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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Presse maßlos überschätzt worden ist, da Überfälle auf Polizisten und Laden¬
plünderungen in Indien natürlich auch in Friedenszeiten vorgekommen sind, so
wenig ist doch, wie wir jetzt festzustellen in der Lage sind, zu bezweifeln, daß
nicht nur während des Krieges eine bedeutende und ständig anwachsende Gärung
bestanden hat, sondern daß auch gegenwärtig die englische Macht in Indien sich
ernster Bedrohung ausgesetzt sieht. Es ist kein Grund vorhanden, bereits Indiens
Sieg zu prophezeien und von der Erschütterung des britischen Weltreiches zu
sprechen, aber die Lage ist immerhin so ernst, daß man allen Grund hat, an¬
zunehmen, daß England während der nächsten drei Jahre in Indien alle Hände
voll zu tun haben wird.

Vier Faktoren sind es, die England Anlaß zu Besorgnissen in Indien
geben: die Folgen des Weltkrieges, Indiens Verlangen nach Selbstbestimmung,
die Grenzkriege nebst den Verwicklungen mit Afghanistan und der Bolschewismus.
Die Wirkungen all dieser Faktoren sind nicht von einander zu trennen, sondern
stehen miteinander in engstem Zusammenhang und verstärken sich gegenseitig.
Eine gewisse Gärung hat in Indien von jeher bestanden, und das Verlangen der
Inder nach Selbstregierung ist schon vor dem Kriege in gewissen englisch-indischen
und auch englischen Kreisen gebilligt worden. Der Krieg aber hat die Gärung
verstärkt und das indische Selbstbewußtsein gehoben. Man darf nicht vergessen,
daß die Versendung indischer Truppen außer Landes im Grunde ungesetzlich war,
und daß es selbstverständlich vor der Abfahrt der indischen Truppen zu einer
beträchtlichen Anzahl von Desertionen gekommen ist. Jeder Deserteur aber mußte
sich, schon aus Selbsterhaltungstrieb, naturgemäß in einen Agitator verwandeln.
Dazu kam, daß die großen militärischen Schwierigkeiten Englands in Frankreich,
die anfänglichen Niederlagen auf Gallipoli und besonders in Mesopotamien nicht
gerade zur Erhöhung des englischen Prestiges beigetragen haben, und wenn auch
der endgültige englische Sieg auf rationalistisch-indische Hoffnungen dämpfend
gewirkt hat, so hat doch andererseits das Gefühl, zu diesem Siege beigetragen zu
haben und zu einer gewissen Zeit der englischen Macht unentbehrlich gewesen zu
sein, das indische Selbstbewußtsein um ein erkleckliches gehoben. Um so stärker
mußte dann aber der englische Homerule-Entwurf, der praktisch nur wenig
am Bestehenden änderte, enttäuschen.

In die Zeit dieser Enttäuschung fällt dann der Ende Februar mit der Er¬
mordung des englischen Schützlings auf dem Thron von Kabul einsetzende Krieg
mit Afghanistan, über dessen Verlauf im einzelnen wir bis jetzt lediglich aus
englischen Quellen und nur unvollkommen unterrichtet sind, der aber ein vorläufiges
Ende fand mit dem tatsächlichen Verzicht englischerseits. die afghanische Außen¬
politik weiterhin zu kontrollieren. Den Anstoß zu diesen afghanischen Selbst-
ständigkeitsregungen scheinen Intrigen einer Hofpartei gegeben zu haben, Ver¬
breitung aber hat die Bewegung unzweifelhaft durch die wachsende, auch nach
Indien hinwirkende Unruhe in mohammedanischen Kreisen über die bevorstehende
Vertreibung des Sultans ans Stambul gefunden. Der afghanische Greuzkrieg
hat aber zugleich die ganze Nordwestgrenze Indiens, die stets Anlaß zu Be¬
sorgnissen geboten hat, in dauernde Unrnhe versetzt.

Hinzukommt endlich die durch die Bedürfnisse des Krieges hervorgerufene
weitgehende Industrialisierung einer Reihe großer indischer Städte und die bannt
verbundene bedeutende Bildung von Arbeiterproletariat. Da der Herbst l9it
eine Mißernte brachte, nach 'dem Waffenstillstand "auch in Indien alle Prerfe
außerordentlich stark anzogen, und Grippe und Cholera das Land verheeren, serner
die entlassenen Soldaten ihre Enttäuschung und Unzufriedenheit laut werden
lassen, so kann man sich vorstellen, in welchem Maße Aufregung und Unruhe im
Lande herrschen. Wie weit die Japaner etwa dabei sind, die allgemeine Mi߬
stimmung zu schüren, soll mangels bestimmter Nachrichten noch nicht einmal in
Rechnung gestellt werden, welch großes Interesse sie daran haben, braucht nicht
erläutert zu werden,

Bis zum Ende des Weltkrieges war das Verlangen der indischen Politiker
nach weitgehender Selbstbestimmung so stark gewesen, daß die Partei der Ge-


