Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.Ursache und Wirkung finden gewußt. Neben der "Zraes 6s vieu" stand die "vvlontö an psupls". Ursache und Wirkung finden gewußt. Neben der „Zraes 6s vieu" stand die „vvlontö an psupls". <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0306" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337151"/> <fw type="header" place="top"> Ursache und Wirkung</fw><lb/> <p xml:id="ID_2233" prev="#ID_2232" next="#ID_2234"> finden gewußt. Neben der „Zraes 6s vieu" stand die „vvlontö an psupls".<lb/> Beide Länder habeir in den letzten Jahrzehnten ihre äußere Macht ohne wesent¬<lb/> lichen Widerstand gewaltig zu mehren verstanden, sie haben skrupellos und glücklich<lb/> erobert und ungeheure Gebiete und Rohstoffmöglichkeiten erworben. Die Sonne<lb/> politischer und wirtschaftlicher Erfolge verklärt diese Demokratien. Und als die<lb/> innere Entwicklung Englands auch diese alte Aristokratie — oder Oligarchie, wie<lb/> man will — zwang, hin und wieder demokratische Allüren anzunehmen, da stand<lb/> für weite Kreise Deutschlands der Satz vom vorbildlichen Wert dieser Formen<lb/> fest. Als der Umsturz kam, da schrie man bis weit in die Kreise früher rechts¬<lb/> stehender Intellektueller hinein uach demokratischen Formen westlicher Prägung,<lb/> nach einem anderen Ausleseprozeß für die Führer, und wie die vielen Dinge<lb/> heißen, die man in den siegreichen, seit Jahrzehnten von der Gunst des Schicksals<lb/> getragenen Demokratien ohne weiteres als vorhanden zu unterstellen für gut<lb/> fand. Man vergaß die alte Weisheit, daß sich eines nicht für alle schickt. Man<lb/> übersah, daß die westlichen Demokratien inzwischen viele rein deutsche Sonder¬<lb/> vorzüge hinübergenommen und während des Krieges unsern alten Zuständen sich<lb/> rascher angenähert hatten, als wir uns von ihnen zu entfernen bestrebt waren,<lb/> ganz zu schweigen von der kindlichen Vorstellung, daß die gemeinsame demo¬<lb/> kratische Verfassung irgend welche außenpolitische Bedeutung in dem Sinne habe,<lb/> als ob sie die Verständigung zweier Staaten erleichtere. Wir sind so zu der<lb/> „freiest en" Verfassung der Welt gekommen, in einem Augenblick, in dem<lb/> unsere Wirtschaft das unmittelbare Gegenteil der wirtschaftlichen Zustände dar¬<lb/> stellt, aus denen in den westlichen Staaten ihrer Zeit die Demokratie erwuchs.<lb/> Bei uns stehen die rein wirtschaftlichen Nachfragen der Produktion und ihres<lb/> Wiederaufbaues derart im Vordergründe, daß neben ihnen alles andere zunächst<lb/> zurücktritt. Ein Volk, das nicht weiß, ob es ohne wesentliche Einbuße an Lebens¬<lb/> kraft im Sommer noch besteht, hat für die parlamentarische Parole von dein<lb/> „Feind, der rechts steht," nicht mehr die nötige Würdigung. Es ist schwer er¬<lb/> träglich, den Erörterungen über formalpolitische Fragen Zeit widmen zu müssen,<lb/> und man muß denen beiireten, die immer wieder auf die „geistige Unterbilanz"<lb/> der Revolution hinweisen und die „EntPolitisierung der Wirtschaft" durch den<lb/> Aufbau einer Unternehmer und Arbeiter gleichmäßig erfassender Wirtschaftsorgani¬<lb/> sation fordern. Schon im alten Staat war, wie ein geistreicher Sozialist einmal schrieb,<lb/> mehr das Berliner Tageblatt der Feind des aufbauenden Svzicilismus als der Kaiser.<lb/> Gelingt es unseren westlich denkenden Demokraten nicht bald, den Anschluß an die<lb/> großen, das Innerste des Volkes aufwühlenden Kräfte zu finden, verarbeiten sie<lb/> nicht bald den Gedanken der gebundenen Wirtschaft und der organischen Ein¬<lb/> gliederung der Arbeiterschaft in den Produktionsprozeß, so kann die Erkenntnis,<lb/> daß die „demokratische Freiheit" für die weitesten Kreise unseres Volkes ein Witz<lb/> von gestern ist, sich in Formen auswirken, die der Demokratie nicht sehr zuträg¬<lb/> lich sind. So sicher die Begriffe der Freiheit und Gleichheit in Amerika als<lb/> richtige Formeln für harterkümpfte Zustände gelten konnten, so wenig genügen<lb/> sie allein jetzt mehr. Am Ausgang des 18. Jahrhunderts bedeutete in Frankreich<lb/> die Befreiung von uralten Bindungen allerdings eine mächtige Förderung der<lb/> landwirtschaftlichen und damit der gesamten Entwicklung. Man muß sich klar<lb/> zu machen versuchen, was es voraussetzte und was es bedeutete, wenn Se. Just,<lb/> der Freund Robespierres, allen Ernstes verkünden konnte, der Franzose sei</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0306]
Ursache und Wirkung
finden gewußt. Neben der „Zraes 6s vieu" stand die „vvlontö an psupls".
