Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.Der Arbeiter und die Maschine Teil seines Selbst empfinden muß und dann''erst wahrhaft beherrscht. Der Das aber berührt die Grundlagen der Arbeiterbildung und der Bildung Der Arbeiter und die Maschine Teil seines Selbst empfinden muß und dann''erst wahrhaft beherrscht. Der Das aber berührt die Grundlagen der Arbeiterbildung und der Bildung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0165" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337010"/> <fw type="header" place="top"> Der Arbeiter und die Maschine</fw><lb/> <p xml:id="ID_554" prev="#ID_553"> Teil seines Selbst empfinden muß und dann''erst wahrhaft beherrscht. Der<lb/> Ttiylonsmus ist nichts anderes als der krampfhafte Versuch des Kapitals, den<lb/> ihm durch die unumgänglichen Lohnerhöhungen entgehenden Gewinn auf andere<lb/> Weise auf Kosten des Arbeiters hereinzubringen und eine weitere Versklavung<lb/> des Arbeiters durch höheren Lohn unter dem Schlagwort der Produktionssteigerung<lb/> zu erkaufen. Diese Prvduktionssteigerung wird sich aber ohne Zwang und ohne<lb/> starre Mechanisierung des arbeitmderrMörpers dann einstellen, wenn der Arbeiter<lb/> die innere Beziehung zur Maschine gewinnt, auf Grund deren sein Kopf seine<lb/> Hand, und seine Hand den Gang der Maschine so regelt, daß die Harmonie<lb/> zwischen Arbeiter und Werkzeug hergestellt wird. DaS ist der innerliche, der<lb/> geistige Taylorismus an Stelle des ausgeklügelten mechanischen, von dem man<lb/> nun, als amerikanischer Heilsbotschaft, das Glück der Welt erwartet.</p><lb/> <p xml:id="ID_555" next="#ID_556"> Das aber berührt die Grundlagen der Arbeiterbildung und der Bildung<lb/> unserer Jugend überhaupt. Wir leben in einem technischen Zeitalter, in welchem<lb/> eine Erfindung die andere verdrängt, die uns verspricht, das Leben in irgend<lb/> einer Beziehung leichter und angenehmer zu machen. Statt dessen aber beherrscht<lb/> die Maschine uns, das heißt den Größten des Volkes, statt daß wir sie beherrschen;<lb/> die Mechanismen, die erfunden wurden, standen uns fremd und wesenlos gegen¬<lb/> über und wurden nur nach der Leistung geschätzt, die sich aus ihnen herausholen<lb/> ließ. Was in ihnen steckte, das kümmerte nur den Ingenieur, und diesen auch<lb/> nur insofern, als er mechanische Gesetze in der Maschine verkörpert sah. Daß<lb/> die Maschine eins unbewußte Hinausprvjizierung seines eigenen Selbst war,<lb/> berührte ihn nicht und lenkte nicht seinen Erfinderwillsn, der sonst vielleicht noch<lb/> zu ungleich höheren Leistungen befähigt worden wäre. Zu einem wirklichen Druck<lb/> aber wurde diese Unkenntnis, dieser Mangel an innerer Begehung zwischen Mensch<lb/> und Maschine, bei dem Arbeiter, und heute, wo der ökonomische Druck vom<lb/> Arbeiter genommen ist, ist es nur eine Bildungsfrage, damit auch der ethische<lb/> Druck, der ein als Druck empfundener ethischer Mang?! war, verschwinde. Es<lb/> ist eine Bildungsfrage, die rein formal an eine Vertiefung der Kenntnis des<lb/> eigenen menschlichen Körpers anknüpft, der ein Vorbild jedweder Maschine ist.<lb/> Es sei hier an dus Wort Virchows erinnert, das er anläßlich der Eröffnung<lb/> einer Naturforscherversammlung sprach: „Der gebildete Mensch soll nicht deshalb<lb/> allein seinen eigenen Leib kennen, weil solche Kenntnis zur Bildung gehört,<lb/> sondern vielmehr weil zuletzt die Borstellung, die man sich von sich selbst<lb/> wacht, die Grundlage für alles weitere Denken über den Menschen bildet."<lb/> Damit ist ein Kernpunkt des gesamten Bildungs- und Erziehungswesens<lb/> der Zukunft berührt, das nur dadurcti aus der seelenlosen Technisierung,<lb/> in welcher es sich heute befindet, gereitet und vergeistigt werden rann, daß<lb/> man die Technik in ihre naturgemäße Beziehung zu unserem körperlichen Sein<lb/> setzt und sie, die damit an ihre richtige Stelle im Zusammenhang des Ganzen<lb/> gestellt wird, vergeistigt. Heute ist das, was man die Bildung des ArbcÜcrs<lb/> nennen kann, rein technisch, er kennt die Räder und Bestandteile seiner<lb/> Maschine, weiß was sie leistet und wie sie zu behandeln ist, steht ihr aber als<lb/> Gesamtmechanismns fremd gegenüber, weil er ihre intimen, vom Erfinder und<lb/> Konstrukteur unbewußt seinem eigenen körperlichen Organismus gemäß gistalieien<lb/> Beziehungen zu eben diesem Organismus nicht kennt und deshalb die Maschine<lb/> auch nur mechanisch zu bedienen, statt sie geistig zu beherrschen vermag. Auf</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0165]
