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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Das Rappsche Abenteuer

deutschen Staates einigermaßen wieder hergestellt wird. Dagegen fuhr den
Franzosen und Polen, wie die Ereignisse der "weißen Woche" gelehrt haben,
der Schreck vor der Neuaufrichtung eines militaristischen deutschen Reiches ge¬
waltig in die Glieder. Erleichtert über den raschen Sieg der Demokratie be¬
nutzten diese beiden festländischen Nachbarvölker den Dummenjungenstreich des
U5. März als erwünschten Beleg für die Gewalttätigkeit und Gefährlichkeit
des deutschen "Militarismus".

Wie es bei derartigen Plänen zu geschehen pflegt, wurde den Ver¬
schwörern der Zeitpunkt und die Art des Losbrechens durch den Eintritt sie
selbst überraschender äußerer Anlässe aus der Hand genommen. Infolge
der uns durch den Friedensvertrag auferlegten Verkleinerung des Heeres waren
Zahlreiche Unklarheiten und Befürchtungen bei den aufzulösenden Formationen
Md den zu entlassenden Offizieren verbreitet.

Die verfassungswidrige Verzögerung der Neumahlen durch die Regierung
gab den Aktivisten in der "nationalen Vereinigung" einen bedauerlichen Ur¬
ias;, ihre eigenen Pläne zu rechtfertigen. Die von Rußland her für den
Sommer erwarteten schweren Ereignisse steigerten ihren Trieb, "bereit zu sein".
Bei ihnen hatte sich zur gleichen Zeit, wie fast in der ganzen Bevölkerung, das
Ansehen der Regierung stark vermindert, als diese sich trotz der wochenlangen
Ärgernisse des Erzberger-Prozesses bis zum 12. März nicht dazu aufraffen
konnte, das Kabinett von diesem anrüchig gewordenen Negierungsmitglied zu
säubern.

Die Unruhe bei einigen der in der Nähe Berlins einquartierten, außer¬
halb der Reichswehr stehenden Truppenverbänden wurde durch einen Konflikt
Zwischen Reichswehrminister Roste und General von Lüttwitz gesteigert. Dieser
Konflikt bildet den Anfang des Kavpschen Abenteuers; er reifte den Entschluß
Zum Pulses. Die Marincbrigade Ehrhardt war die Elitetruppe unserer der¬
zeitigen Wehrmacht. Sie bestand zu etwa einem Drittel aus Marineangehörigen,
und war zu zwei Dritteln aus Truppenbcständen des Landheeres aufgefüllt.
Die Frage ihrer Auflösung hatte schon längere Zeit hindurch die Behörden
beschäftigt. Es schien anaesichts der vom Ostbolschewismus drohenden Gefahr
bedenklich, diese verläßlichste Kerntruppe aufzulösen. Unter dem Druck der
Entente aber, welche verlangte, daß die Marinebrigade bis zum 10. März
aufgelöst werden müßte, befahl am 28. Februar Wehrminister Roste die
Überführung ihres Personals in Reichswehr und Marine. Dieser Befehl er-
regte bei den Betroffenen Empörung, da ihnen vorher ein Zusammenbleiben
bis Ende Mai verheißen morden war. Am 1. März sagte General von Lütt-
Witz bei einer Parade in Döberitz der Brigade zu. daß sie nicht aufgelöst
werden sollte.

Bis zum 10. März erschien die Lage äußerlich harmlos mit Ausnahme dieser
ungeklärten Spannung zwischen Roste und Lüttwitz. Zwischen dem 1. und
10. März aber müssen Kapp, Pabst und ihr Kreis den Entschluß zu einem


Das Rappsche Abenteuer

deutschen Staates einigermaßen wieder hergestellt wird. Dagegen fuhr den
Franzosen und Polen, wie die Ereignisse der „weißen Woche" gelehrt haben,
der Schreck vor der Neuaufrichtung eines militaristischen deutschen Reiches ge¬
waltig in die Glieder. Erleichtert über den raschen Sieg der Demokratie be¬
nutzten diese beiden festländischen Nachbarvölker den Dummenjungenstreich des
U5. März als erwünschten Beleg für die Gewalttätigkeit und Gefährlichkeit
des deutschen „Militarismus".

Wie es bei derartigen Plänen zu geschehen pflegt, wurde den Ver¬
schwörern der Zeitpunkt und die Art des Losbrechens durch den Eintritt sie
selbst überraschender äußerer Anlässe aus der Hand genommen. Infolge
der uns durch den Friedensvertrag auferlegten Verkleinerung des Heeres waren
Zahlreiche Unklarheiten und Befürchtungen bei den aufzulösenden Formationen
Md den zu entlassenden Offizieren verbreitet.

Die verfassungswidrige Verzögerung der Neumahlen durch die Regierung
gab den Aktivisten in der „nationalen Vereinigung" einen bedauerlichen Ur¬
ias;, ihre eigenen Pläne zu rechtfertigen. Die von Rußland her für den
Sommer erwarteten schweren Ereignisse steigerten ihren Trieb, „bereit zu sein".
Bei ihnen hatte sich zur gleichen Zeit, wie fast in der ganzen Bevölkerung, das
Ansehen der Regierung stark vermindert, als diese sich trotz der wochenlangen
Ärgernisse des Erzberger-Prozesses bis zum 12. März nicht dazu aufraffen
konnte, das Kabinett von diesem anrüchig gewordenen Negierungsmitglied zu
säubern.

