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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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mäßigem den im Dezember 1918 in Delhi lagerten Nationalkongreß,
um nicht völlig von den Radikalen mitgerissen zu werden, garnicht mehr be¬
schickte. Der Kongreß, unter dem Vorsitz des überaus angesehenen Sozial-
rcformers Gandhi, des mutigen Vorkämpfers seiner unterdrückten Landsleute in
Südafrika, beschloß, sich an den Sicgesfeierlichkeiten nicht zu beteiligen, forderte
die Hindus auf, sich der muselmanischen Bewegung zur Erhaltung des Kalifais
w Stambul anzuschließen, die extremistische Bewegung für weitgehendes Homsrule
zu unterstützen und drohte, falls der Friede mit der Türkei schlecht ausfallen
sollte, mit Boykott englischer Waren. Aber die Größe des Sieges und
me Ernennung des Vertreters der. Gemäßigten, des ersten indischen
-peers, Jyxd Sinha, zum Staatssekretär gäben der Partei der Ge¬
mäßigten wieder für eine Weile die Oberhand. Immerhin waren die
Zustände so, daß man auf Grund der berühmten NowlatL-Berichte englischerseits
die Aufrechterhaltung des Belagerungszustandes erwog und eine Reihe ent¬
sprechender Gesetze, die weitgehende Maßregeln gegen Agitatoren und zur Unter¬
drückung von Unruhen vorsahen, einbrachte. Das Bekanntwerden dieser Gesetze
erregte, auch bei den Gemäßigten, einen Sturm der Entrüstung. Im März kam
es in Delhi zum ersten Ausbruch. Hier hatten die Extremisten als Kundgebung
gegen dle Nowlatt-Gesetze die Schließung sämtlicher Läden angeordnet und da
einzelne wandelnde Händler den Verkauf auf dem Bahnsteig nicht einstellen
wollten, kam es am Bahnhof zu Unruhen, in deren Verlauf englische Truppen
w>n den Waffen Gebrauch machten und mehrere Eingeborene erschossen wurden.
Der Umstand, daß sich unter den Getöteten auch Mohammedaner befanden,
diente Gandhi, der allenthalben mit Hilfe einer weitverzweigten Organisation,
Sabyagraha Sabha, passiven Widerstand, in Indien eine weit gefährlichere und
wirksamere Waffe als in Europa, predigen ließ, und der bekannten Dichterin
Acüdu zu weiteren Appellen an die Mohammedaner, wobei auch die damaligen
^vrgänge in Ägypten (siehe Grenzboten 1918 Heft 41) ausgenutzt wurden. Als
dann Gandhi nicht gerade verhaftet, aber durch geeignete Polizeimaßnahmen in
seiner weiteren Tätigkeit lahmgelegt wurde, wurde es noch schlimmer. In Lcchore
und Kalkutta kam es zu Unruhen, in Viramyam, Ahmedabad und Amritsar. im
ganzen Pendschab zu Aufständen! Telegraphenämter, Banken und Bahnhöfe
wurden gestürmt, Polizisten und Beamte getötet, auf der Lini> Katur-Amritsar
wurde ein Militärzug zum Entgleisen gebracht und in Amritsar wurden zur
Unterdrückung weiterer Unruhen Maßregeln von solcher Grausamkeit nötig, daß
^abindranath Tagore sich veranlaßt sah, seine englischen Ehrentitel niederzulegen,
und daß man sogar in England anfing sich zu entrüsten. Das wirklich Bedenk-
uche aber waren weniger diese Aufstände an sich als vielmehr die gleichzeitige
Zerstörung von Eisenbahn- und Telcgraphcnlinien an weit von einander ent-
