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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Die Auslandspropaganda Englands

Um den verjauchten Staat zu drainieren, wird es nicht genügen, die politische
Atmosphäre von all den Gestalten zu reinigen, die nur zu Objekten der Staats-
gewalt geboren sind, nie dessen Subjekte hätten werden dürfen. Die Meute des
Verbrechertums, die die Revolution durch ihre juristischen Amnestien und die
tatsächliche Amnestie staatlicher Anarchisierung von der Kette gelassen hat, muß
mit eiserner Faust wieder eingefangen werden. Das Beamtentum muß gesäubert
und wieder ehrlich gemacht werden. Der Wucher muß durch wirtschaftliche
Maßregeln geschäftlich ruiniert werden. Der Staat muß wieder so eingerichtet
werden, daß der Ehrliche leichter vorwärts kommt als der Schieber, daß der
Faulenzer hungert und der Arbeitende nicht für Sparsamkeit und Fleiß vom
Staat in Geldstrafe genommen wird.

Über die äußerpolitische Aufgabe des deutschen Diktators soll hinweggegangen
werden. Neben dem rein politischen bieten sich ihm zahllose lockende Ziele, -- Ziele,
wie sie schöner kein Herrscher haben kann, der ein glückliches mächtiges Reich
von seinen Vorfahren erbt. Wenn die Strecke Berlin--München von dem schnellsten,
pünktlichsten und saubersten Zuge Europas zurückgelegt wird, wenn deutsche
Weltanschauung das Verhältnis der Völker, deutscher Erfindungsgeist das Wirt¬
schaftsleben machtvoll umgestalten, wenn die deutsche Wissenschaft mit ihrem
Schaffen die Welt erobert, wird auch das Kostbarste wieder uns geschenkt werden:
das nationale Selbstgefühl, die Lust an der Arbeit, die Fähigkeit gerecht, zufrieden
und froh zu sein.

Ein Mann kann ein Volk nicht umgestalten, wenn seine Zeit nicht gekommen
ist. Er wäre ein Tor, wenn er vor dem 18. Brumaire, in das Chaos hinein¬
stolpern wollte, in dem noch Licht mit der Dunkelheit ringt. Er wäre kein
Diktator, wenn er seinen 9. November versäumte. Er wäre nicht der Diktator
von Deutschen, wenn sein Erscheinen nicht mit einem Jubel begrüßt würde, mit
dem nie noch ein hungerndes, dürstendes Volk sich seinem Retter mit Herz und
Hand ergeben hat.

Das Leben liebt wunderbares Spiel mit den Menschen. Eine wesentliche
Voraussetzung für das Auftreten eines Deutschen von Größe und Kraft werden
feindliches Ausland, Sozialisten und Überdemokraten geschaffen haben, die den
gestürzten Kaiser haßvoll wie Langgetäuschte demütigen und mit Hufen treten.




Die Auslandspropaganda Englands
Kaethe Miethe von

in Gesamtbild der englischen Propaganda ist nur zusammenzustellen
aus tausend kleinen Steinen, die täglich wechseln, zu denen täglich
neue kommen, von denen alte fortfallen, so daß sich das Bild wie
ein Kaleidoskop immer wieder andersfarbig und neu gestaltet
darbietet. Gleich bleibt nur der Eindruck einer auf Tradition und
sicheren Instinkten fußender Wirksamkeit, die nicht als ein selbständiger Faktor
gilt, die mit dem Charakter des Landes und dem Willen eines ganzen Volkes
steht und fällt. Die englische Propaganda ist ein lebender Organismus, Kind


Die Auslandspropaganda Englands

Um den verjauchten Staat zu drainieren, wird es nicht genügen, die politische
Atmosphäre von all den Gestalten zu reinigen, die nur zu Objekten der Staats-
gewalt geboren sind, nie dessen Subjekte hätten werden dürfen. Die Meute des
Verbrechertums, die die Revolution durch ihre juristischen Amnestien und die
tatsächliche Amnestie staatlicher Anarchisierung von der Kette gelassen hat, muß
mit eiserner Faust wieder eingefangen werden. Das Beamtentum muß gesäubert
und wieder ehrlich gemacht werden. Der Wucher muß durch wirtschaftliche
Maßregeln geschäftlich ruiniert werden. Der Staat muß wieder so eingerichtet
werden, daß der Ehrliche leichter vorwärts kommt als der Schieber, daß der
Faulenzer hungert und der Arbeitende nicht für Sparsamkeit und Fleiß vom
Staat in Geldstrafe genommen wird.

Über die äußerpolitische Aufgabe des deutschen Diktators soll hinweggegangen
werden. Neben dem rein politischen bieten sich ihm zahllose lockende Ziele, — Ziele,
wie sie schöner kein Herrscher haben kann, der ein glückliches mächtiges Reich
von seinen Vorfahren erbt. Wenn die Strecke Berlin—München von dem schnellsten,
pünktlichsten und saubersten Zuge Europas zurückgelegt wird, wenn deutsche
Weltanschauung das Verhältnis der Völker, deutscher Erfindungsgeist das Wirt¬
schaftsleben machtvoll umgestalten, wenn die deutsche Wissenschaft mit ihrem
Schaffen die Welt erobert, wird auch das Kostbarste wieder uns geschenkt werden:
das nationale Selbstgefühl, die Lust an der Arbeit, die Fähigkeit gerecht, zufrieden
und froh zu sein.

