der
Verantwortung in einer nach innen wie nach außen hin so schwierigen Lage
unpopulär machen? Ohnehin sind sie, um ein Kabinett nur aus sich heraus zu
bilden, zahlenmäßig zu schwach. Sollen sie sich durch Bündnis mit Liberalen
und Freimaurern um die Sympathien des Volkes bringen? Sollen sie sich mit
den Sozialisten verbinden, die bolschewitisch gesinnt sind? Nichts da, der Sieg
gehört dem, der warten kann. Wieder wendet sich der König an Riedl. Der rät,
ebenso wie Tittoni und Orlando, diesmal zu Bcmomi, seit Biffolatis Tode das
Haupt der kleinen Gruppe der Neformsozialisten. Aber Bonomi. der frühere
Kriegsminister, ist als FaM den in vielen Parteien zerstreuten Gioliitianern
nicht recht, und auch den Popolari, die gegen alles Kriegsgeschrei sind, nicht
genehm. Ihr Parteisekretär Michell schreibt ihm zwar einen schönen Brief, daß
man ihn, solange er nichts dem Parteiprogramm Widersprechendes unternehmen
wird, unterstützen werde, abir in sein Kabinett könne mau nicht eintreten. Mit
einer so wackligen Zustimmung kann selbst Bonomis Ehrgeiz sich nicht zufrieden
geben. Schon beginnt man von Giolitti zu sprechen, der zwar den ehemaligen
Interventionisten wegen der dann drohenden Untersuchung über die Verantwort¬
lichkeit für den Krieg nicht geheuer ist, im Grunde aber immer noch als der
kommende Mann gilt. Der aber, ehe nicht die Adriafragc beglichen ist, hält sich
vorsichtig zurück. Da wendet sich der König, wiederum auf Rat Tittonis und
Orlandos, noch einmal an Nilti, dein es dann endlich gelingt, den Popolari
zwei Portefeuilles, Ackerbau und Krieg, und vier Unterstaatssckretariate (Kolonien.
Bauten, Handel, befreite Provinzen) aufzudrängen, wohlverstanden gegen beträcht¬
liche Konzessionen, sein Kabinett dann durch Liberal-Demokraten, Radikale und
Giolittianer, darunter den Busenfreund Giolittis, Peano, zu vervollständigen.
Allerdings kann niemand behaupten, daß dieses dritte Kabinett Riedl auf festeren
Füßen stände als das erste oder zweite — im Grunde bedeutet es nichts anderes
als daß im bisherigen rüttelnden Trott fortgewurstelt wird. — Aber es ist wenigstens
vermieden, daß durch vorzeitige Auflösung der Kammer neue Unruhe in das
schwer heimgesuchte Land getragen und der außenpolitische Kurs in seiner Stetig¬
keit unterbrochen wird. (S. Nachwort.)

Daß diese Vorgänge mehr bedeuten, als daß das von Anfang an aus un¬
sicheren Füßen stehende Kabinett durch eine Zufallsabstimmung gestürzt worden
ist, beweisen die Schwierigkeiten der Neubildung. In welchen Umständen aber
diese tiefere Bedeutung zu suchen ist, weiß mit Sicherheit kein Mensch, weshalb
man gut tun wird, verschiedene Ursachen anzunehmen. Zunächst ist nicht aus¬
geschlossen, daß Riedl selbst einen ungefährlichen Moment benutzt hat, sich durch
den Nachweis seiner Unentbehrlichkeit für die kommenden wichtigen außenpolitischen
Entscheidungen auf diese Weise ein neu gefestigtes Fundament zu schaffen. Die
Unzufriedenheit der römischen Postbeamten ist keine so wichtige Angelegenheit,
als daß der sehr geschickte und parlamentarisch erfahrene Ministerpräsident darüber
hätte stolpern müssen. Es ist also recht wohl möglich, daß er, ehe eS ihn in
einem außenpolitisch bedenklicheren Zeitpunkt haschte, der Welt und seinen Kollegen
zeigen wollte, wie zwecklos es sei, ihm unnötige Schwierigkeiten zu bereiten und
daß im Grunde augenblicklich niemand anders zum Regieren da sei. Auch daß,
sich die kabinettstürzende Partei sogleich der Verantwoulichteit zu entziehen suchte,
war ja keineswegs geeignet, ihr Ansehen zu heben, und möchte eine heilsame
Warnung vor leichtsinniger Wiederholung ähnlicher Manöver bilden.

