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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Fiume

was man will, es wird immer Fälle gehen, in denen beide Gegner es vorziehen
werden, statt ihre Sache vor einen unpersönlichen uninteressierten Gerichtshof zu
tragen, sie persönlich auszumachen und es ist eine Sache der Weltanschauung, ob
man die Entscheidung dabei den Waffen oder dem Würfelbecher überläßt, immer
aber wird dann diese, und nicht die überpersönliche Lösung als endgültig oder
maßgebend angesehen werden. Ob jemand, der seinen Nebenbuhler bei seiner
Geliebten überrascht, auf Scheidung klagt oder den Nebenbuhler totschlägt, ist eine
Frage des Temperaments und der Lebenskraft, aber auch im Leben der Völker
wird es immer Individuen geben, die den zweiten Weg wählen und so wenig
das Gericht derartige Vorkommmsse im Privatleben völlig unterbinden kann, so
wenig wird der Völkerbund imstande sein, Eigenmächtigkeiten in der Politik zu
verhindern. Das Recht ist nur ein, nicht das 'Mittel zum Leben.

Damit erscheint die Problematik des Fiumezwischenfall. der eigentlich schon
längst kein Zwischenfall mehr ist, voll aufgerollt, und es bleibt uus nur noch, das
konkrete Geschehen in kurzen Umrissen nachzuzeichnen, und die Lage zu übersehen.

Der Taibchand ist bekanntlich überaus verworren. Das adriatische zum
ausschließlich italienischen Meer zu machen, war das Kriegsziel der Italiener.
Auf der Friedenskonferenz präsentierten sie zur Erreichung dieses Zieles zwei
Rechtstitel: den Londoner Vertrag von 1915 und das Selbstbestimmungsrecht der
Völker. Auf Grund des ersteren beanspruchten sie alles wesentliche der adriatischen
Ostküste außer Fiume, auf Grund des zweiten Fiume selbst. Der Londoner
Vertrag war zwar mit England und Frankreich geschlossen, von Wilson aber nicht
anerkannt und damit, da laut Konferenzbeschluß, dem auch Italien unvorsichtiger-
weise zugestimmt hatte, alle Entscheidungen einstimmig gefaßt werden mußten,
hinfällig. Die Anwendung des Selbstbestimmungsreclsts auf Fiume schien strittig,
da die Italiener nur in der eigentlichen Stadt die unbestrittene Majorität haben,
die Vorstädte aber und das Hinterland ebenso unbestreitbar slawisch sind. Trotz¬
dem bestanden die Italiener, die offenbar nach dem Grundsatz: alles fordern, um
viel zu bekommen, handelten, unentwegt auf ihren Forderungen, Wilson um die
wirtschaftliche Zukunft der Südslawen sicher zu stellen, ebenso unentwegt auf
-peinlichster Durchführung des Selbstbestiinmungsre'edles, die eine überaus ver¬
wickelte staatsrechtliche Lage geschaffen hätte. Während der Verhandlungen hielten
es Orlando und Sonnino für klug, ihren Ansprüchen durch eine überaus lebhafte
Zeitungspropaganda mehr Gewicht zu verschaffen. Als es dann zur Entscheidung
kam, blieb ihnen, aus Rücksicht auf die voreilig aufgerufenen und nun nicht mehr
los zu werdenden nationalistischen Geister des Landes nichts anderes übrig, als
die Konferenz unter Protest z" verlassen. Wenn sie aber gedacht halten, die
Konferenz mit dieser Sezession zu sprengen oder zu nötigen und den Abschluß
des Friedens mit Deutschland unmöglich zu machen, weil ein Londoner Abkommen
den Sonderabschluß von Friedensverträgen verbot, so hatten sie sich verrechnet:
die Partner kehrten den Spieß um und erklärten, wenn Italien freiwillig aus¬
scheide, noch dazu in einer Sache, an der es nur mittelbares Interesse habe, so
sei das seine eigene Angelegenheit, ändere aber nichts an der Entscheidung
der Verbündeten. Italien sah sich isoliert und mußte klein beigeben. Tittoni
nahm die Verhandlungen wieder auf und Riedl erklärte sich für engstes
Politisches Einvernehmen mit den Westmächten. In den nächsten Wochen änderte
such die Lage insofern, als Italien zwar nicht sein neues politisches Ziel, den
Anschluß der österreichischen Republik an Deutschland, Wohl aber seine unmittel¬
baren Territorialansprüche gegen Osterreich durchsetzte. Dann folgte Wilsons
Abreise, der Friede mit Bulgarien und an einer Lösung der Adriafrage arbeiteten
die Kommissionen. Inzwischen aber hatten die Engländer sich in Osterreich und
Südslawien bedeutende wirtschaftliche Vorteile u. a. den größten Teil der Donau-
schiffahrtaktien gesichert, und Clemeneecru begann es angesichts der verworrenen Lage
M den Vereinigten Staaten, deren Senat den ganzen Friedensvertrag nebst dem
vündnisabkommen und mit letzterem alle militärischen Sicherheiten für Frankreich
w Frage stellte, schwül zu werden. Da der Friedensvertrag, um in Kraft treten zu


