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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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(UmscKuIunZ). In8besonäer8 Vorbereitung an! 6is NnMrigen-,
prima- uncl Keikeprükung.Dr. Mcdaelis

Vaterland und Mutterland
Moeller van den Brück von

etes Volk muß seinem Schicksal gewachsen sein. Wir dem Unseren:
daß wir von Anbeginn vor eine Doppelung aller Probleme gestellt
wurden, die als deutsch durch unsere Geschichte gingen. Unsere
Menschen selbst haben sich in den Geist dieser Doppelung ein-
gewöhnt. Wir sind problematische Menschen. Wir sind eine
dualistische Nation. Wir sind ein Volk mit seinem Widerspruch. Und schon dies ist
sehr deutsch, daß wir, wenn wir heute die Frage aller Fragen, die Frage nach
unserer Zukunft, beantworten wollen, nicht auf einen Inbegriff verweisen können,
der Deutschland heißt. Deutschland und Deutschtum decken sich nicht. Sie decken
sich nicht äußerlich, weder politisch noch geographisch. Und sie decken sich nicht
innerlich, weder seelisch noch charakterologisch. Wenn wir uns über dieses Schicksal
eine Rechenschaft geben wollen, dann müssen wir uns immer mit zwei Begriffen
auseinandersetzen, in denen es beschlossen liegt: Vaterland und Mutterland.

Wir stehen überall vor Zwieschaft. Wir sind ein altes Volk und ein junges
Volk. Wir sind westlich und sind östlich gerichtet. Wir sind katholisch und
protestantisch geschieden. Wir haben unseren Ausdruck einst in einer Gotik
gefunden, die das Gehäuse unseres Schauens mit irrationaler Gewaltigkeit abbildete.
Und wir haben uns doch immer wieder antiker Form genähert, die unser Urmaß
ins Ebenmaß zwang. Wir haben schließlich, als wir auf humanistischer Grund¬
lage ein klassisches Gleichgewicht hergestellt hatten, die Forderung des Idealismus
vor allen Völkern erhoben. Aber wir haben dann selbst sehr bald einen Materialismus
verwirklicht, der als undeutsch empfunden wurde, wenn wir auch niemals
vergessen sollten, daß wir zwar immer Phantasten gewesen sind, die sich ihren
Kosmos gar nicht groß genug vorstellen konnten, aber auch früh schon Techniker,
die den Gang der Welt im Uhrwerke ihrer Erfindungen mit Sorgfalt und in
Vollkommenheit zu wiederholen verstanden. Unter seinen mancherlei Folgen
hat dieser Materialismus vor allem die eine gehabt, daß er von unserem bis
dahin agrarischen Leben ein industrielles abteilte. Und wieder von diesem
Materialismus aus haben wir uns zuletzt in einen Imperialismus hinausgewagt,


GrenzS-ten l 1920 6


IM Wen
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(UmscKuIunZ). In8besonäer8 Vorbereitung an! 6is NnMrigen-,
prima- uncl Keikeprükung.Dr. Mcdaelis

Vaterland und Mutterland
Moeller van den Brück von

etes Volk muß seinem Schicksal gewachsen sein. Wir dem Unseren:
daß wir von Anbeginn vor eine Doppelung aller Probleme gestellt
wurden, die als deutsch durch unsere Geschichte gingen. Unsere
Menschen selbst haben sich in den Geist dieser Doppelung ein-
gewöhnt. Wir sind problematische Menschen. Wir sind eine
dualistische Nation. Wir sind ein Volk mit seinem Widerspruch. Und schon dies ist
sehr deutsch, daß wir, wenn wir heute die Frage aller Fragen, die Frage nach
unserer Zukunft, beantworten wollen, nicht auf einen Inbegriff verweisen können,
der Deutschland heißt. Deutschland und Deutschtum decken sich nicht. Sie decken
sich nicht äußerlich, weder politisch noch geographisch. Und sie decken sich nicht
innerlich, weder seelisch noch charakterologisch. Wenn wir uns über dieses Schicksal
eine Rechenschaft geben wollen, dann müssen wir uns immer mit zwei Begriffen
auseinandersetzen, in denen es beschlossen liegt: Vaterland und Mutterland.

Wir stehen überall vor Zwieschaft. Wir sind ein altes Volk und ein junges
Volk. Wir sind westlich und sind östlich gerichtet. Wir sind katholisch und
protestantisch geschieden. Wir haben unseren Ausdruck einst in einer Gotik
gefunden, die das Gehäuse unseres Schauens mit irrationaler Gewaltigkeit abbildete.
Und wir haben uns doch immer wieder antiker Form genähert, die unser Urmaß
ins Ebenmaß zwang. Wir haben schließlich, als wir auf humanistischer Grund¬
lage ein klassisches Gleichgewicht hergestellt hatten, die Forderung des Idealismus
vor allen Völkern erhoben. Aber wir haben dann selbst sehr bald einen Materialismus
verwirklicht, der als undeutsch empfunden wurde, wenn wir auch niemals
vergessen sollten, daß wir zwar immer Phantasten gewesen sind, die sich ihren
Kosmos gar nicht groß genug vorstellen konnten, aber auch früh schon Techniker,
die den Gang der Welt im Uhrwerke ihrer Erfindungen mit Sorgfalt und in
Vollkommenheit zu wiederholen verstanden. Unter seinen mancherlei Folgen
hat dieser Materialismus vor allem die eine gehabt, daß er von unserem bis
dahin agrarischen Leben ein industrielles abteilte. Und wieder von diesem
Materialismus aus haben wir uns zuletzt in einen Imperialismus hinausgewagt,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/79>, abgerufen am 28.07.2024.