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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Lincmzbolschewismus

Parallele zu den deutschen Verhältnissen nach Brest-Litowsk und anderseits die
ganze und gewaltige Genialität des Planes, das Geld als Propagandamittel zu
verwenden.

Denn diese Propaganda stellt bewußte und unbewußte Helfer,
Wollende und Nichtwollende, Freunde und Feinde der Sowjets,
Materialisten und Idealisten, Händler und Helden, Rechner und
Phantasten gleichermaßen in ihren Dienst.

Sie wird in nicht zu ferner Zeit auch dem heute noch amtierenden Reichs¬
finanzminister die Augen öffnen und ihn klar sehen lassen, wie wenig die Aus¬
wahl mancher seiner Vertrauten im Interesse der deutschen Reichsfinanzen
gelegen hat.

Der Weg des Finanzbolschewismus ist der Umsatz von Rubeln in aller
Herren Ländern, das Ziel ist die Zersetzung der westindischen Ökonomien (Bank-
und Börsenwesen), die erste Etappe ist die Verlegung der finanz¬
politischen Westgrenze an den Rhein.

Rastlos arbeitet, unwissend wie die einzelne Ameise am Bau, ein Heer von
Valittaschiebern und kommt dem genialen Ziele des unsichtbaren Leiters immer
näher. Die Zwischenstadien lassen dem Egoisten aus Not und dem brutalen
Raffer ihre "Rechte".

Der vorläufig sachlich unbegründete Bedarf der Westländer an russischen
Zahlungsmitteln sorgt dafür, daß sowohl der in bitterster Not des deutschen Exils
lebende russische Bourgeois seine tiefgesunkenen Zar- und Dumawerte in die Höhe
spekuliert, wie anderseits, daß dem internationalen "Fachmann" in Dumping und
Valuten die Absatzmöglichkeit für seine russischen Werte durch Einwechslung in
"Germanski-Mark" und alle West- und neutralen Währungen nicht verloren
gehe. Der dritte im Bunde ist der Sowjetagent. Langsam, aber stetig rückt
dadurch Rußlands Geldmachtgrenze -- ohne Schwertstreich und Terror -- nach
dem Westen, an den Rhein.

Wie ist der praktische Vorgang?

^ Aus dem unbekannten Lande im Osten kommen nach Litauen, das diesem
Verfahren seit dem Abgang der Deutschen am ehesten und stärksten erlag (Polen
folgt ihm), Wagenladungen mit Zar- und Dumarubeln. Jedes Quantum ist
greifbar, und man wird annehmen dürfen, daß die nachfolgende Stelle aus einem
bei einem jüdischen Agenten beschlagnahmten Briefe die tatsächlichen Verhältnisse
nach jeder Richtung genau wiedergibt: "S. hat Beziehungen, jedoch ist es für
einen jüdischen Minister nicht ... zu bitten. Wenn er die Erlaubnis erhalten
würde, würde er nach Moskau fahren. Nur wenig Geld ist hierzu nötig. Zurück¬
gebracht werden ganze Waggons Zarengeld."

Gegenwert sind Salz, Saccharin, Salvarsan, Morphium und Kokain. Leder,
über Kowno, mag auch eine nicht unbedeutsame Rolle bei der Stärkung des
russischen Kampfheeres bilden. Am Grenzübergang nach Deutschland tut Be¬
stechung, die ja nach Lage der Dinge nicht zu sparen braucht, das ihrige, um die
Kontrolle der die Grenze überschreitenden Menschen und Güter illusorisch zu
machen. Wer nicht Eydtkuhnen wählt, tritt im Memelgebiet, in Oberschlesien, in
Danzig (von Neval) mit seinem Vorrat unangemeldeter Nubelscheino in das Gebiet
der deutschen Mark ein. Wer den Zollwächter ganz umgehen will, wühlt die


Lincmzbolschewismus

Parallele zu den deutschen Verhältnissen nach Brest-Litowsk und anderseits die
ganze und gewaltige Genialität des Planes, das Geld als Propagandamittel zu
verwenden.

Denn diese Propaganda stellt bewußte und unbewußte Helfer,
Wollende und Nichtwollende, Freunde und Feinde der Sowjets,
Materialisten und Idealisten, Händler und Helden, Rechner und
Phantasten gleichermaßen in ihren Dienst.

Sie wird in nicht zu ferner Zeit auch dem heute noch amtierenden Reichs¬
finanzminister die Augen öffnen und ihn klar sehen lassen, wie wenig die Aus¬
wahl mancher seiner Vertrauten im Interesse der deutschen Reichsfinanzen
gelegen hat.

Der Weg des Finanzbolschewismus ist der Umsatz von Rubeln in aller
Herren Ländern, das Ziel ist die Zersetzung der westindischen Ökonomien (Bank-
und Börsenwesen), die erste Etappe ist die Verlegung der finanz¬
politischen Westgrenze an den Rhein.

Rastlos arbeitet, unwissend wie die einzelne Ameise am Bau, ein Heer von
Valittaschiebern und kommt dem genialen Ziele des unsichtbaren Leiters immer
näher. Die Zwischenstadien lassen dem Egoisten aus Not und dem brutalen
Raffer ihre „Rechte".

Der vorläufig sachlich unbegründete Bedarf der Westländer an russischen
Zahlungsmitteln sorgt dafür, daß sowohl der in bitterster Not des deutschen Exils
lebende russische Bourgeois seine tiefgesunkenen Zar- und Dumawerte in die Höhe
spekuliert, wie anderseits, daß dem internationalen „Fachmann" in Dumping und
Valuten die Absatzmöglichkeit für seine russischen Werte durch Einwechslung in
„Germanski-Mark" und alle West- und neutralen Währungen nicht verloren
gehe. Der dritte im Bunde ist der Sowjetagent. Langsam, aber stetig rückt
dadurch Rußlands Geldmachtgrenze — ohne Schwertstreich und Terror — nach
dem Westen, an den Rhein.

Wie ist der praktische Vorgang?

^ Aus dem unbekannten Lande im Osten kommen nach Litauen, das diesem
Verfahren seit dem Abgang der Deutschen am ehesten und stärksten erlag (Polen
folgt ihm), Wagenladungen mit Zar- und Dumarubeln. Jedes Quantum ist
greifbar, und man wird annehmen dürfen, daß die nachfolgende Stelle aus einem
bei einem jüdischen Agenten beschlagnahmten Briefe die tatsächlichen Verhältnisse
nach jeder Richtung genau wiedergibt: „S. hat Beziehungen, jedoch ist es für
einen jüdischen Minister nicht ... zu bitten. Wenn er die Erlaubnis erhalten
würde, würde er nach Moskau fahren. Nur wenig Geld ist hierzu nötig. Zurück¬
gebracht werden ganze Waggons Zarengeld."

Gegenwert sind Salz, Saccharin, Salvarsan, Morphium und Kokain. Leder,
über Kowno, mag auch eine nicht unbedeutsame Rolle bei der Stärkung des
russischen Kampfheeres bilden. Am Grenzübergang nach Deutschland tut Be¬
stechung, die ja nach Lage der Dinge nicht zu sparen braucht, das ihrige, um die
Kontrolle der die Grenze überschreitenden Menschen und Güter illusorisch zu
machen. Wer nicht Eydtkuhnen wählt, tritt im Memelgebiet, in Oberschlesien, in
Danzig (von Neval) mit seinem Vorrat unangemeldeter Nubelscheino in das Gebiet
der deutschen Mark ein. Wer den Zollwächter ganz umgehen will, wühlt die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/280>, abgerufen am 01.09.2024.