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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Das Rcippsche Abenteuer

Gewaltschritt gefaßt haben. Sie nahmen wohl an, daß ihre Absichten für
immer versanken, sobald die einzige für ihre Zwecke zuverlässige Truppe der
Auflösung verfallen wäre.'

Schon am 3. März beunruhigten sich die höheren Offiziere in Lüttwitz
Umgebung über die Möglichkeit, daß dieser sich zu Unbesonnenheiten hinreißen
lassen könnte. Sie bewogen deshalb den General, am 4. März mit den Vor¬
sitzenden der beiden Rechtsparteien, Hergt und Heinze. Rücksprache zu nehmen,
in der Hoffnung, es würde den beiden Herren gelingen, Lüttwitz zu be¬
schwichtigen.

Bei dieser Unterredung schilderte Lüttwitz die Gärung in der Truppe.
Er beklagte sich über Ungerechtigkeiten der Negierung gegenüber den Truppen
und zeigte sich besorgt darüber, daß die Regierung die aus dem Osten drohende
Gefahr so leicht nähme. Nicht zu einem "Nevanchckrieg". wie dies mißverständ¬
licher- oder tendenziöserweise behauptet worden ist, sondern zum Schutz unserer
Ostgrenze glaubte er stärkere Vorkehrungen fordern zu dürfen. Er habe des¬
halb die Überzeugung gewonnen, daß die Truppe selbst die Initiative ergreifen
müsse, und deshalb um Audienz bei der Regierung gebeten.

Hergt und Heinze gewannen aus diesen Darlegungen den Eindruck, daß
die Ansichten des Generals ziemlich unklar und seine Ziele unsicher wären.
Da sie von dem mitanwesenden General v. OlderShausen wußten, daß er
Gegner jedes militärischen Druckes auf die Regierung war. so glaubten sie,
daß Lüttwitz mit seiner Erregung ziemlich allein stünde, unterließen es aber
nicht, vor dem Wahnsinn eines Konfliktes zwischen Lüttwitz und der Negierung
inständig zu warnen. Sie gaben der Hoffnung Ausdruck, daß der unmittelbar
bevorstehende Antrag der Rechtsparteien ans baldige Neuwahlen und die Auf¬
stellung Hindenbnrgs als Präsidentschaftskandidaten die Truppe beruhigen
würde.

Am 9. März, als die Nationalversammlung jenen Antrag der Rechten
abgelehnt hatte, suchte Lüttwitz den Abgeordneten Hergt unangemeldet auf und
fragte ihn, was denn nun geschehen sollte? Hergt betonte, daß die inzwischen
von den Döberitzer Beschwerden in Kenntnis gesetzten beiden Nechtsfraktioncn
einen Druck des Militärs auf die Regierung für schädlich, jeden Gedanken
daran für unerträglich hielten. Er bat den General, Zurückhaltung zu üben;
die verfassungsmäßigen Bestrebungen der Fraktionen würden mit Entschieden¬
heit fortgesetzt. Der General erwähnte hierbei von seiner Absicht, die früher
besprochene Audienz trotzdem nachzusuchen, nichts, wie er denn auch schon bei
der früheren Besprechung seine eigentlichen Pläne verschwieg. Vielleicht haben
es Hergt und Heinze an der erforderlichen Energie fehlen lassen, um das Un¬
heil zu beschwören. Jedenfalls aber handelten sie in gutem Glanben, umso-
mehr als Lüttwitz am 9. März ausdrücklich erklärte, daß ein Vorstoß gegen
die Regierung unter den jetzigen Umständen nicht in Betracht käme.

Schon am 4. März hatte Lüttwitz durch Vermittlung des preußischen
Staatskommissars für öffentliche Sicherheit, Herrn von Berger, jene Audienz


Das Rcippsche Abenteuer

Gewaltschritt gefaßt haben. Sie nahmen wohl an, daß ihre Absichten für
immer versanken, sobald die einzige für ihre Zwecke zuverlässige Truppe der
Auflösung verfallen wäre.'

Schon am 3. März beunruhigten sich die höheren Offiziere in Lüttwitz
Umgebung über die Möglichkeit, daß dieser sich zu Unbesonnenheiten hinreißen
lassen könnte. Sie bewogen deshalb den General, am 4. März mit den Vor¬
sitzenden der beiden Rechtsparteien, Hergt und Heinze. Rücksprache zu nehmen,
in der Hoffnung, es würde den beiden Herren gelingen, Lüttwitz zu be¬
schwichtigen.

Bei dieser Unterredung schilderte Lüttwitz die Gärung in der Truppe.
Er beklagte sich über Ungerechtigkeiten der Negierung gegenüber den Truppen
und zeigte sich besorgt darüber, daß die Regierung die aus dem Osten drohende
Gefahr so leicht nähme. Nicht zu einem „Nevanchckrieg". wie dies mißverständ¬
licher- oder tendenziöserweise behauptet worden ist, sondern zum Schutz unserer
Ostgrenze glaubte er stärkere Vorkehrungen fordern zu dürfen. Er habe des¬
halb die Überzeugung gewonnen, daß die Truppe selbst die Initiative ergreifen
müsse, und deshalb um Audienz bei der Regierung gebeten.

