Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.Der staatliche Lehrmittclv^rlag Es ist aber andrerseits die Befürchtung nicht von der Hand zu weisen, daß Aber noch nach einer anderen Seite hin kann der Staatsverlag eine Auch nach der pädagogisch-methodischen Seite hin könnte die Einführung Der staatliche Lehrmittclv^rlag Es ist aber andrerseits die Befürchtung nicht von der Hand zu weisen, daß Aber noch nach einer anderen Seite hin kann der Staatsverlag eine Auch nach der pädagogisch-methodischen Seite hin könnte die Einführung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0370" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337215"/> <fw type="header" place="top"> Der staatliche Lehrmittclv^rlag</fw><lb/> <p xml:id="ID_2475"> Es ist aber andrerseits die Befürchtung nicht von der Hand zu weisen, daß<lb/> durch den Staatsverlag die Vereinheitlichung zu weit getrieben wird — schon<lb/> um der Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung willen und zur Erzielung recht<lb/> großer Auflagen. Aber gerade die Mannigfaltigkeit in der Anlage und in dein<lb/> Aufbau der Lehrmittel ist ein Vorteil. „Hier verrät sich", wie Dr. Böhlitz in<lb/> dem erwähnten Aufsatz sagt, „die Kraft der Einzelpersönlichkeit, deren wissen¬<lb/> schaftliche und methodische Meisterschaft Gelegenheit hat, den nüchternen Anweisungen<lb/> des Lehrplans Leben einzuhauchen". Wir brauchen die verschiedenartigsten Lehr-<lb/> und Lernmittel, denn die Bedürfnisse der Großstadtschulen sind anders als die<lb/> der kleinstädtischen oder ähnlichen Schulen; für Mädchenschulen sind andere<lb/> Bücher nötig als für Knabenschulen; die verschiedenen zusammengesetzten Lehr¬<lb/> körper und Schülerschaften, das alles bedingt eine große Vielgestaltigkeit der Lehr¬<lb/> mittel. Da weiterhin nach Z 1 der Ausführungsverordnung zum Übergangsschul¬<lb/> gesetz „der Unterricht seiner ganzen Art nach Heimat- und volkstümlich sein soll",<lb/> so müssen auch die Schulbücher diesem Gesichtspunkte Rechnung tragen. Wir<lb/> werden Heimatbücher schaffen müssen. Dazu aber scheint mir ein zentralisierter,<lb/> bürokratisch geleiteter Staatsverlag die am wenigsten geeignete Stelle zu sein.<lb/> Hier muß das freie Spiel bodenständiger Kräfte einsetzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2476"> Aber noch nach einer anderen Seite hin kann der Staatsverlag eine<lb/> unerwünschte Vereinheitlichung bringen. Wenn der Staat die Lehrmittel selbst<lb/> herausgibt, so wird die jeweilige Regierung bestrebt sein, durch sie die Jugend<lb/> nach der von ihr vertretenen politischen Richtung und Weltanschauung hin zu<lb/> beeinflussen, eingedenk des Spruches: Wer die Jugend hat, der hat die Zukunft-<lb/> Es liegt also die Gefahr nahe — ich behaupte nicht, daß es unbedingt eintreten<lb/> muß —, daß das Schulbüchermonopol dazu dient, Tendenzschriften zu schaffen<lb/> und sie unter behördlichen Druck in die Schule einzuführen. Dagegen aber<lb/> müßten wir als Pädagogen ganz entschieden Einspruch erheben. Politik gehört<lb/> nicht in die Schule, und die Auswahl der Stoffe für die Lehrbücher und Lehr¬<lb/> mittel hat lediglich nach pädagogischen und ästhetischen Gesichtspunkten, nur in<lb/> Rücksicht auf das Kind und ohne alle Nebenabsichten zu erfolgen. Zwar ist auch<lb/> früher manchmal gegen diesen Grundsatz verstoßen worden. Aber gerade die<lb/> VoWschulbuchliteratur der letzten Jahre vor dem.Kriege hat sich von diesem Fehler<lb/> freigemacht. Ich brauche nur auf die verschiedenen neuerschienenen Lesebücher<lb/> der letzten Jahre hinzuweisen. Auf keinen Fall darf hier wieder ein Rückschritt<lb/> eintreten. Der staatliche Schulbuchverlag könnte ihn leicht bringen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2477" next="#ID_2478"> Auch nach der pädagogisch-methodischen Seite hin könnte die Einführung<lb/> des Staatsverlags eine Uniformierung der Schulbücher zur Folge haben. Was<lb/> man bisher in vielen Fällen mit Recht bemängelte: daß mancher Vorgesetzte der<lb/> ihm unterstellten Lehrerschaft seine Bücher mit mehr oder weniger sanftem Drucke<lb/> aufnötigte und damit unter Umständen eine methodische Zwangsjacke schuf, das<lb/> kann zur Regel werden, wenn die oberste Schulbehörde die Bücher des Staats¬<lb/> verlags den Schulen zuweist, und das in Z 10 des Übergangsschulgesetzes gewiM-<lb/> leiflete Recht der Leserversammlung könnte dadurch hinfällig werben. Teos<lb/> hat meiner Meinung nach nicht unrecht, wenn er sagt: „Monopolisierung der<lb/> Schulbücher bedeutet den Absolutismus, wenn nicht gar die Despotie im Unter¬<lb/> richtswesen" und „die Schulbücherfreiheit ist ein Teil der Geistesfreiheit, die jedes</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0370]