Dann aber müssen wir fragen: ein bono? Wem vor allem mußte daran
gelegen sein, Riedl zu stürzen? Nicht einmal die Soziolisten, gegen die Riedl
angeblich nicht mit genügender Energie vorging, sollen so viel Interesse daran
wie die Franzosen. Seit San Remo hat in Frankreich nicht einmal Lloyd
George eine so schlechte Presse wie Riedl und wenn die Erbitterung der Journa-
l'sten nicht in hellen Flammen ausschlug, sondern vorsichtig umschleiert wurde,


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[0329] lveltspicgel regieren heißt und rät dem König zunächst, Meta, den Führer des rechten Flügels der Popolari, mit der Kabinettsbildung zu betrauen. Aber die Popolari kneifen. Kabinette stürzen, das können sie, aber wozu sollen sie sich durch Übernahme der Verantwortung in einer nach innen wie nach außen hin so schwierigen Lage unpopulär machen? Ohnehin sind sie, um ein Kabinett nur aus sich heraus zu bilden, zahlenmäßig zu schwach. Sollen sie sich durch Bündnis mit Liberalen und Freimaurern um die Sympathien des Volkes bringen? Sollen sie sich mit den Sozialisten verbinden, die bolschewitisch gesinnt sind? Nichts da, der Sieg gehört dem, der warten kann. Wieder wendet sich der König an Riedl. Der rät, ebenso wie Tittoni und Orlando, diesmal zu Bcmomi, seit Biffolatis Tode das Haupt der kleinen Gruppe der Neformsozialisten. Aber Bonomi. der frühere Kriegsminister, ist als FaM den in vielen Parteien zerstreuten Gioliitianern nicht recht, und auch den Popolari, die gegen alles Kriegsgeschrei sind, nicht genehm. Ihr Parteisekretär Michell schreibt ihm zwar einen schönen Brief, daß man ihn, solange er nichts dem Parteiprogramm Widersprechendes unternehmen wird, unterstützen werde, abir in sein Kabinett könne mau nicht eintreten. Mit einer so wackligen Zustimmung kann selbst Bonomis Ehrgeiz sich nicht zufrieden geben. Schon beginnt man von Giolitti zu sprechen, der zwar den ehemaligen Interventionisten wegen der dann drohenden Untersuchung über die Verantwort¬ lichkeit für den Krieg nicht geheuer ist, im Grunde aber immer noch als der kommende Mann gilt. Der aber, ehe nicht die Adriafragc beglichen ist, hält sich vorsichtig zurück. Da wendet sich der König, wiederum auf Rat Tittonis und Orlandos, noch einmal an Nilti, dein es dann endlich gelingt, den Popolari zwei Portefeuilles, Ackerbau und Krieg, und vier Unterstaatssckretariate (Kolonien. Bauten, Handel, befreite Provinzen) aufzudrängen, wohlverstanden gegen beträcht¬ liche Konzessionen, sein Kabinett dann durch Liberal-Demokraten, Radikale und Giolittianer, darunter den Busenfreund Giolittis, Peano, zu vervollständigen. Allerdings kann niemand behaupten, daß dieses dritte Kabinett Riedl auf festeren Füßen stände als das erste oder zweite — im Grunde bedeutet es nichts anderes als daß im bisherigen rüttelnden Trott fortgewurstelt wird. — Aber es ist wenigstens vermieden, daß durch vorzeitige Auflösung der Kammer neue Unruhe in das schwer heimgesuchte Land getragen und der außenpolitische Kurs in seiner Stetig¬ keit unterbrochen wird. (S. Nachwort.) Daß diese Vorgänge mehr bedeuten, als daß das von Anfang an aus un¬ sicheren Füßen stehende Kabinett durch eine Zufallsabstimmung gestürzt worden ist, beweisen die Schwierigkeiten der Neubildung. In welchen Umständen aber diese tiefere Bedeutung zu suchen ist, weiß mit Sicherheit kein Mensch, weshalb man gut tun wird, verschiedene Ursachen anzunehmen. Zunächst ist nicht aus¬ geschlossen, daß Riedl selbst einen ungefährlichen Moment benutzt hat, sich durch den Nachweis seiner Unentbehrlichkeit für die kommenden wichtigen außenpolitischen Entscheidungen auf diese Weise ein neu gefestigtes Fundament zu schaffen. Die Unzufriedenheit der römischen Postbeamten ist keine so wichtige Angelegenheit, als daß der sehr geschickte und parlamentarisch erfahrene Ministerpräsident darüber hätte stolpern müssen. Es ist also recht wohl möglich, daß er, ehe eS ihn in einem außenpolitisch bedenklicheren Zeitpunkt haschte, der Welt und seinen Kollegen zeigen wollte, wie zwecklos es sei, ihm unnötige Schwierigkeiten zu bereiten und daß im Grunde augenblicklich niemand anders zum Regieren da sei. Auch daß, sich die kabinettstürzende Partei sogleich der Verantwoulichteit zu entziehen suchte, war ja keineswegs geeignet, ihr Ansehen zu heben, und möchte eine heilsame Warnung vor leichtsinniger Wiederholung ähnlicher Manöver bilden. Dann aber müssen wir fragen: ein bono? Wem vor allem mußte daran gelegen sein, Riedl zu stürzen? Nicht einmal die Soziolisten, gegen die Riedl angeblich nicht mit genügender Energie vorging, sollen so viel Interesse daran wie die Franzosen. Seit San Remo hat in Frankreich nicht einmal Lloyd George eine so schlechte Presse wie Riedl und wenn die Erbitterung der Journa- l'sten nicht in hellen Flammen ausschlug, sondern vorsichtig umschleiert wurde,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/329>, abgerufen am 27.08.2024.