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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.

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Reichsspiegel

nur der unerhörte Luxus der Kri.egsgewi.misr, sondern, in der Wirkung sogar noch
gefährlicher, der Massenkonsum an Luxusartikeln wie Zigaretten und Ver
gnügungen aller Art die Volkswirtschaft bedrohen. Wie heilsam die Wahrheit
wirkt, haben die verschiedenen Reden Rostes in der Nationalversammlung gezeigt,
in denen er den Unabhängigen seine Meinung sagte. Das Zentrum hat sich das
Verdienst erworben, der Sozialdemokratie auf ihrem Wege zur Radikalisierung
den "bis hierher und nicht weiter" zuzurufen (Abg. Trimborn am 13. April).
A>e Demokraten sind dagegen immer mehr ins Schlepptau der sozialistischen
Politik geraten, ihr Einfluß ist dadurch gesunken: sie geben selbst zu, daß sie
Konzessionen hätten machen müssen, um den Bestand der Koalition nicht zu ge-
lahrten. Das kann unter Umständen dem drohenden Chaos gegenüber notwendig
fein, es fragt sich aber eben, ob man nicht durch große neue Ideen die Massen
Mitreißen und dadurch dem Zusammenbruch sicherer hätte vorbeugen können.

Sieht man sich daraufhin das demokratische Wahlprogramm an. so findet
man statt solcher Ideen eigentlich nur Phrasen, denen die bisherige Regierungs-
Praxis wenig entsprochen hat. Wie steht es zum Beispiel mit der "Auslese der
Whigsten Fachleute" in den Regierungsstellen? Wo blieb bisher das "volle Recht
der Arbeitgeber", die in der Sozialisierungskommission nicht einmal vertreten
waren?

"Wir dulden keine kapitalistische Ausbeuter!" aber die diesjährigen Ab¬
schlüsse der unter Beteiligung der Regierung syndizierten Kaliwerke weisen bei¬
spielsweise Gewinne von 25 und 30 Prozent auf bei einer Erhöhung der Inland-
Preise um 60 bis 60 Prozent.

"Die Durchführung der reinen Demokratie in der Verwaltung unter strenger
-öekämpfung von Krippenjägerei und Korruption, Verminderung der Steuerlast
°urch äußerste Sparsamkeit in der Verwaltung": es ist gewiß nicht zu verlangen,
°aß in einem Jahr unter den schwersten Bedingungen, die je einem Volk gestellt
und, der Regierungsapparat in vollkommener Weise wieder hergestellt wird, aber
^ scheint, wenn man die dauernde Beamtenvermehrung, das Hinüberretten von
Krwgsgesellschaften in Außenhandelsstellen und Kontrollkommissionen, die immer
wehr sich ausbreitende Korruption sieht, eher schlimmer als besser zu werden.

Waren es nicht alteingewurzelte freiyändlerischs Neigungen, welche die
^lssell-Möllendorfschen Gedanken einer planmäßigen Wirtschaft zu Fall brachten
und den freien Handel in einer Periode äußerster Warenknappheit auf die Konsu¬
menten losließen? Hat dieser verhängnisvolle Schritt nicht dem Zwischenhandel,
°or "nein dem Schiebertum ungeheure Gewinne in den Schoß geworfen und dieses
geradezu großgezogen? Gewinne zudem, die sich skrupellos dem steuerlichen Zu-
AM Zu entziehen verstehen und sich meist garnicht kontrollieren lassen? Wer
°ußt dafür? Der ehrliche Kaufmann und der Konsument. Man spricht immer
von Sozialisierung und nimmt dadurch der Industrie, die vielfach ohnehin schon
uver die Grenze der Konkurrenzfähigkeit belastet ist, den Rest von Unternehmungslust,
"ver den Zwischenhandel, der wie beim Leder und vielen Bedarfsartikeln die
Hauptschuld an der Verteuerung trägt, läßt man gewähren. Der Verteuerung
.aver folgen höhere Löhne, weitere Geldentwertung, wiederum höhere Preise
und so fort.

. Die Sozialdemokratis, welche dieses alles in erster Linie angeht und welche
?em Volke durch Taten und nicht durch Schlagworte helfen müßte, kommt in
Ma Wahlaufruf ebenfalls über die allgemeine Phrase nicht hinaus: "Befreiung
Arbeiterschaft von Ausbeutung und Unternehmerwillkür, Kampf gegen das
°vttsauswuchernde Schiebertum." Aber wie? Man beachte auch, daß die "Unter-
Mmerwillkür" dem "Schiebertum" vorangestellt wird. Der klassenkämpferische
Gedanke wird weiter gehegt, trotzdem die Unternehmer lange vor der Revolution
^" Gedanken der Arbeitsgemeinschaft in die Praxis umgesetzt haben und neben
">e Unternehmerwillkür längst die Streikwillkür der Arbeiterschaft getreten ist.

Das alles beweist, daß die Führer, welche die Massen sich selbst gegeben
Mum oder welche -- meist durch demagogische Nednertalente -- Einfluß erlangt
y"ven, nicht die Charaktere sind, welche das Volk wirklich zu führen vermögen.