Hergt und Heinze gewannen aus diesen Darlegungen den Eindruck, daß
die Ansichten des Generals ziemlich unklar und seine Ziele unsicher wären.
Da sie von dem mitanwesenden General v. OlderShausen wußten, daß er
Gegner jedes militärischen Druckes auf die Regierung war. so glaubten sie,
daß Lüttwitz mit seiner Erregung ziemlich allein stünde, unterließen es aber
nicht, vor dem Wahnsinn eines Konfliktes zwischen Lüttwitz und der Negierung
inständig zu warnen. Sie gaben der Hoffnung Ausdruck, daß der unmittelbar
bevorstehende Antrag der Rechtsparteien ans baldige Neuwahlen und die Auf¬
stellung Hindenbnrgs als Präsidentschaftskandidaten die Truppe beruhigen
würde.

Am 9. März, als die Nationalversammlung jenen Antrag der Rechten
abgelehnt hatte, suchte Lüttwitz den Abgeordneten Hergt unangemeldet auf und
fragte ihn, was denn nun geschehen sollte? Hergt betonte, daß die inzwischen
von den Döberitzer Beschwerden in Kenntnis gesetzten beiden Nechtsfraktioncn
einen Druck des Militärs auf die Regierung für schädlich, jeden Gedanken
daran für unerträglich hielten. Er bat den General, Zurückhaltung zu üben;
die verfassungsmäßigen Bestrebungen der Fraktionen würden mit Entschieden¬
heit fortgesetzt. Der General erwähnte hierbei von seiner Absicht, die früher
besprochene Audienz trotzdem nachzusuchen, nichts, wie er denn auch schon bei
der früheren Besprechung seine eigentlichen Pläne verschwieg. Vielleicht haben
es Hergt und Heinze an der erforderlichen Energie fehlen lassen, um das Un¬
heil zu beschwören. Jedenfalls aber handelten sie in gutem Glanben, umso-
mehr als Lüttwitz am 9. März ausdrücklich erklärte, daß ein Vorstoß gegen
die Regierung unter den jetzigen Umständen nicht in Betracht käme.

Schon am 4. März hatte Lüttwitz durch Vermittlung des preußischen
Staatskommissars für öffentliche Sicherheit, Herrn von Berger, jene Audienz


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[0336] Das Rcippsche Abenteuer Gewaltschritt gefaßt haben. Sie nahmen wohl an, daß ihre Absichten für immer versanken, sobald die einzige für ihre Zwecke zuverlässige Truppe der Auflösung verfallen wäre.' Schon am 3. März beunruhigten sich die höheren Offiziere in Lüttwitz Umgebung über die Möglichkeit, daß dieser sich zu Unbesonnenheiten hinreißen lassen könnte. Sie bewogen deshalb den General, am 4. März mit den Vor¬ sitzenden der beiden Rechtsparteien, Hergt und Heinze. Rücksprache zu nehmen, in der Hoffnung, es würde den beiden Herren gelingen, Lüttwitz zu be¬ schwichtigen. Bei dieser Unterredung schilderte Lüttwitz die Gärung in der Truppe. Er beklagte sich über Ungerechtigkeiten der Negierung gegenüber den Truppen und zeigte sich besorgt darüber, daß die Regierung die aus dem Osten drohende Gefahr so leicht nähme. Nicht zu einem „Nevanchckrieg". wie dies mißverständ¬ licher- oder tendenziöserweise behauptet worden ist, sondern zum Schutz unserer Ostgrenze glaubte er stärkere Vorkehrungen fordern zu dürfen. Er habe des¬ halb die Überzeugung gewonnen, daß die Truppe selbst die Initiative ergreifen müsse, und deshalb um Audienz bei der Regierung gebeten. Hergt und Heinze gewannen aus diesen Darlegungen den Eindruck, daß die Ansichten des Generals ziemlich unklar und seine Ziele unsicher wären. Da sie von dem mitanwesenden General v. OlderShausen wußten, daß er Gegner jedes militärischen Druckes auf die Regierung war. so glaubten sie, daß Lüttwitz mit seiner Erregung ziemlich allein stünde, unterließen es aber nicht, vor dem Wahnsinn eines Konfliktes zwischen Lüttwitz und der Negierung inständig zu warnen. Sie gaben der Hoffnung Ausdruck, daß der unmittelbar bevorstehende Antrag der Rechtsparteien ans baldige Neuwahlen und die Auf¬ stellung Hindenbnrgs als Präsidentschaftskandidaten die Truppe beruhigen würde. Am 9. März, als die Nationalversammlung jenen Antrag der Rechten abgelehnt hatte, suchte Lüttwitz den Abgeordneten Hergt unangemeldet auf und fragte ihn, was denn nun geschehen sollte? Hergt betonte, daß die inzwischen von den Döberitzer Beschwerden in Kenntnis gesetzten beiden Nechtsfraktioncn einen Druck des Militärs auf die Regierung für schädlich, jeden Gedanken daran für unerträglich hielten. Er bat den General, Zurückhaltung zu üben; die verfassungsmäßigen Bestrebungen der Fraktionen würden mit Entschieden¬ heit fortgesetzt. Der General erwähnte hierbei von seiner Absicht, die früher besprochene Audienz trotzdem nachzusuchen, nichts, wie er denn auch schon bei der früheren Besprechung seine eigentlichen Pläne verschwieg. Vielleicht haben es Hergt und Heinze an der erforderlichen Energie fehlen lassen, um das Un¬ heil zu beschwören. Jedenfalls aber handelten sie in gutem Glanben, umso- mehr als Lüttwitz am 9. März ausdrücklich erklärte, daß ein Vorstoß gegen die Regierung unter den jetzigen Umständen nicht in Betracht käme. Schon am 4. März hatte Lüttwitz durch Vermittlung des preußischen Staatskommissars für öffentliche Sicherheit, Herrn von Berger, jene Audienz

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/336>, abgerufen am 28.07.2024.