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Presse maßlos überschätzt worden ist, da Überfälle auf Polizisten und Laden¬
plünderungen in Indien natürlich auch in Friedenszeiten vorgekommen sind, so
wenig ist doch, wie wir jetzt festzustellen in der Lage sind, zu bezweifeln, daß
nicht nur während des Krieges eine bedeutende und ständig anwachsende Gärung
bestanden hat, sondern daß auch gegenwärtig die englische Macht in Indien sich
ernster Bedrohung ausgesetzt sieht. Es ist kein Grund vorhanden, bereits Indiens
Sieg zu prophezeien und von der Erschütterung des britischen Weltreiches zu
sprechen, aber die Lage ist immerhin so ernst, daß man allen Grund hat, an¬
zunehmen, daß England während der nächsten drei Jahre in Indien alle Hände
voll zu tun haben wird.

Vier Faktoren sind es, die England Anlaß zu Besorgnissen in Indien
geben: die Folgen des Weltkrieges, Indiens Verlangen nach Selbstbestimmung,
die Grenzkriege nebst den Verwicklungen mit Afghanistan und der Bolschewismus.
Die Wirkungen all dieser Faktoren sind nicht von einander zu trennen, sondern
stehen miteinander in engstem Zusammenhang und verstärken sich gegenseitig.
Eine gewisse Gärung hat in Indien von jeher bestanden, und das Verlangen der
Inder nach Selbstregierung ist schon vor dem Kriege in gewissen englisch-indischen
und auch englischen Kreisen gebilligt worden. Der Krieg aber hat die Gärung
verstärkt und das indische Selbstbewußtsein gehoben. Man darf nicht vergessen,
daß die Versendung indischer Truppen außer Landes im Grunde ungesetzlich war,
und daß es selbstverständlich vor der Abfahrt der indischen Truppen zu einer
beträchtlichen Anzahl von Desertionen gekommen ist. Jeder Deserteur aber mußte
sich, schon aus Selbsterhaltungstrieb, naturgemäß in einen Agitator verwandeln.
Dazu kam, daß die großen militärischen Schwierigkeiten Englands in Frankreich,
die anfänglichen Niederlagen auf Gallipoli und besonders in Mesopotamien nicht
gerade zur Erhöhung des englischen Prestiges beigetragen haben, und wenn auch
der endgültige englische Sieg auf rationalistisch-indische Hoffnungen dämpfend
gewirkt hat, so hat doch andererseits das Gefühl, zu diesem Siege beigetragen zu
haben und zu einer gewissen Zeit der englischen Macht unentbehrlich gewesen zu
sein, das indische Selbstbewußtsein um ein erkleckliches gehoben. Um so stärker
mußte dann aber der englische Homerule-Entwurf, der praktisch nur wenig
am Bestehenden änderte, enttäuschen.

In die Zeit dieser Enttäuschung fällt dann der Ende Februar mit der Er¬
mordung des englischen Schützlings auf dem Thron von Kabul einsetzende Krieg
mit Afghanistan, über dessen Verlauf im einzelnen wir bis jetzt lediglich aus
englischen Quellen und nur unvollkommen unterrichtet sind, der aber ein vorläufiges
Ende fand mit dem tatsächlichen Verzicht englischerseits. die afghanische Außen¬
politik weiterhin zu kontrollieren. Den Anstoß zu diesen afghanischen Selbst-
ständigkeitsregungen scheinen Intrigen einer Hofpartei gegeben zu haben, Ver¬
breitung aber hat die Bewegung unzweifelhaft durch die wachsende, auch nach
Indien hinwirkende Unruhe in mohammedanischen Kreisen über die bevorstehende
Vertreibung des Sultans ans Stambul gefunden. Der afghanische Greuzkrieg
hat aber zugleich die ganze Nordwestgrenze Indiens, die stets Anlaß zu Be¬
sorgnissen geboten hat, in dauernde Unrnhe versetzt.

Hinzukommt endlich die durch die Bedürfnisse des Krieges hervorgerufene
weitgehende Industrialisierung einer Reihe großer indischer Städte und die bannt
verbundene bedeutende Bildung von Arbeiterproletariat. Da der Herbst l9it
eine Mißernte brachte, nach 'dem Waffenstillstand "auch in Indien alle Prerfe
außerordentlich stark anzogen, und Grippe und Cholera das Land verheeren, serner
die entlassenen Soldaten ihre Enttäuschung und Unzufriedenheit laut werden
lassen, so kann man sich vorstellen, in welchem Maße Aufregung und Unruhe im
Lande herrschen. Wie weit die Japaner etwa dabei sind, die allgemeine Mi߬
stimmung zu schüren, soll mangels bestimmter Nachrichten noch nicht einmal in
Rechnung gestellt werden, welch großes Interesse sie daran haben, braucht nicht
erläutert zu werden,

Bis zum Ende des Weltkrieges war das Verlangen der indischen Politiker
nach weitgehender Selbstbestimmung so stark gewesen, daß die Partei der Ge-