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nur der unerhörte Luxus der Kri.egsgewi.misr, sondern, in der Wirkung sogar noch
gefährlicher, der Massenkonsum an Luxusartikeln wie Zigaretten und Ver
gnügungen aller Art die Volkswirtschaft bedrohen. Wie heilsam die Wahrheit
wirkt, haben die verschiedenen Reden Rostes in der Nationalversammlung gezeigt,
in denen er den Unabhängigen seine Meinung sagte. Das Zentrum hat sich das
Verdienst erworben, der Sozialdemokratie auf ihrem Wege zur Radikalisierung
den „bis hierher und nicht weiter" zuzurufen (Abg. Trimborn am 13. April).
A>e Demokraten sind dagegen immer mehr ins Schlepptau der sozialistischen
Politik geraten, ihr Einfluß ist dadurch gesunken: sie geben selbst zu, daß sie
Konzessionen hätten machen müssen, um den Bestand der Koalition nicht zu ge-
lahrten. Das kann unter Umständen dem drohenden Chaos gegenüber notwendig
fein, es fragt sich aber eben, ob man nicht durch große neue Ideen die Massen
Mitreißen und dadurch dem Zusammenbruch sicherer hätte vorbeugen können.

Sieht man sich daraufhin das demokratische Wahlprogramm an. so findet
man statt solcher Ideen eigentlich nur Phrasen, denen die bisherige Regierungs-
Praxis wenig entsprochen hat. Wie steht es zum Beispiel mit der „Auslese der
Whigsten Fachleute" in den Regierungsstellen? Wo blieb bisher das „volle Recht
der Arbeitgeber", die in der Sozialisierungskommission nicht einmal vertreten
waren?

„Wir dulden keine kapitalistische Ausbeuter!" aber die diesjährigen Ab¬
schlüsse der unter Beteiligung der Regierung syndizierten Kaliwerke weisen bei¬
spielsweise Gewinne von 25 und 30 Prozent auf bei einer Erhöhung der Inland-
Preise um 60 bis 60 Prozent.

„Die Durchführung der reinen Demokratie in der Verwaltung unter strenger
-öekämpfung von Krippenjägerei und Korruption, Verminderung der Steuerlast
°urch äußerste Sparsamkeit in der Verwaltung": es ist gewiß nicht zu verlangen,
°aß in einem Jahr unter den schwersten Bedingungen, die je einem Volk gestellt
und, der Regierungsapparat in vollkommener Weise wieder hergestellt wird, aber
^ scheint, wenn man die dauernde Beamtenvermehrung, das Hinüberretten von
Krwgsgesellschaften in Außenhandelsstellen und Kontrollkommissionen, die immer
wehr sich ausbreitende Korruption sieht, eher schlimmer als besser zu werden.

Waren es nicht alteingewurzelte freiyändlerischs Neigungen, welche die
^lssell-Möllendorfschen Gedanken einer planmäßigen Wirtschaft zu Fall brachten
und den freien Handel in einer Periode äußerster Warenknappheit auf die Konsu¬
menten losließen? Hat dieser verhängnisvolle Schritt nicht dem Zwischenhandel,
°or «nein dem Schiebertum ungeheure Gewinne in den Schoß geworfen und dieses
geradezu großgezogen? Gewinne zudem, die sich skrupellos dem steuerlichen Zu-
AM Zu entziehen verstehen und sich meist garnicht kontrollieren lassen? Wer
°ußt dafür? Der ehrliche Kaufmann und der Konsument. Man spricht immer
von Sozialisierung und nimmt dadurch der Industrie, die vielfach ohnehin schon
uver die Grenze der Konkurrenzfähigkeit belastet ist, den Rest von Unternehmungslust,
"ver den Zwischenhandel, der wie beim Leder und vielen Bedarfsartikeln die
Hauptschuld an der Verteuerung trägt, läßt man gewähren. Der Verteuerung
.aver folgen höhere Löhne, weitere Geldentwertung, wiederum höhere Preise
und so fort.

. Die Sozialdemokratis, welche dieses alles in erster Linie angeht und welche
?em Volke durch Taten und nicht durch Schlagworte helfen müßte, kommt in
Ma Wahlaufruf ebenfalls über die allgemeine Phrase nicht hinaus: „Befreiung
Arbeiterschaft von Ausbeutung und Unternehmerwillkür, Kampf gegen das
°vttsauswuchernde Schiebertum." Aber wie? Man beachte auch, daß die „Unter-
Mmerwillkür" dem „Schiebertum" vorangestellt wird. Der klassenkämpferische
Gedanke wird weiter gehegt, trotzdem die Unternehmer lange vor der Revolution
^" Gedanken der Arbeitsgemeinschaft in die Praxis umgesetzt haben und neben
">e Unternehmerwillkür längst die Streikwillkür der Arbeiterschaft getreten ist.

Das alles beweist, daß die Führer, welche die Massen sich selbst gegeben
Mum oder welche — meist durch demagogische Nednertalente — Einfluß erlangt
y"ven, nicht die Charaktere sind, welche das Volk wirklich zu führen vermögen.