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Fiume

was man will, es wird immer Fälle gehen, in denen beide Gegner es vorziehen
werden, statt ihre Sache vor einen unpersönlichen uninteressierten Gerichtshof zu
tragen, sie persönlich auszumachen und es ist eine Sache der Weltanschauung, ob
man die Entscheidung dabei den Waffen oder dem Würfelbecher überläßt, immer
aber wird dann diese, und nicht die überpersönliche Lösung als endgültig oder
maßgebend angesehen werden. Ob jemand, der seinen Nebenbuhler bei seiner
Geliebten überrascht, auf Scheidung klagt oder den Nebenbuhler totschlägt, ist eine
Frage des Temperaments und der Lebenskraft, aber auch im Leben der Völker
wird es immer Individuen geben, die den zweiten Weg wählen und so wenig
das Gericht derartige Vorkommmsse im Privatleben völlig unterbinden kann, so
wenig wird der Völkerbund imstande sein, Eigenmächtigkeiten in der Politik zu
verhindern. Das Recht ist nur ein, nicht das 'Mittel zum Leben.

Damit erscheint die Problematik des Fiumezwischenfall. der eigentlich schon
längst kein Zwischenfall mehr ist, voll aufgerollt, und es bleibt uus nur noch, das
konkrete Geschehen in kurzen Umrissen nachzuzeichnen, und die Lage zu übersehen.