Ein Mann kann ein Volk nicht umgestalten, wenn seine Zeit nicht gekommen
ist. Er wäre ein Tor, wenn er vor dem 18. Brumaire, in das Chaos hinein¬
stolpern wollte, in dem noch Licht mit der Dunkelheit ringt. Er wäre kein
Diktator, wenn er seinen 9. November versäumte. Er wäre nicht der Diktator
von Deutschen, wenn sein Erscheinen nicht mit einem Jubel begrüßt würde, mit
dem nie noch ein hungerndes, dürstendes Volk sich seinem Retter mit Herz und
Hand ergeben hat.

Das Leben liebt wunderbares Spiel mit den Menschen. Eine wesentliche
Voraussetzung für das Auftreten eines Deutschen von Größe und Kraft werden
feindliches Ausland, Sozialisten und Überdemokraten geschaffen haben, die den
gestürzten Kaiser haßvoll wie Langgetäuschte demütigen und mit Hufen treten.




Die Auslandspropaganda Englands
Kaethe Miethe von

in Gesamtbild der englischen Propaganda ist nur zusammenzustellen
aus tausend kleinen Steinen, die täglich wechseln, zu denen täglich
neue kommen, von denen alte fortfallen, so daß sich das Bild wie
ein Kaleidoskop immer wieder andersfarbig und neu gestaltet
darbietet. Gleich bleibt nur der Eindruck einer auf Tradition und
sicheren Instinkten fußender Wirksamkeit, die nicht als ein selbständiger Faktor
gilt, die mit dem Charakter des Landes und dem Willen eines ganzen Volkes
steht und fällt. Die englische Propaganda ist ein lebender Organismus, Kind


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[0119] Die Auslandspropaganda Englands Um den verjauchten Staat zu drainieren, wird es nicht genügen, die politische Atmosphäre von all den Gestalten zu reinigen, die nur zu Objekten der Staats- gewalt geboren sind, nie dessen Subjekte hätten werden dürfen. Die Meute des Verbrechertums, die die Revolution durch ihre juristischen Amnestien und die tatsächliche Amnestie staatlicher Anarchisierung von der Kette gelassen hat, muß mit eiserner Faust wieder eingefangen werden. Das Beamtentum muß gesäubert und wieder ehrlich gemacht werden. Der Wucher muß durch wirtschaftliche Maßregeln geschäftlich ruiniert werden. Der Staat muß wieder so eingerichtet werden, daß der Ehrliche leichter vorwärts kommt als der Schieber, daß der Faulenzer hungert und der Arbeitende nicht für Sparsamkeit und Fleiß vom Staat in Geldstrafe genommen wird. Über die äußerpolitische Aufgabe des deutschen Diktators soll hinweggegangen werden. Neben dem rein politischen bieten sich ihm zahllose lockende Ziele, — Ziele, wie sie schöner kein Herrscher haben kann, der ein glückliches mächtiges Reich von seinen Vorfahren erbt. Wenn die Strecke Berlin—München von dem schnellsten, pünktlichsten und saubersten Zuge Europas zurückgelegt wird, wenn deutsche Weltanschauung das Verhältnis der Völker, deutscher Erfindungsgeist das Wirt¬ schaftsleben machtvoll umgestalten, wenn die deutsche Wissenschaft mit ihrem Schaffen die Welt erobert, wird auch das Kostbarste wieder uns geschenkt werden: das nationale Selbstgefühl, die Lust an der Arbeit, die Fähigkeit gerecht, zufrieden und froh zu sein. Ein Mann kann ein Volk nicht umgestalten, wenn seine Zeit nicht gekommen ist. Er wäre ein Tor, wenn er vor dem 18. Brumaire, in das Chaos hinein¬ stolpern wollte, in dem noch Licht mit der Dunkelheit ringt. Er wäre kein Diktator, wenn er seinen 9. November versäumte. Er wäre nicht der Diktator von Deutschen, wenn sein Erscheinen nicht mit einem Jubel begrüßt würde, mit dem nie noch ein hungerndes, dürstendes Volk sich seinem Retter mit Herz und Hand ergeben hat. Das Leben liebt wunderbares Spiel mit den Menschen. Eine wesentliche Voraussetzung für das Auftreten eines Deutschen von Größe und Kraft werden feindliches Ausland, Sozialisten und Überdemokraten geschaffen haben, die den gestürzten Kaiser haßvoll wie Langgetäuschte demütigen und mit Hufen treten. Die Auslandspropaganda Englands Kaethe Miethe von in Gesamtbild der englischen Propaganda ist nur zusammenzustellen aus tausend kleinen Steinen, die täglich wechseln, zu denen täglich neue kommen, von denen alte fortfallen, so daß sich das Bild wie ein Kaleidoskop immer wieder andersfarbig und neu gestaltet darbietet. Gleich bleibt nur der Eindruck einer auf Tradition und sicheren Instinkten fußender Wirksamkeit, die nicht als ein selbständiger Faktor gilt, die mit dem Charakter des Landes und dem Willen eines ganzen Volkes steht und fällt. Die englische Propaganda ist ein lebender Organismus, Kind

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/119>, abgerufen am 22.12.2024.