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[0175] Reichsspiegel nur der unerhörte Luxus der Kri.egsgewi.misr, sondern, in der Wirkung sogar noch gefährlicher, der Massenkonsum an Luxusartikeln wie Zigaretten und Ver gnügungen aller Art die Volkswirtschaft bedrohen. Wie heilsam die Wahrheit wirkt, haben die verschiedenen Reden Rostes in der Nationalversammlung gezeigt, in denen er den Unabhängigen seine Meinung sagte. Das Zentrum hat sich das Verdienst erworben, der Sozialdemokratie auf ihrem Wege zur Radikalisierung den „bis hierher und nicht weiter" zuzurufen (Abg. Trimborn am 13. April). A>e Demokraten sind dagegen immer mehr ins Schlepptau der sozialistischen Politik geraten, ihr Einfluß ist dadurch gesunken: sie geben selbst zu, daß sie Konzessionen hätten machen müssen, um den Bestand der Koalition nicht zu ge- lahrten. Das kann unter Umständen dem drohenden Chaos gegenüber notwendig fein, es fragt sich aber eben, ob man nicht durch große neue Ideen die Massen Mitreißen und dadurch dem Zusammenbruch sicherer hätte vorbeugen können. Sieht man sich daraufhin das demokratische Wahlprogramm an. so findet man statt solcher Ideen eigentlich nur Phrasen, denen die bisherige Regierungs- Praxis wenig entsprochen hat. Wie steht es zum Beispiel mit der „Auslese der Whigsten Fachleute" in den Regierungsstellen? Wo blieb bisher das „volle Recht der Arbeitgeber", die in der Sozialisierungskommission nicht einmal vertreten waren? „Wir dulden keine kapitalistische Ausbeuter!" aber die diesjährigen Ab¬ schlüsse der unter Beteiligung der Regierung syndizierten Kaliwerke weisen bei¬ spielsweise Gewinne von 25 und 30 Prozent auf bei einer Erhöhung der Inland- Preise um 60 bis 60 Prozent. „Die Durchführung der reinen Demokratie in der Verwaltung unter strenger -öekämpfung von Krippenjägerei und Korruption, Verminderung der Steuerlast °urch äußerste Sparsamkeit in der Verwaltung": es ist gewiß nicht zu verlangen, °aß in einem Jahr unter den schwersten Bedingungen, die je einem Volk gestellt und, der Regierungsapparat in vollkommener Weise wieder hergestellt wird, aber ^ scheint, wenn man die dauernde Beamtenvermehrung, das Hinüberretten von Krwgsgesellschaften in Außenhandelsstellen und Kontrollkommissionen, die immer wehr sich ausbreitende Korruption sieht, eher schlimmer als besser zu werden. Waren es nicht alteingewurzelte freiyändlerischs Neigungen, welche die ^lssell-Möllendorfschen Gedanken einer planmäßigen Wirtschaft zu Fall brachten und den freien Handel in einer Periode äußerster Warenknappheit auf die Konsu¬ menten losließen? Hat dieser verhängnisvolle Schritt nicht dem Zwischenhandel, °or «nein dem Schiebertum ungeheure Gewinne in den Schoß geworfen und dieses geradezu großgezogen? Gewinne zudem, die sich skrupellos dem steuerlichen Zu- AM Zu entziehen verstehen und sich meist garnicht kontrollieren lassen? Wer °ußt dafür? Der ehrliche Kaufmann und der Konsument. Man spricht immer von Sozialisierung und nimmt dadurch der Industrie, die vielfach ohnehin schon uver die Grenze der Konkurrenzfähigkeit belastet ist, den Rest von Unternehmungslust, "ver den Zwischenhandel, der wie beim Leder und vielen Bedarfsartikeln die Hauptschuld an der Verteuerung trägt, läßt man gewähren. Der Verteuerung .aver folgen höhere Löhne, weitere Geldentwertung, wiederum höhere Preise und so fort. . Die Sozialdemokratis, welche dieses alles in erster Linie angeht und welche ?em Volke durch Taten und nicht durch Schlagworte helfen müßte, kommt in Ma Wahlaufruf ebenfalls über die allgemeine Phrase nicht hinaus: „Befreiung Arbeiterschaft von Ausbeutung und Unternehmerwillkür, Kampf gegen das °vttsauswuchernde Schiebertum." Aber wie? Man beachte auch, daß die „Unter- Mmerwillkür" dem „Schiebertum" vorangestellt wird. Der klassenkämpferische Gedanke wird weiter gehegt, trotzdem die Unternehmer lange vor der Revolution ^" Gedanken der Arbeitsgemeinschaft in die Praxis umgesetzt haben und neben ">e Unternehmerwillkür längst die Streikwillkür der Arbeiterschaft getreten ist. Das alles beweist, daß die Führer, welche die Massen sich selbst gegeben Mum oder welche — meist durch demagogische Nednertalente — Einfluß erlangt y"ven, nicht die Charaktere sind, welche das Volk wirklich zu führen vermögen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/175>, abgerufen am 22.07.2024.