Der Taibchand ist bekanntlich überaus verworren. Das adriatische zum
ausschließlich italienischen Meer zu machen, war das Kriegsziel der Italiener.
Auf der Friedenskonferenz präsentierten sie zur Erreichung dieses Zieles zwei
Rechtstitel: den Londoner Vertrag von 1915 und das Selbstbestimmungsrecht der
Völker. Auf Grund des ersteren beanspruchten sie alles wesentliche der adriatischen
Ostküste außer Fiume, auf Grund des zweiten Fiume selbst. Der Londoner
Vertrag war zwar mit England und Frankreich geschlossen, von Wilson aber nicht
anerkannt und damit, da laut Konferenzbeschluß, dem auch Italien unvorsichtiger-
weise zugestimmt hatte, alle Entscheidungen einstimmig gefaßt werden mußten,
hinfällig. Die Anwendung des Selbstbestimmungsreclsts auf Fiume schien strittig,
da die Italiener nur in der eigentlichen Stadt die unbestrittene Majorität haben,
die Vorstädte aber und das Hinterland ebenso unbestreitbar slawisch sind. Trotz¬
dem bestanden die Italiener, die offenbar nach dem Grundsatz: alles fordern, um
viel zu bekommen, handelten, unentwegt auf ihren Forderungen, Wilson um die
wirtschaftliche Zukunft der Südslawen sicher zu stellen, ebenso unentwegt auf
-peinlichster Durchführung des Selbstbestiinmungsre'edles, die eine überaus ver¬
wickelte staatsrechtliche Lage geschaffen hätte. Während der Verhandlungen hielten
es Orlando und Sonnino für klug, ihren Ansprüchen durch eine überaus lebhafte
Zeitungspropaganda mehr Gewicht zu verschaffen. Als es dann zur Entscheidung
kam, blieb ihnen, aus Rücksicht auf die voreilig aufgerufenen und nun nicht mehr
los zu werdenden nationalistischen Geister des Landes nichts anderes übrig, als
die Konferenz unter Protest z« verlassen. Wenn sie aber gedacht halten, die
Konferenz mit dieser Sezession zu sprengen oder zu nötigen und den Abschluß
des Friedens mit Deutschland unmöglich zu machen, weil ein Londoner Abkommen
den Sonderabschluß von Friedensverträgen verbot, so hatten sie sich verrechnet:
die Partner kehrten den Spieß um und erklärten, wenn Italien freiwillig aus¬
scheide, noch dazu in einer Sache, an der es nur mittelbares Interesse habe, so
sei das seine eigene Angelegenheit, ändere aber nichts an der Entscheidung
der Verbündeten. Italien sah sich isoliert und mußte klein beigeben. Tittoni
nahm die Verhandlungen wieder auf und Riedl erklärte sich für engstes
Politisches Einvernehmen mit den Westmächten. In den nächsten Wochen änderte
such die Lage insofern, als Italien zwar nicht sein neues politisches Ziel, den
Anschluß der österreichischen Republik an Deutschland, Wohl aber seine unmittel¬
baren Territorialansprüche gegen Osterreich durchsetzte. Dann folgte Wilsons
Abreise, der Friede mit Bulgarien und an einer Lösung der Adriafrage arbeiteten
die Kommissionen. Inzwischen aber hatten die Engländer sich in Osterreich und
Südslawien bedeutende wirtschaftliche Vorteile u. a. den größten Teil der Donau-
schiffahrtaktien gesichert, und Clemeneecru begann es angesichts der verworrenen Lage
M den Vereinigten Staaten, deren Senat den ganzen Friedensvertrag nebst dem
vündnisabkommen und mit letzterem alle militärischen Sicherheiten für Frankreich
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[0075] Fiume was man will, es wird immer Fälle gehen, in denen beide Gegner es vorziehen werden, statt ihre Sache vor einen unpersönlichen uninteressierten Gerichtshof zu tragen, sie persönlich auszumachen und es ist eine Sache der Weltanschauung, ob man die Entscheidung dabei den Waffen oder dem Würfelbecher überläßt, immer aber wird dann diese, und nicht die überpersönliche Lösung als endgültig oder maßgebend angesehen werden. Ob jemand, der seinen Nebenbuhler bei seiner Geliebten überrascht, auf Scheidung klagt oder den Nebenbuhler totschlägt, ist eine Frage des Temperaments und der Lebenskraft, aber auch im Leben der Völker wird es immer Individuen geben, die den zweiten Weg wählen und so wenig das Gericht derartige Vorkommmsse im Privatleben völlig unterbinden kann, so wenig wird der Völkerbund imstande sein, Eigenmächtigkeiten in der Politik zu verhindern. Das Recht ist nur ein, nicht das 'Mittel zum Leben. Damit erscheint die Problematik des Fiumezwischenfall. der eigentlich schon längst kein Zwischenfall mehr ist, voll aufgerollt, und es bleibt uus nur noch, das konkrete Geschehen in kurzen Umrissen nachzuzeichnen, und die Lage zu übersehen. Der Taibchand ist bekanntlich überaus verworren. Das adriatische zum ausschließlich italienischen Meer zu machen, war das Kriegsziel der Italiener. Auf der Friedenskonferenz präsentierten sie zur Erreichung dieses Zieles zwei Rechtstitel: den Londoner Vertrag von 1915 und das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Auf Grund des ersteren beanspruchten sie alles wesentliche der adriatischen Ostküste außer Fiume, auf Grund des zweiten Fiume selbst. Der Londoner Vertrag war zwar mit England und Frankreich geschlossen, von Wilson aber nicht anerkannt und damit, da laut Konferenzbeschluß, dem auch Italien unvorsichtiger- weise zugestimmt hatte, alle Entscheidungen einstimmig gefaßt werden mußten, hinfällig. Die Anwendung des Selbstbestimmungsreclsts auf Fiume schien strittig, da die Italiener nur in der eigentlichen Stadt die unbestrittene Majorität haben, die Vorstädte aber und das Hinterland ebenso unbestreitbar slawisch sind. Trotz¬ dem bestanden die Italiener, die offenbar nach dem Grundsatz: alles fordern, um viel zu bekommen, handelten, unentwegt auf ihren Forderungen, Wilson um die wirtschaftliche Zukunft der Südslawen sicher zu stellen, ebenso unentwegt auf -peinlichster Durchführung des Selbstbestiinmungsre'edles, die eine überaus ver¬ wickelte staatsrechtliche Lage geschaffen hätte. Während der Verhandlungen hielten es Orlando und Sonnino für klug, ihren Ansprüchen durch eine überaus lebhafte Zeitungspropaganda mehr Gewicht zu verschaffen. Als es dann zur Entscheidung kam, blieb ihnen, aus Rücksicht auf die voreilig aufgerufenen und nun nicht mehr los zu werdenden nationalistischen Geister des Landes nichts anderes übrig, als die Konferenz unter Protest z« verlassen. Wenn sie aber gedacht halten, die Konferenz mit dieser Sezession zu sprengen oder zu nötigen und den Abschluß des Friedens mit Deutschland unmöglich zu machen, weil ein Londoner Abkommen den Sonderabschluß von Friedensverträgen verbot, so hatten sie sich verrechnet: die Partner kehrten den Spieß um und erklärten, wenn Italien freiwillig aus¬ scheide, noch dazu in einer Sache, an der es nur mittelbares Interesse habe, so sei das seine eigene Angelegenheit, ändere aber nichts an der Entscheidung der Verbündeten. Italien sah sich isoliert und mußte klein beigeben. Tittoni nahm die Verhandlungen wieder auf und Riedl erklärte sich für engstes Politisches Einvernehmen mit den Westmächten. In den nächsten Wochen änderte such die Lage insofern, als Italien zwar nicht sein neues politisches Ziel, den Anschluß der österreichischen Republik an Deutschland, Wohl aber seine unmittel¬ baren Territorialansprüche gegen Osterreich durchsetzte. Dann folgte Wilsons Abreise, der Friede mit Bulgarien und an einer Lösung der Adriafrage arbeiteten die Kommissionen. Inzwischen aber hatten die Engländer sich in Osterreich und Südslawien bedeutende wirtschaftliche Vorteile u. a. den größten Teil der Donau- schiffahrtaktien gesichert, und Clemeneecru begann es angesichts der verworrenen Lage M den Vereinigten Staaten, deren Senat den ganzen Friedensvertrag nebst dem vündnisabkommen und mit letzterem alle militärischen Sicherheiten für Frankreich w Frage stellte, schwül zu werden. Da der Friedensvertrag, um in Kraft treten zu «»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/75>, abgerufen am 15.01.2025.