Der staatliche Lehrmittclv^rlag
Es ist aber andrerseits die Befürchtung nicht von der Hand zu weisen, daß
durch den Staatsverlag die Vereinheitlichung zu weit getrieben wird — schon
um der Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung willen und zur Erzielung recht
großer Auflagen. Aber gerade die Mannigfaltigkeit in der Anlage und in dein
Aufbau der Lehrmittel ist ein Vorteil. „Hier verrät sich", wie Dr. Böhlitz in
dem erwähnten Aufsatz sagt, „die Kraft der Einzelpersönlichkeit, deren wissen¬
schaftliche und methodische Meisterschaft Gelegenheit hat, den nüchternen Anweisungen
des Lehrplans Leben einzuhauchen". Wir brauchen die verschiedenartigsten Lehr-
und Lernmittel, denn die Bedürfnisse der Großstadtschulen sind anders als die
der kleinstädtischen oder ähnlichen Schulen; für Mädchenschulen sind andere
Bücher nötig als für Knabenschulen; die verschiedenen zusammengesetzten Lehr¬
körper und Schülerschaften, das alles bedingt eine große Vielgestaltigkeit der Lehr¬
mittel. Da weiterhin nach Z 1 der Ausführungsverordnung zum Übergangsschul¬
gesetz „der Unterricht seiner ganzen Art nach Heimat- und volkstümlich sein soll",
so müssen auch die Schulbücher diesem Gesichtspunkte Rechnung tragen. Wir
werden Heimatbücher schaffen müssen. Dazu aber scheint mir ein zentralisierter,
bürokratisch geleiteter Staatsverlag die am wenigsten geeignete Stelle zu sein.
Hier muß das freie Spiel bodenständiger Kräfte einsetzen.
Aber noch nach einer anderen Seite hin kann der Staatsverlag eine
unerwünschte Vereinheitlichung bringen. Wenn der Staat die Lehrmittel selbst
herausgibt, so wird die jeweilige Regierung bestrebt sein, durch sie die Jugend
nach der von ihr vertretenen politischen Richtung und Weltanschauung hin zu
beeinflussen, eingedenk des Spruches: Wer die Jugend hat, der hat die Zukunft-
Es liegt also die Gefahr nahe — ich behaupte nicht, daß es unbedingt eintreten
muß —, daß das Schulbüchermonopol dazu dient, Tendenzschriften zu schaffen
und sie unter behördlichen Druck in die Schule einzuführen. Dagegen aber
müßten wir als Pädagogen ganz entschieden Einspruch erheben. Politik gehört
nicht in die Schule, und die Auswahl der Stoffe für die Lehrbücher und Lehr¬
mittel hat lediglich nach pädagogischen und ästhetischen Gesichtspunkten, nur in
Rücksicht auf das Kind und ohne alle Nebenabsichten zu erfolgen. Zwar ist auch
früher manchmal gegen diesen Grundsatz verstoßen worden. Aber gerade die
VoWschulbuchliteratur der letzten Jahre vor dem.Kriege hat sich von diesem Fehler
freigemacht. Ich brauche nur auf die verschiedenen neuerschienenen Lesebücher
der letzten Jahre hinzuweisen. Auf keinen Fall darf hier wieder ein Rückschritt
eintreten. Der staatliche Schulbuchverlag könnte ihn leicht bringen.
Auch nach der pädagogisch-methodischen Seite hin könnte die Einführung
des Staatsverlags eine Uniformierung der Schulbücher zur Folge haben. Was
man bisher in vielen Fällen mit Recht bemängelte: daß mancher Vorgesetzte der
ihm unterstellten Lehrerschaft seine Bücher mit mehr oder weniger sanftem Drucke
aufnötigte und damit unter Umständen eine methodische Zwangsjacke schuf, das
kann zur Regel werden, wenn die oberste Schulbehörde die Bücher des Staats¬
verlags den Schulen zuweist, und das in Z 10 des Übergangsschulgesetzes gewiM-
leiflete Recht der Leserversammlung könnte dadurch hinfällig werben. Teos
hat meiner Meinung nach nicht unrecht, wenn er sagt: „Monopolisierung der
Schulbücher bedeutet den Absolutismus, wenn nicht gar die Despotie im Unter¬
richtswesen" und „die Schulbücherfreiheit ist ein Teil der Geistesfreiheit, die jedes
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