Die Unruhe bei einigen der in der Nähe Berlins einquartierten, außer¬
halb der Reichswehr stehenden Truppenverbänden wurde durch einen Konflikt
Zwischen Reichswehrminister Roste und General von Lüttwitz gesteigert. Dieser
Konflikt bildet den Anfang des Kavpschen Abenteuers; er reifte den Entschluß
Zum Pulses. Die Marincbrigade Ehrhardt war die Elitetruppe unserer der¬
zeitigen Wehrmacht. Sie bestand zu etwa einem Drittel aus Marineangehörigen,
und war zu zwei Dritteln aus Truppenbcständen des Landheeres aufgefüllt.
Die Frage ihrer Auflösung hatte schon längere Zeit hindurch die Behörden
beschäftigt. Es schien anaesichts der vom Ostbolschewismus drohenden Gefahr
bedenklich, diese verläßlichste Kerntruppe aufzulösen. Unter dem Druck der
Entente aber, welche verlangte, daß die Marinebrigade bis zum 10. März
aufgelöst werden müßte, befahl am 28. Februar Wehrminister Roste die
Überführung ihres Personals in Reichswehr und Marine. Dieser Befehl er-
regte bei den Betroffenen Empörung, da ihnen vorher ein Zusammenbleiben
bis Ende Mai verheißen morden war. Am 1. März sagte General von Lütt-
Witz bei einer Parade in Döberitz der Brigade zu. daß sie nicht aufgelöst
werden sollte.

Bis zum 10. März erschien die Lage äußerlich harmlos mit Ausnahme dieser
ungeklärten Spannung zwischen Roste und Lüttwitz. Zwischen dem 1. und
10. März aber müssen Kapp, Pabst und ihr Kreis den Entschluß zu einem


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[0335] Das Rappsche Abenteuer deutschen Staates einigermaßen wieder hergestellt wird. Dagegen fuhr den Franzosen und Polen, wie die Ereignisse der „weißen Woche" gelehrt haben, der Schreck vor der Neuaufrichtung eines militaristischen deutschen Reiches ge¬ waltig in die Glieder. Erleichtert über den raschen Sieg der Demokratie be¬ nutzten diese beiden festländischen Nachbarvölker den Dummenjungenstreich des U5. März als erwünschten Beleg für die Gewalttätigkeit und Gefährlichkeit des deutschen „Militarismus". Wie es bei derartigen Plänen zu geschehen pflegt, wurde den Ver¬ schwörern der Zeitpunkt und die Art des Losbrechens durch den Eintritt sie selbst überraschender äußerer Anlässe aus der Hand genommen. Infolge der uns durch den Friedensvertrag auferlegten Verkleinerung des Heeres waren Zahlreiche Unklarheiten und Befürchtungen bei den aufzulösenden Formationen Md den zu entlassenden Offizieren verbreitet. Die verfassungswidrige Verzögerung der Neumahlen durch die Regierung gab den Aktivisten in der „nationalen Vereinigung" einen bedauerlichen Ur¬ ias;, ihre eigenen Pläne zu rechtfertigen. Die von Rußland her für den Sommer erwarteten schweren Ereignisse steigerten ihren Trieb, „bereit zu sein". Bei ihnen hatte sich zur gleichen Zeit, wie fast in der ganzen Bevölkerung, das Ansehen der Regierung stark vermindert, als diese sich trotz der wochenlangen Ärgernisse des Erzberger-Prozesses bis zum 12. März nicht dazu aufraffen konnte, das Kabinett von diesem anrüchig gewordenen Negierungsmitglied zu säubern. Die Unruhe bei einigen der in der Nähe Berlins einquartierten, außer¬ halb der Reichswehr stehenden Truppenverbänden wurde durch einen Konflikt Zwischen Reichswehrminister Roste und General von Lüttwitz gesteigert. Dieser Konflikt bildet den Anfang des Kavpschen Abenteuers; er reifte den Entschluß Zum Pulses. Die Marincbrigade Ehrhardt war die Elitetruppe unserer der¬ zeitigen Wehrmacht. Sie bestand zu etwa einem Drittel aus Marineangehörigen, und war zu zwei Dritteln aus Truppenbcständen des Landheeres aufgefüllt. Die Frage ihrer Auflösung hatte schon längere Zeit hindurch die Behörden beschäftigt. Es schien anaesichts der vom Ostbolschewismus drohenden Gefahr bedenklich, diese verläßlichste Kerntruppe aufzulösen. Unter dem Druck der Entente aber, welche verlangte, daß die Marinebrigade bis zum 10. März aufgelöst werden müßte, befahl am 28. Februar Wehrminister Roste die Überführung ihres Personals in Reichswehr und Marine. Dieser Befehl er- regte bei den Betroffenen Empörung, da ihnen vorher ein Zusammenbleiben bis Ende Mai verheißen morden war. Am 1. März sagte General von Lütt- Witz bei einer Parade in Döberitz der Brigade zu. daß sie nicht aufgelöst werden sollte. Bis zum 10. März erschien die Lage äußerlich harmlos mit Ausnahme dieser ungeklärten Spannung zwischen Roste und Lüttwitz. Zwischen dem 1. und 10. März aber müssen Kapp, Pabst und ihr Kreis den Entschluß zu einem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/335>, abgerufen am 22.12.2024.