Beide Länder habeir in den letzten Jahrzehnten ihre äußere Macht ohne wesent¬
lichen Widerstand gewaltig zu mehren verstanden, sie haben skrupellos und glücklich
erobert und ungeheure Gebiete und Rohstoffmöglichkeiten erworben. Die Sonne
politischer und wirtschaftlicher Erfolge verklärt diese Demokratien. Und als die
innere Entwicklung Englands auch diese alte Aristokratie — oder Oligarchie, wie
man will — zwang, hin und wieder demokratische Allüren anzunehmen, da stand
für weite Kreise Deutschlands der Satz vom vorbildlichen Wert dieser Formen
fest. Als der Umsturz kam, da schrie man bis weit in die Kreise früher rechts¬
stehender Intellektueller hinein uach demokratischen Formen westlicher Prägung,
nach einem anderen Ausleseprozeß für die Führer, und wie die vielen Dinge
heißen, die man in den siegreichen, seit Jahrzehnten von der Gunst des Schicksals
getragenen Demokratien ohne weiteres als vorhanden zu unterstellen für gut
fand. Man vergaß die alte Weisheit, daß sich eines nicht für alle schickt. Man
übersah, daß die westlichen Demokratien inzwischen viele rein deutsche Sonder¬
vorzüge hinübergenommen und während des Krieges unsern alten Zuständen sich
rascher angenähert hatten, als wir uns von ihnen zu entfernen bestrebt waren,
ganz zu schweigen von der kindlichen Vorstellung, daß die gemeinsame demo¬
kratische Verfassung irgend welche außenpolitische Bedeutung in dem Sinne habe,
als ob sie die Verständigung zweier Staaten erleichtere. Wir sind so zu der
„freiest en" Verfassung der Welt gekommen, in einem Augenblick, in dem
unsere Wirtschaft das unmittelbare Gegenteil der wirtschaftlichen Zustände dar¬
stellt, aus denen in den westlichen Staaten ihrer Zeit die Demokratie erwuchs.
Bei uns stehen die rein wirtschaftlichen Nachfragen der Produktion und ihres
Wiederaufbaues derart im Vordergründe, daß neben ihnen alles andere zunächst
zurücktritt. Ein Volk, das nicht weiß, ob es ohne wesentliche Einbuße an Lebens¬
kraft im Sommer noch besteht, hat für die parlamentarische Parole von dein
„Feind, der rechts steht," nicht mehr die nötige Würdigung. Es ist schwer er¬
träglich, den Erörterungen über formalpolitische Fragen Zeit widmen zu müssen,
und man muß denen beiireten, die immer wieder auf die „geistige Unterbilanz"
der Revolution hinweisen und die „EntPolitisierung der Wirtschaft" durch den
Aufbau einer Unternehmer und Arbeiter gleichmäßig erfassender Wirtschaftsorgani¬
sation fordern. Schon im alten Staat war, wie ein geistreicher Sozialist einmal schrieb,
mehr das Berliner Tageblatt der Feind des aufbauenden Svzicilismus als der Kaiser.
Gelingt es unseren westlich denkenden Demokraten nicht bald, den Anschluß an die
großen, das Innerste des Volkes aufwühlenden Kräfte zu finden, verarbeiten sie
nicht bald den Gedanken der gebundenen Wirtschaft und der organischen Ein¬
gliederung der Arbeiterschaft in den Produktionsprozeß, so kann die Erkenntnis,
daß die „demokratische Freiheit" für die weitesten Kreise unseres Volkes ein Witz
von gestern ist, sich in Formen auswirken, die der Demokratie nicht sehr zuträg¬
lich sind. So sicher die Begriffe der Freiheit und Gleichheit in Amerika als
richtige Formeln für harterkümpfte Zustände gelten konnten, so wenig genügen
sie allein jetzt mehr. Am Ausgang des 18. Jahrhunderts bedeutete in Frankreich
die Befreiung von uralten Bindungen allerdings eine mächtige Förderung der
landwirtschaftlichen und damit der gesamten Entwicklung. Man muß sich klar
zu machen versuchen, was es voraussetzte und was es bedeutete, wenn Se. Just,
der Freund Robespierres, allen Ernstes verkünden konnte, der Franzose sei
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