Ernten Stellen, die auf eine weit verzweigte und planmäßig arbeitende Geheim-
organisation hinwies. Immerhin war Ende April die Ruhe einigermaßen wieder
hergestellt. Aber die Engländer wurden ihrer kaum froh, da jetzt die Grenz¬
kampfe mit verstärkter Gewalt einsetzten. Bereits im Juli mußte Reuter den
^erlust zweier Geschütze bei einem Scharmützel zugeben, im Dezember brachten
me kriegerischen Mahsuds den Engländern eine schwere Schlappe bei, in der diese
Tote und Verwundete, darunter zehn englische Offiziere verloren, es wird
!?gar berichtet, daß in diesen Kämpfen ein englisches Flugzeug abgeschossen worden
Ist, was auf Übertreibung oder Zufall, aber auch auf ausgezeichnete Ausrüstung
der Natives mit Schußwaffen zurückgeführt werden kann. Die Ende Dezember
angekündigte Unterwerfung der Mahsud-Waziris hat sich als eine Finte erwiesen,
auch die Afridi-Stumme sind unruhig, sogar die "Times" (3. Februar) räumten
ein, daß "gelegentlich errungene Teilerfolge gegen unsere Truppen" die Einge¬
borenen zu weiterer Widersetzlichkeit ermutigt hätten, und selbst die "Times of
^>ndia" konnten nicht länger in Abrede stellen, daß von eincmEnde zum andern
vie ganze Grenze unruhig sei. Sie verlangten eine große Truppenmacht, während
tatsächlich fast nie zuvor eine größere bestanden hatte und allein an der Grenze


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mäßigem den im Dezember 1918 in Delhi lagerten Nationalkongreß,
um nicht völlig von den Radikalen mitgerissen zu werden, garnicht mehr be¬
schickte. Der Kongreß, unter dem Vorsitz des überaus angesehenen Sozial-
rcformers Gandhi, des mutigen Vorkämpfers seiner unterdrückten Landsleute in
Südafrika, beschloß, sich an den Sicgesfeierlichkeiten nicht zu beteiligen, forderte
die Hindus auf, sich der muselmanischen Bewegung zur Erhaltung des Kalifais
w Stambul anzuschließen, die extremistische Bewegung für weitgehendes Homsrule
zu unterstützen und drohte, falls der Friede mit der Türkei schlecht ausfallen
sollte, mit Boykott englischer Waren. Aber die Größe des Sieges und
me Ernennung des Vertreters der. Gemäßigten, des ersten indischen
-peers, Jyxd Sinha, zum Staatssekretär gäben der Partei der Ge¬
mäßigten wieder für eine Weile die Oberhand. Immerhin waren die
Zustände so, daß man auf Grund der berühmten NowlatL-Berichte englischerseits
die Aufrechterhaltung des Belagerungszustandes erwog und eine Reihe ent¬
sprechender Gesetze, die weitgehende Maßregeln gegen Agitatoren und zur Unter¬
drückung von Unruhen vorsahen, einbrachte. Das Bekanntwerden dieser Gesetze
erregte, auch bei den Gemäßigten, einen Sturm der Entrüstung. Im März kam
es in Delhi zum ersten Ausbruch. Hier hatten die Extremisten als Kundgebung
gegen dle Nowlatt-Gesetze die Schließung sämtlicher Läden angeordnet und da
einzelne wandelnde Händler den Verkauf auf dem Bahnsteig nicht einstellen
wollten, kam es am Bahnhof zu Unruhen, in deren Verlauf englische Truppen
w>n den Waffen Gebrauch machten und mehrere Eingeborene erschossen wurden.
