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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Finanzbolschewismus
Februar: Duma 0.34-0.38 Mk.
Zar 0.78-1,08 Mk.

Die Gründe für den jähen "Kurs"stürz nach Inkrafttreten des Sperrgesetzes
liegen auf der Hand; sie bedürfen keiner Erörterung.

Vom Standpunkte aller westländischen Finanzwirtschaften indessen ist das
sichere, man möchte hier sagen: folgerichtige Ansteigen der Kurse von vitaler
Bedeutung. Ende Januar 1920 notierte der Zarrubel in New Avr! gegenüber
einem Reichsmarkkurs von 1--l^/s Cents: 4--4^ Cents, das heißt, man gab in
amerikanischen Börsenkreisen für die Noten einer nicht mehr bestehenden Negierung,
die im Ursprungslande nahezu wertlos sind, das Dreifache des Betrages, den
man für die Geldzeichen eines Landes gibt, in welchem eine "geordnete" Finanz- '
wirtschaft besteht und in welchem die Mark etwa die 60 fache Kaufkraft des
russischen Geldes gemessen an russischen Verhältnissen besitzt.

Hier handelt es sich durchaus nicht um "Börsenphänomene". Die Tatsache,
daß in Amerika der Zarrubel den dreifachen Markwert hat, könnte gedeutet
werden als die Höhereinschätzung des kommenden russischen, gegenüber dem
jetzigen deutschen Auslandkredit, -- eine Deutung, die sich aus der realen
Fundiemug des russischen Kredits (Bodenschätze, Rohstoffland. Absatzgebiet aller
Wcstländer) gegenüber der nur idealen Fundierung des deutschen, das heißt eines
auf Arbeitslust und Arbeitskraft seiner Volksgemeinschaft angewiesenen, halten
läßt. Wir meinen, daß diese Spekulation für die Wertnotierung mitbestimmend
ist. Ausschlaggebend ist jedoch folgender Tatsachenkomplex: Der unkontrollierte
>ob unkontrollierbare Umlauf bedeutender landfremder Zahlungsmittel (Rubel) inner-
halb der eigenen Finanzhoheitsgrenzen des Deutschen Reiches drückt auf den
Börsenkurs der Mark und schädigt die deutsche (fraglos auch jede fremde) Valuta,
le mehr der Umlauf und die Einfuhr von Rubeln im Reichsgebiet den West-
ländern bekannt wird. Dieser Zar- und Dumanotenhandel innerhalb der deutschen
Reichsgrenzen ist nun aber den Westländern nicht nur genau bekannt. Er bietet
ihnen auch den in Rußland für westländische Nubelaufkäufer verschlossenen Markt.
Denn als verschlossen muß dieser bezeichnet werden, weil nach russisch - bolsche¬
wistischer Fühlung der Ententeaufkäufer aus kapitalistischen Interesse auftritt.
Die Verbrauchs--- oder vorläufig richtiger -- die erhofften Stapelflellen dieses
Marktes sind vor längerer Zeit schon in Paris erkennbar geworden, wo Puiilow,
Kokowzew, Kamenko und Wyschnegradski 2 Konsortialbanken mit je 100 Millionen
Franks Vermögen für den ausgesprochenen Zweck rechtzeitigen Erwerbes russischer
Valuta begründet haben. Daß das beträchtliche Disagio zwischen Frank und
Rubel stark abhängend wirkt (von Rußland gesehen), und daß der Auflauf russischer
Zahlungsmittel mit französischer oder amerikanischer Währung schon jetzt, daS
heißt, bevor ein geordneter Handel zwischen Frankreich und Somjetrußland in
Frage kommt, den stärksten Anreiz zur Valutaspekulation bietet, bedarf keiner
Ausführung.

Nimmt man nunmehr hinzu, daß die Herrschaft der westländischen Koniroll-
kommissioncn in Deutschland unser Land außer Macht stellt, seine eigenen Gesetze
auf dem hier in Betracht kommenden Gebiet (Rubclsperrgesetz), jedwedem gegen-
über, also insbesondere auch gegenüber dem sakrosankten Kuriergepäck und den
exterritorialen Persönlichkeiten durchzuführen, so zeigt sich einerseits die absolute


Grenzboien I 1920 18
Finanzbolschewismus
Februar: Duma 0.34-0.38 Mk.
Zar 0.78-1,08 Mk.