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[0380] lveltspiegcl Presse maßlos überschätzt worden ist, da Überfälle auf Polizisten und Laden¬ plünderungen in Indien natürlich auch in Friedenszeiten vorgekommen sind, so wenig ist doch, wie wir jetzt festzustellen in der Lage sind, zu bezweifeln, daß nicht nur während des Krieges eine bedeutende und ständig anwachsende Gärung bestanden hat, sondern daß auch gegenwärtig die englische Macht in Indien sich ernster Bedrohung ausgesetzt sieht. Es ist kein Grund vorhanden, bereits Indiens Sieg zu prophezeien und von der Erschütterung des britischen Weltreiches zu sprechen, aber die Lage ist immerhin so ernst, daß man allen Grund hat, an¬ zunehmen, daß England während der nächsten drei Jahre in Indien alle Hände voll zu tun haben wird. Vier Faktoren sind es, die England Anlaß zu Besorgnissen in Indien geben: die Folgen des Weltkrieges, Indiens Verlangen nach Selbstbestimmung, die Grenzkriege nebst den Verwicklungen mit Afghanistan und der Bolschewismus. Die Wirkungen all dieser Faktoren sind nicht von einander zu trennen, sondern stehen miteinander in engstem Zusammenhang und verstärken sich gegenseitig. Eine gewisse Gärung hat in Indien von jeher bestanden, und das Verlangen der Inder nach Selbstregierung ist schon vor dem Kriege in gewissen englisch-indischen und auch englischen Kreisen gebilligt worden. Der Krieg aber hat die Gärung verstärkt und das indische Selbstbewußtsein gehoben. Man darf nicht vergessen, daß die Versendung indischer Truppen außer Landes im Grunde ungesetzlich war, und daß es selbstverständlich vor der Abfahrt der indischen Truppen zu einer beträchtlichen Anzahl von Desertionen gekommen ist. Jeder Deserteur aber mußte sich, schon aus Selbsterhaltungstrieb, naturgemäß in einen Agitator verwandeln. Dazu kam, daß die großen militärischen Schwierigkeiten Englands in Frankreich, die anfänglichen Niederlagen auf Gallipoli und besonders in Mesopotamien nicht gerade zur Erhöhung des englischen Prestiges beigetragen haben, und wenn auch der endgültige englische Sieg auf rationalistisch-indische Hoffnungen dämpfend gewirkt hat, so hat doch andererseits das Gefühl, zu diesem Siege beigetragen zu haben und zu einer gewissen Zeit der englischen Macht unentbehrlich gewesen zu sein, das indische Selbstbewußtsein um ein erkleckliches gehoben. Um so stärker mußte dann aber der englische Homerule-Entwurf, der praktisch nur wenig am Bestehenden änderte, enttäuschen. In die Zeit dieser Enttäuschung fällt dann der Ende Februar mit der Er¬ mordung des englischen Schützlings auf dem Thron von Kabul einsetzende Krieg mit Afghanistan, über dessen Verlauf im einzelnen wir bis jetzt lediglich aus englischen Quellen und nur unvollkommen unterrichtet sind, der aber ein vorläufiges Ende fand mit dem tatsächlichen Verzicht englischerseits. die afghanische Außen¬ politik weiterhin zu kontrollieren. Den Anstoß zu diesen afghanischen Selbst- ständigkeitsregungen scheinen Intrigen einer Hofpartei gegeben zu haben, Ver¬ breitung aber hat die Bewegung unzweifelhaft durch die wachsende, auch nach Indien hinwirkende Unruhe in mohammedanischen Kreisen über die bevorstehende Vertreibung des Sultans ans Stambul gefunden. Der afghanische Greuzkrieg hat aber zugleich die ganze Nordwestgrenze Indiens, die stets Anlaß zu Be¬ sorgnissen geboten hat, in dauernde Unrnhe versetzt. Hinzukommt endlich die durch die Bedürfnisse des Krieges hervorgerufene weitgehende Industrialisierung einer Reihe großer indischer Städte und die bannt verbundene bedeutende Bildung von Arbeiterproletariat. Da der Herbst l9it eine Mißernte brachte, nach 'dem Waffenstillstand "auch in Indien alle Prerfe außerordentlich stark anzogen, und Grippe und Cholera das Land verheeren, serner die entlassenen Soldaten ihre Enttäuschung und Unzufriedenheit laut werden lassen, so kann man sich vorstellen, in welchem Maße Aufregung und Unruhe im Lande herrschen. Wie weit die Japaner etwa dabei sind, die allgemeine Mi߬ stimmung zu schüren, soll mangels bestimmter Nachrichten noch nicht einmal in Rechnung gestellt werden, welch großes Interesse sie daran haben, braucht nicht erläutert zu werden, Bis zum Ende des Weltkrieges war das Verlangen der indischen Politiker nach weitgehender Selbstbestimmung so stark gewesen, daß die Partei der Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/380>, abgerufen am 27.07.2024.