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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Die Parteien und der körperschaftliche Gedanke

den Parteien stehend, zum Heile unseres gemeinsamen Vaterlandes. Ich weiß
nicht, ob ich mich täusche, aber mir scheint, als ob in der Verwirrung, in die
wir gestürzt sind, viele wieder in erster Linie an sich selbst denken. Partei¬
interessen und Selbstsüchtigkeit aller Art drängen die anderen Kräfte in unserem
Volk abermals zurück."

Unschuldige haben mit den Schuldigen gebüßt. Edelste und unersetzliche
Guler sind in tragischer Weise mit zugrunde gegangen. Das pflegt in der
Geschichte nie anders zu sein. Möchten die Sühnopfer, die gefallen sind, die
rasende See des Parteikrieges endlich zur Stille bringen. Es ist hoch an der
Zeit, daß die Reste unserer Volkskraft sich zusammenschließen, statt sich weiter
zu zerstören. Mur möchte die warmen Worte, laiche in der Stuttgarter
Nationalversammlung am 18. Mürz alle bürgerlichen Parteien für das ver¬
fassungstreue Offizierskorps gesunden haben, als ein ' vorläufiges Unterpfand
besserer Verhältnisse annehmen.




Sie Parteien und der körperschaftliche Gedanke
Max Hildebert Bochen von

as Ergebnis der pseudo-sozialistischen Novemberrevolution war die
Eroberung des Staates durch den Mechanismus der Parteien. Das
kunstvolle Werk Vismarcks, das gemeindeutsche und preußische Über¬
lieferungen, dynastische Hoheitsrechte und Volkssouveränität, zen-
tralistische und Partikularistische Strebungen in ein freilich recht
labiles Gleichgewicht gebracht hatte, war dem äußeren Anprall und der inneren
Zermürbung nicht gewachsen gewesen. Der Sturz des Monarchismus hatte die
selbstsichere Regierungsgewalt ihres festen Orientierungspunktes beraubt, das
Stückwerk vou Weimar konnte nichts Bestandhaftes schaffen. Die Parteibürokratie,
in deren Hände das Nuder des Staates kam, war durch jahrzehntelange Tradition
allzusehr in Nörgelei und Zersetzung, allzu wenig in positiver verantwortlicher
Leistung geübt. Der Bock, der halb wider Willen zum Gärtner gemacht worden
war, konnte in der Hauptsache nur deshalb einen Schein von Leistung erzeugen,
weil die erfahrenen Gärtnergesellen von früher, die Geheimräte der vielgeschmähten
Bürokratie des zertrümmerten "Obrigkeitsstantes". zunächst noch auf ihren Posten
aushielten. Man zehrte praktisch von einem Kapital, das man theoretisch ver¬
leugnete, die Stagnation in den Spitzen kam in Krisen über Krisen zum Aus¬
druck. Streik und Spartakusunruhen lähmten die Wirtschaft, Korruption und
Dilettantismus spitzten sich im Erzbergerprozeß zur akuten Krise, auch die hilflose
Kappaffäre nährte nur die Zersetzung. Die zum Scheinsieg umgefälschte Nieder¬
lage der formalen Demokratie bekundet die innere Ohnmacht, mit der der Partei-
Mechanismus dem fvrtschwärenden Zersetzungsvorgang des Volkskörpers gegenüber-


Die Parteien und der körperschaftliche Gedanke

den Parteien stehend, zum Heile unseres gemeinsamen Vaterlandes. Ich weiß
nicht, ob ich mich täusche, aber mir scheint, als ob in der Verwirrung, in die
wir gestürzt sind, viele wieder in erster Linie an sich selbst denken. Partei¬
interessen und Selbstsüchtigkeit aller Art drängen die anderen Kräfte in unserem
Volk abermals zurück."

Unschuldige haben mit den Schuldigen gebüßt. Edelste und unersetzliche
Guler sind in tragischer Weise mit zugrunde gegangen. Das pflegt in der
Geschichte nie anders zu sein. Möchten die Sühnopfer, die gefallen sind, die
rasende See des Parteikrieges endlich zur Stille bringen. Es ist hoch an der
Zeit, daß die Reste unserer Volkskraft sich zusammenschließen, statt sich weiter
zu zerstören. Mur möchte die warmen Worte, laiche in der Stuttgarter
Nationalversammlung am 18. Mürz alle bürgerlichen Parteien für das ver¬
fassungstreue Offizierskorps gesunden haben, als ein ' vorläufiges Unterpfand
besserer Verhältnisse annehmen.