Die Gründe für den jähen „Kurs"stürz nach Inkrafttreten des Sperrgesetzes
liegen auf der Hand; sie bedürfen keiner Erörterung.

Vom Standpunkte aller westländischen Finanzwirtschaften indessen ist das
sichere, man möchte hier sagen: folgerichtige Ansteigen der Kurse von vitaler
Bedeutung. Ende Januar 1920 notierte der Zarrubel in New Avr! gegenüber
einem Reichsmarkkurs von 1—l^/s Cents: 4—4^ Cents, das heißt, man gab in
amerikanischen Börsenkreisen für die Noten einer nicht mehr bestehenden Negierung,
die im Ursprungslande nahezu wertlos sind, das Dreifache des Betrages, den
man für die Geldzeichen eines Landes gibt, in welchem eine „geordnete" Finanz- '
wirtschaft besteht und in welchem die Mark etwa die 60 fache Kaufkraft des
russischen Geldes gemessen an russischen Verhältnissen besitzt.

Hier handelt es sich durchaus nicht um „Börsenphänomene". Die Tatsache,
daß in Amerika der Zarrubel den dreifachen Markwert hat, könnte gedeutet
werden als die Höhereinschätzung des kommenden russischen, gegenüber dem
jetzigen deutschen Auslandkredit, — eine Deutung, die sich aus der realen
Fundiemug des russischen Kredits (Bodenschätze, Rohstoffland. Absatzgebiet aller
Wcstländer) gegenüber der nur idealen Fundierung des deutschen, das heißt eines
auf Arbeitslust und Arbeitskraft seiner Volksgemeinschaft angewiesenen, halten
läßt. Wir meinen, daß diese Spekulation für die Wertnotierung mitbestimmend
ist. Ausschlaggebend ist jedoch folgender Tatsachenkomplex: Der unkontrollierte
>ob unkontrollierbare Umlauf bedeutender landfremder Zahlungsmittel (Rubel) inner-
halb der eigenen Finanzhoheitsgrenzen des Deutschen Reiches drückt auf den
Börsenkurs der Mark und schädigt die deutsche (fraglos auch jede fremde) Valuta,
le mehr der Umlauf und die Einfuhr von Rubeln im Reichsgebiet den West-
ländern bekannt wird. Dieser Zar- und Dumanotenhandel innerhalb der deutschen
Reichsgrenzen ist nun aber den Westländern nicht nur genau bekannt. Er bietet
ihnen auch den in Rußland für westländische Nubelaufkäufer verschlossenen Markt.
Denn als verschlossen muß dieser bezeichnet werden, weil nach russisch - bolsche¬
wistischer Fühlung der Ententeaufkäufer aus kapitalistischen Interesse auftritt.
Die Verbrauchs-— oder vorläufig richtiger — die erhofften Stapelflellen dieses
Marktes sind vor längerer Zeit schon in Paris erkennbar geworden, wo Puiilow,
Kokowzew, Kamenko und Wyschnegradski 2 Konsortialbanken mit je 100 Millionen
Franks Vermögen für den ausgesprochenen Zweck rechtzeitigen Erwerbes russischer
Valuta begründet haben. Daß das beträchtliche Disagio zwischen Frank und
Rubel stark abhängend wirkt (von Rußland gesehen), und daß der Auflauf russischer
Zahlungsmittel mit französischer oder amerikanischer Währung schon jetzt, daS
heißt, bevor ein geordneter Handel zwischen Frankreich und Somjetrußland in
Frage kommt, den stärksten Anreiz zur Valutaspekulation bietet, bedarf keiner
Ausführung.