Der Umstand, daß sich unter den Getöteten auch Mohammedaner befanden,
diente Gandhi, der allenthalben mit Hilfe einer weitverzweigten Organisation,
Sabyagraha Sabha, passiven Widerstand, in Indien eine weit gefährlichere und
wirksamere Waffe als in Europa, predigen ließ, und der bekannten Dichterin
Acüdu zu weiteren Appellen an die Mohammedaner, wobei auch die damaligen
^vrgänge in Ägypten (siehe Grenzboten 1918 Heft 41) ausgenutzt wurden. Als
dann Gandhi nicht gerade verhaftet, aber durch geeignete Polizeimaßnahmen in
seiner weiteren Tätigkeit lahmgelegt wurde, wurde es noch schlimmer. In Lcchore
und Kalkutta kam es zu Unruhen, in Viramyam, Ahmedabad und Amritsar. im
ganzen Pendschab zu Aufständen! Telegraphenämter, Banken und Bahnhöfe
wurden gestürmt, Polizisten und Beamte getötet, auf der Lini> Katur-Amritsar
wurde ein Militärzug zum Entgleisen gebracht und in Amritsar wurden zur
Unterdrückung weiterer Unruhen Maßregeln von solcher Grausamkeit nötig, daß
^abindranath Tagore sich veranlaßt sah, seine englischen Ehrentitel niederzulegen,
und daß man sogar in England anfing sich zu entrüsten. Das wirklich Bedenk-
uche aber waren weniger diese Aufstände an sich als vielmehr die gleichzeitige
Zerstörung von Eisenbahn- und Telcgraphcnlinien an weit von einander ent-
Ernten Stellen, die auf eine weit verzweigte und planmäßig arbeitende Geheim-
organisation hinwies. Immerhin war Ende April die Ruhe einigermaßen wieder
hergestellt. Aber die Engländer wurden ihrer kaum froh, da jetzt die Grenz¬
kampfe mit verstärkter Gewalt einsetzten. Bereits im Juli mußte Reuter den
^erlust zweier Geschütze bei einem Scharmützel zugeben, im Dezember brachten
me kriegerischen Mahsuds den Engländern eine schwere Schlappe bei, in der diese
Tote und Verwundete, darunter zehn englische Offiziere verloren, es wird
!?gar berichtet, daß in diesen Kämpfen ein englisches Flugzeug abgeschossen worden
Ist, was auf Übertreibung oder Zufall, aber auch auf ausgezeichnete Ausrüstung
der Natives mit Schußwaffen zurückgeführt werden kann. Die Ende Dezember
angekündigte Unterwerfung der Mahsud-Waziris hat sich als eine Finte erwiesen,
auch die Afridi-Stumme sind unruhig, sogar die „Times" (3. Februar) räumten
ein, daß „gelegentlich errungene Teilerfolge gegen unsere Truppen" die Einge¬
borenen zu weiterer Widersetzlichkeit ermutigt hätten, und selbst die „Times of
^>ndia" konnten nicht länger in Abrede stellen, daß von eincmEnde zum andern
vie ganze Grenze unruhig sei. Sie verlangten eine große Truppenmacht, während
tatsächlich fast nie zuvor eine größere bestanden hatte und allein an der Grenze


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[0381] Weltspiegel mäßigem den im Dezember 1918 in Delhi lagerten Nationalkongreß, um nicht völlig von den Radikalen mitgerissen zu werden, garnicht mehr be¬ schickte. Der Kongreß, unter dem Vorsitz des überaus angesehenen Sozial- rcformers Gandhi, des mutigen Vorkämpfers seiner unterdrückten Landsleute in Südafrika, beschloß, sich an den Sicgesfeierlichkeiten nicht zu beteiligen, forderte die Hindus auf, sich der muselmanischen Bewegung zur Erhaltung des Kalifais w Stambul anzuschließen, die extremistische Bewegung für weitgehendes Homsrule zu unterstützen und drohte, falls der Friede mit der Türkei schlecht ausfallen sollte, mit Boykott englischer Waren. Aber die Größe des Sieges und me Ernennung des Vertreters der. Gemäßigten, des ersten indischen -peers, Jyxd Sinha, zum Staatssekretär gäben der Partei der Ge¬ mäßigten