Sie Parteien und der körperschaftliche Gedanke
Max Hildebert Bochen von

as Ergebnis der pseudo-sozialistischen Novemberrevolution war die
Eroberung des Staates durch den Mechanismus der Parteien. Das
kunstvolle Werk Vismarcks, das gemeindeutsche und preußische Über¬
lieferungen, dynastische Hoheitsrechte und Volkssouveränität, zen-
tralistische und Partikularistische Strebungen in ein freilich recht
labiles Gleichgewicht gebracht hatte, war dem äußeren Anprall und der inneren
Zermürbung nicht gewachsen gewesen. Der Sturz des Monarchismus hatte die
selbstsichere Regierungsgewalt ihres festen Orientierungspunktes beraubt, das
Stückwerk vou Weimar konnte nichts Bestandhaftes schaffen. Die Parteibürokratie,
in deren Hände das Nuder des Staates kam, war durch jahrzehntelange Tradition
allzusehr in Nörgelei und Zersetzung, allzu wenig in positiver verantwortlicher
Leistung geübt. Der Bock, der halb wider Willen zum Gärtner gemacht worden
war, konnte in der Hauptsache nur deshalb einen Schein von Leistung erzeugen,
weil die erfahrenen Gärtnergesellen von früher, die Geheimräte der vielgeschmähten
Bürokratie des zertrümmerten „Obrigkeitsstantes". zunächst noch auf ihren Posten
aushielten. Man zehrte praktisch von einem Kapital, das man theoretisch ver¬
leugnete, die Stagnation in den Spitzen kam in Krisen über Krisen zum Aus¬
druck. Streik und Spartakusunruhen lähmten die Wirtschaft, Korruption und
Dilettantismus spitzten sich im Erzbergerprozeß zur akuten Krise, auch die hilflose
Kappaffäre nährte nur die Zersetzung. Die zum Scheinsieg umgefälschte Nieder¬
lage der formalen Demokratie bekundet die innere Ohnmacht, mit der der Partei-
Mechanismus dem fvrtschwärenden Zersetzungsvorgang des Volkskörpers gegenüber-


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[0360] Die Parteien und der körperschaftliche Gedanke den Parteien stehend, zum Heile unseres gemeinsamen Vaterlandes. Ich weiß nicht, ob ich mich täusche, aber mir scheint, als ob in der Verwirrung, in die wir gestürzt sind, viele wieder in erster Linie an sich selbst denken. Partei¬ interessen und Selbstsüchtigkeit aller Art drängen die anderen Kräfte in unserem Volk abermals zurück." Unschuldige haben mit den Schuldigen gebüßt. Edelste und unersetzliche Guler sind in tragischer Weise mit zugrunde gegangen. Das pflegt in der Geschichte nie anders zu sein. Möchten die Sühnopfer, die gefallen sind, die rasende See des Parteikrieges endlich zur Stille bringen. Es ist hoch an der Zeit, daß die Reste unserer Volkskraft sich zusammenschließen, statt sich weiter zu zerstören. Mur möchte die warmen Worte, laiche in der Stuttgarter Nationalversammlung am 18. Mürz alle bürgerlichen Parteien für das ver¬ fassungstreue Offizierskorps gesunden haben, als ein ' vorläufiges Unterpfand besserer Verhältnisse annehmen. Sie Parteien und der körperschaftliche Gedanke Max Hildebert Bochen von as Ergebnis der pseudo-sozialistischen Novemberrevolution war die Eroberung des Staates durch den Mechanismus der Parteien. Das kunstvolle Werk Vismarcks, das gemeindeutsche und preußische Über¬ lieferungen, dynastische Hoheitsrechte und Volkssouveränität, zen- tralistische und Partikularistische Strebungen in ein freilich recht labiles Gleichgewicht gebracht hatte, war dem äußeren Anprall und der inneren Zermürbung nicht gewachsen gewesen. Der Sturz des Monarchismus hatte die selbstsichere Regierungsgewalt ihres festen Orientierungspunktes beraubt, das Stückwerk vou Weimar konnte nichts Bestandhaftes schaffen. Die Parteibürokratie, in deren Hände das Nuder des Staates kam, war durch jahrzehntelange Tradition allzusehr in Nörgelei und Zersetzung, allzu wenig in positiver verantwortlicher Leistung geübt. Der Bock, der halb wider Willen zum Gärtner gemacht worden war, konnte in der Hauptsache nur deshalb einen Schein von Leistung erzeugen, weil die erfahrenen Gärtnergesellen von früher, die Geheimräte der vielgeschmähten Bürokratie des zertrümmerten „Obrigkeitsstantes". zunächst noch auf ihren Posten aushielten. Man zehrte praktisch von einem Kapital, das man theoretisch ver¬ leugnete, die Stagnation in den Spitzen kam in Krisen über Krisen zum Aus¬ druck. Streik und Spartakusunruhen lähmten die Wirtschaft, Korruption und Dilettantismus spitzten sich im Erzbergerprozeß zur akuten Krise, auch die hilflose Kappaffäre nährte nur die Zersetzung. Die zum Scheinsieg umgefälschte Nieder¬ lage der formalen Demokratie bekundet die innere Ohnmacht, mit der der Partei- Mechanismus dem fvrtschwärenden Zersetzungsvorgang des Volkskörpers gegenüber-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/360>, abgerufen am 27.07.2024.