Nimmt man nunmehr hinzu, daß die Herrschaft der westländischen Koniroll-
kommissioncn in Deutschland unser Land außer Macht stellt, seine eigenen Gesetze
auf dem hier in Betracht kommenden Gebiet (Rubclsperrgesetz), jedwedem gegen-
über, also insbesondere auch gegenüber dem sakrosankten Kuriergepäck und den
exterritorialen Persönlichkeiten durchzuführen, so zeigt sich einerseits die absolute


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[0279] Finanzbolschewismus Februar: Duma 0.34-0.38 Mk. Zar 0.78-1,08 Mk. Die Gründe für den jähen „Kurs"stürz nach Inkrafttreten des Sperrgesetzes liegen auf der Hand; sie bedürfen keiner Erörterung. Vom Standpunkte aller westländischen Finanzwirtschaften indessen ist das sichere, man möchte hier sagen: folgerichtige Ansteigen der Kurse von vitaler Bedeutung. Ende Januar 1920 notierte der Zarrubel in New Avr! gegenüber einem Reichsmarkkurs von 1—l^/s Cents: 4—4^ Cents, das heißt, man gab in amerikanischen Börsenkreisen für die Noten einer nicht mehr bestehenden Negierung, die im Ursprungslande nahezu wertlos sind, das Dreifache des Betrages, den man für die Geldzeichen eines Landes gibt, in welchem eine „geordnete" Finanz- ' wirtschaft besteht und in welchem die Mark etwa die 60 fache Kaufkraft des russischen Geldes gemessen an russischen Verhältnissen besitzt. Hier handelt es sich durchaus nicht um „Börsenphänomene". Die Tatsache, daß in Amerika der Zarrubel den dreifachen Markwert hat, könnte gedeutet werden als die Höhereinschätzung des kommenden russischen, gegenüber dem jetzigen deutschen Auslandkredit, — eine Deutung, die sich aus der realen Fundiemug des russischen Kredits (Bodenschätze, Rohstoffland. Absatzgebiet aller Wcstländer) gegenüber der nur idealen Fundierung des deutschen, das heißt eines auf Arbeitslust und Arbeitskraft seiner Volksgemeinschaft angewiesenen, halten läßt. Wir meinen, daß diese Spekulation für die Wertnotierung mitbestimmend ist. Ausschlaggebend ist jedoch folgender Tatsachenkomplex: Der unkontrollierte >ob unkontrollierbare Umlauf bedeutender landfremder Zahlungsmittel (Rubel) inner- halb der eigenen Finanzhoheitsgrenzen des Deutschen Reiches drückt auf den Börsenkurs der Mark und schädigt die deutsche (fraglos auch jede fremde) Valuta, le mehr der Umlauf und die Einfuhr von Rubeln im Reichsgebiet den West- ländern bekannt wird. Dieser Zar- und Dumanotenhandel innerhalb der deutschen Reichsgrenzen ist nun aber den Westländern nicht nur genau bekannt. Er bietet ihnen auch den in Rußland für westländische Nubelaufkäufer verschlossenen Markt. Denn als verschlossen muß dieser bezeichnet werden, weil nach russisch - bolsche¬ wistischer Fühlung der Ententeaufkäufer aus kapitalistischen Interesse auftritt. Die Verbrauchs-— oder vorläufig richtiger — die erhofften Stapelflellen dieses Marktes sind vor längerer Zeit schon in Paris erkennbar geworden, wo Puiilow, Kokowzew, Kamenko und Wyschnegradski 2 Konsortialbanken mit je 100 Millionen Franks Vermögen für den ausgesprochenen Zweck rechtzeitigen Erwerbes russischer Valuta begründet haben. Daß das beträchtliche Disagio zwischen Frank und Rubel stark abhängend wirkt (von Rußland gesehen), und daß der Auflauf russischer Zahlungsmittel mit französischer oder amerikanischer Währung schon jetzt, daS heißt, bevor ein geordneter Handel zwischen Frankreich und Somjetrußland in Frage kommt, den stärksten Anreiz zur Valutaspekulation bietet, bedarf keiner Ausführung. Nimmt man nunmehr hinzu, daß die Herrschaft der westländischen Koniroll- kommissioncn in Deutschland unser Land außer Macht stellt, seine eigenen Gesetze auf dem hier in Betracht kommenden Gebiet (Rubclsperrgesetz), jedwedem gegen- über, also insbesondere auch gegenüber dem sakrosankten Kuriergepäck und den exterritorialen Persönlichkeiten durchzuführen, so zeigt sich einerseits die absolute Grenzboien I 1920 18

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/279>, abgerufen am 22.12.2024.