wieder für eine Weile die Oberhand. Immerhin waren die Zustände so, daß man auf Grund der berühmten NowlatL-Berichte englischerseits die Aufrechterhaltung des Belagerungszustandes erwog und eine Reihe ent¬ sprechender Gesetze, die weitgehende Maßregeln gegen Agitatoren und zur Unter¬ drückung von Unruhen vorsahen, einbrachte. Das Bekanntwerden dieser Gesetze erregte, auch bei den Gemäßigten, einen Sturm der Entrüstung. Im März kam es in Delhi zum ersten Ausbruch. Hier hatten die Extremisten als Kundgebung gegen dle Nowlatt-Gesetze die Schließung sämtlicher Läden angeordnet und da einzelne wandelnde Händler den Verkauf auf dem Bahnsteig nicht einstellen wollten, kam es am Bahnhof zu Unruhen, in deren Verlauf englische Truppen w>n den Waffen Gebrauch machten und mehrere Eingeborene erschossen wurden. Der Umstand, daß sich unter den Getöteten auch Mohammedaner befanden, diente Gandhi, der allenthalben mit Hilfe einer weitverzweigten Organisation, Sabyagraha Sabha, passiven Widerstand, in Indien eine weit gefährlichere und wirksamere Waffe als in Europa, predigen ließ, und der bekannten Dichterin Acüdu zu weiteren Appellen an die Mohammedaner, wobei auch die damaligen ^vrgänge in Ägypten (siehe Grenzboten 1918 Heft 41) ausgenutzt wurden. Als dann Gandhi nicht gerade verhaftet, aber durch geeignete Polizeimaßnahmen in seiner weiteren Tätigkeit lahmgelegt wurde, wurde es noch schlimmer. In Lcchore und Kalkutta kam es zu Unruhen, in Viramyam, Ahmedabad und Amritsar. im ganzen Pendschab zu Aufständen! Telegraphenämter, Banken und Bahnhöfe wurden gestürmt, Polizisten und Beamte getötet, auf der Lini> Katur-Amritsar wurde ein Militärzug zum Entgleisen gebracht und in Amritsar wurden zur Unterdrückung weiterer Unruhen Maßregeln von solcher Grausamkeit nötig, daß ^abindranath Tagore sich veranlaßt sah, seine englischen Ehrentitel niederzulegen, und daß man sogar in England anfing sich zu entrüsten. Das wirklich Bedenk- uche aber waren weniger diese Aufstände an sich als vielmehr die gleichzeitige Zerstörung von Eisenbahn- und Telcgraphcnlinien an weit von einander ent- Ernten Stellen, die auf eine weit verzweigte und planmäßig arbeitende Geheim- organisation hinwies. Immerhin war Ende April die Ruhe einigermaßen wieder hergestellt. Aber die Engländer wurden ihrer kaum froh, da jetzt die Grenz¬ kampfe mit verstärkter Gewalt einsetzten. Bereits im Juli mußte Reuter den ^erlust zweier Geschütze bei einem Scharmützel zugeben, im Dezember brachten me kriegerischen Mahsuds den Engländern eine schwere Schlappe bei, in der diese Tote und Verwundete, darunter zehn englische Offiziere verloren, es wird !?gar berichtet, daß in diesen Kämpfen ein englisches Flugzeug abgeschossen worden Ist, was auf Übertreibung oder Zufall, aber auch auf ausgezeichnete Ausrüstung der Natives mit Schußwaffen zurückgeführt werden kann. Die Ende Dezember angekündigte Unterwerfung der Mahsud-Waziris hat sich als eine Finte erwiesen, auch die Afridi-Stumme sind unruhig, sogar die „Times" (3. Februar) räumten ein, daß „gelegentlich errungene Teilerfolge gegen unsere Truppen" die Einge¬ borenen zu weiterer Widersetzlichkeit ermutigt hätten, und selbst die „Times of ^>ndia" konnten nicht länger in Abrede stellen, daß von eincmEnde zum andern vie ganze Grenze unruhig sei. Sie verlangten eine große Truppenmacht, während tatsächlich fast nie zuvor eine größere bestanden hatte und allein an der Grenze

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/381>, abgerufen am 27.07.2024.