Der Arbeiter und die Maschine
Teil seines Selbst empfinden muß und dann''erst wahrhaft beherrscht. Der
Ttiylonsmus ist nichts anderes als der krampfhafte Versuch des Kapitals, den
ihm durch die unumgänglichen Lohnerhöhungen entgehenden Gewinn auf andere
Weise auf Kosten des Arbeiters hereinzubringen und eine weitere Versklavung
des Arbeiters durch höheren Lohn unter dem Schlagwort der Produktionssteigerung
zu erkaufen. Diese Prvduktionssteigerung wird sich aber ohne Zwang und ohne
starre Mechanisierung des arbeitmderrMörpers dann einstellen, wenn der Arbeiter
die innere Beziehung zur Maschine gewinnt, auf Grund deren sein Kopf seine
Hand, und seine Hand den Gang der Maschine so regelt, daß die Harmonie
zwischen Arbeiter und Werkzeug hergestellt wird. DaS ist der innerliche, der
geistige Taylorismus an Stelle des ausgeklügelten mechanischen, von dem man
nun, als amerikanischer Heilsbotschaft, das Glück der Welt erwartet.
Das aber berührt die Grundlagen der Arbeiterbildung und der Bildung
unserer Jugend überhaupt. Wir leben in einem technischen Zeitalter, in welchem
eine Erfindung die andere verdrängt, die uns verspricht, das Leben in irgend
einer Beziehung leichter und angenehmer zu machen. Statt dessen aber beherrscht
die Maschine uns, das heißt den Größten des Volkes, statt daß wir sie beherrschen;
die Mechanismen, die erfunden wurden, standen uns fremd und wesenlos gegen¬
über und wurden nur nach der Leistung geschätzt, die sich aus ihnen herausholen
ließ. Was in ihnen steckte, das kümmerte nur den Ingenieur, und diesen auch
nur insofern, als er mechanische Gesetze in der Maschine verkörpert sah. Daß
die Maschine eins unbewußte Hinausprvjizierung seines eigenen Selbst war,
berührte ihn nicht und lenkte nicht seinen Erfinderwillsn, der sonst vielleicht noch
zu ungleich höheren Leistungen befähigt worden wäre. Zu einem wirklichen Druck
aber wurde diese Unkenntnis, dieser Mangel an innerer Begehung zwischen Mensch
und Maschine, bei dem Arbeiter, und heute, wo der ökonomische Druck vom
Arbeiter genommen ist, ist es nur eine Bildungsfrage, damit auch der ethische
Druck, der ein als Druck empfundener ethischer Mang?! war, verschwinde. Es
ist eine Bildungsfrage, die rein formal an eine Vertiefung der Kenntnis des
eigenen menschlichen Körpers anknüpft, der ein Vorbild jedweder Maschine ist.
Es sei hier an dus Wort Virchows erinnert, das er anläßlich der Eröffnung
einer Naturforscherversammlung sprach: „Der gebildete Mensch soll nicht deshalb
allein seinen eigenen Leib kennen, weil solche Kenntnis zur Bildung gehört,
sondern vielmehr weil zuletzt die Borstellung, die man sich von sich selbst
wacht, die Grundlage für alles weitere Denken über den Menschen bildet."
Damit ist ein Kernpunkt des gesamten Bildungs- und Erziehungswesens
der Zukunft berührt, das nur dadurcti aus der seelenlosen Technisierung,
in welcher es sich heute befindet, gereitet und vergeistigt werden rann, daß
man die Technik in ihre naturgemäße Beziehung zu unserem körperlichen Sein
setzt und sie, die damit an ihre richtige Stelle im Zusammenhang des Ganzen
gestellt wird, vergeistigt. Heute ist das, was man die Bildung des ArbcÜcrs
nennen kann, rein technisch, er kennt die Räder und Bestandteile seiner
Maschine, weiß was sie leistet und wie sie zu behandeln ist, steht ihr aber als
Gesamtmechanismns fremd gegenüber, weil er ihre intimen, vom Erfinder und
Konstrukteur unbewußt seinem eigenen körperlichen Organismus gemäß gistalieien
Beziehungen zu eben diesem Organismus nicht kennt und deshalb die Maschine
auch nur mechanisch zu bedienen, statt sie geistig zu beherrschen vermag. Auf
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |