Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Zum Betriebsrätegesetz andere Art der Vertretung geschaffen werden, der aber die gleichen Rechte hat, In der Betriebsversammlung, die aus den Arbeitnehmern des Betriebes Die Rechte, die der Betriebsversammlung zugebilligt werden, sind zu weit¬ Zum Betriebsrätegesetz andere Art der Vertretung geschaffen werden, der aber die gleichen Rechte hat, In der Betriebsversammlung, die aus den Arbeitnehmern des Betriebes Die Rechte, die der Betriebsversammlung zugebilligt werden, sind zu weit¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0064" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336354"/> <fw type="header" place="top"> Zum Betriebsrätegesetz</fw><lb/> <p xml:id="ID_203" prev="#ID_202"> andere Art der Vertretung geschaffen werden, der aber die gleichen Rechte hat,<lb/> die dem Betriebsrat zustehen. Die Sache liegt nun im Baugewerbe praktisch so,<lb/> daß nach der allgemeinen Verbindlichkeitserklärung die Baudelegierten als Arbeiter«<lb/> Vertretung zulässig sind. Solange aber diese Erklärung nicht ausgesprochen ist,<lb/> müssen Betriebsräte errichtet werden. Nach dem Beispiel des gegenwärtigen<lb/> Neichstarifvertrages müßten von April bis Oktober Betriebsräte errichtet werden<lb/> und im Winter, wenn die allgemeine Verbindlichkeit des Tarifvertrages endlich<lb/> ausgesprochen ist, der Baubetrieb aber stilliegt, würden Baudelegierte kommen.<lb/> Am 1. April 1920, nach Ablauf des Neichstarifvertrages, müßten wieder Betriebs¬<lb/> räte errichtet werden, nach vier bis sechs Monaten, wenn der neue Tarifvertrag<lb/> für allgemein verbindlich erklärt wird, würden wieder Baudelegierte zugelassen.<lb/> Nun steht noch gar nicht fest, ob überhaupt der Reichstarifvertrag für allgemein<lb/> verbindlich erklärt wird, die Gewerkschaften haben nämlich dagegen Widerspruch<lb/> erhoben. Sollte nun gewartet werden bis jeder einzelne Ortstarif für allgemein<lb/> verbindlich erklärt ist, so würde dies in einzelnen Fällen bis zum Ablauf der<lb/> Verträge dauern. Jeder Baubetrieb hätte dann für einen Teil seiner Baustellen<lb/> mit Baudelegierten, für einen andern Teil mit Betriebsräten zu rechnen. Es ist<lb/> sehr bedauerlich, daß für die Baubetriebe nicht die gleiche Ausnahme bewilligt<lb/> worden ist, wie für die Betriebe der See- und Binnenschiffahrt, d. h. die Arbeiter¬<lb/> vertretung durch besonderes Gesetz zu regeln. Jetzt ist aber mit Sicherheit vor¬<lb/> auszusehen, daß die einzelnen Baustellen bei der zufälligen Zusammensetzung der<lb/> Arbeiterschaft zum Tummelplatz einer unverantwortlichen Agitation werden, um<lb/> so mehr, als der Unternehmer weit auseinanderliegende Baustellen nicht gleich¬<lb/> zeitig selbst leiten kann, sondern hierzu Angestellte verwenden muß, die oft selbst<lb/> gewerkschaftlich organisiert sind. Dadurch wird eine dauernde Beunruhigung in<lb/> die Baubetriebe getragen, die Arbeitsleistung sinkt, das Bauen wird immer teurer<lb/> und zum Schaden der gesamten Volkswirtschaft immer mehr eingeschränkt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_204"> In der Betriebsversammlung, die aus den Arbeitnehmern des Betriebes<lb/> besteht und in der die Wahlberechtigten stimmberechtigt sind, bilden die Arbeiter<lb/> die Versammlungsgruppe der Arbeiter, die Angestellten die Versammlungsgruppe<lb/> der Angestellten. Kann nach der Natur des Betriebes eine gleichzeitige Ver¬<lb/> sammlung aller Arbeitnehmer nicht stattfinden, so hat die Abhaltung der Betriebs¬<lb/> versammlung in zwei Teilversammlungen zu erfolgen, .die nicht mehr als<lb/> 48 Stunden auseinanderliegen dürfen. Der Betriebsvbmcmn ist berechtigt und<lb/> auf Verlangen des Arbeitgebers oder auf Verlangen von mindestens einem Viertel<lb/> der wahlberechtigten Arbeitnehmer verpflichtet, eine Betriebsversammlung ein¬<lb/> zuberufen. Der Arbeitgeber hat das Recht, in den auf sein Verlangen statt¬<lb/> findenden Versammlungen zu erscheinen oder sich vertreten zu lassen und sich an<lb/> den Verhandlungen ohne Stimmrecht zu beteiligen. Der Betriebsversammlung,<lb/> die grundsätzlich außerhalb der Arbeitszeit stattfindet — nur in dringenden Fällen<lb/> soll mit Zustimmung des Arbeitgebers hiervon abgewichen werden —, fallen eine<lb/> Reihe wichtiger Entscheidungen zu, unter anderem über gemeinsame Vertreter¬<lb/> wahlen, über die Bildung von Äbteilungs - und Betriebsräten, über das Erlöschen<lb/> der Mitgliedschaft eines Vertreters und über den Bestand des Betriebsrates<lb/> überhaupt.</p><lb/> <p xml:id="ID_205" next="#ID_206"> Die Rechte, die der Betriebsversammlung zugebilligt werden, sind zu weit¬<lb/> gehend. Dann würde es in der Praxis auch so sein, daß stets dringende Fälle<lb/> vorgeschützt werden, um die Versammlungen in die Arbeitszeit hineinzuverlegen.<lb/> Der preußische Minister für öffentliche Arbeiten hat sich in einem Erlaß vom<lb/> 6. August gegen Betriebsversammlungen während der Arbeitszeit ausgesprochen.<lb/> Es> heißt dort unter anderem: „Betriebsversammlungen müssen in der Regel<lb/> während der Arbeitszeit unterbleiben. Ausnahmen sind nur nach Vereinbarung mit<lb/> dem Amtsvorstand über den Zeitpunkt und in der Weise zulässig, daß der gesamte<lb/> Betrieb in der Werkstatt während der Betriebsversammlung stillgelegt wird und<lb/> sich die gesamte Belegschaft hiermit einverstanden erklärt. Der Beginn der<lb/> Arbeitsunterbrechung und der Wiederbeginn der Arbeit werden durch besonderes</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0064]
Zum Betriebsrätegesetz
andere Art der Vertretung geschaffen werden, der aber die gleichen Rechte hat,
die dem Betriebsrat zustehen. Die Sache liegt nun im Baugewerbe praktisch so,
daß nach der allgemeinen Verbindlichkeitserklärung die Baudelegierten als Arbeiter«
Vertretung zulässig sind. Solange aber diese Erklärung nicht ausgesprochen ist,
müssen Betriebsräte errichtet werden. Nach dem Beispiel des gegenwärtigen
Neichstarifvertrages müßten von April bis Oktober Betriebsräte errichtet werden
und im Winter, wenn die allgemeine Verbindlichkeit des Tarifvertrages endlich
ausgesprochen ist, der Baubetrieb aber stilliegt, würden Baudelegierte kommen.
Am 1. April 1920, nach Ablauf des Neichstarifvertrages, müßten wieder Betriebs¬
räte errichtet werden, nach vier bis sechs Monaten, wenn der neue Tarifvertrag
für allgemein verbindlich erklärt wird, würden wieder Baudelegierte zugelassen.
Nun steht noch gar nicht fest, ob überhaupt der Reichstarifvertrag für allgemein
verbindlich erklärt wird, die Gewerkschaften haben nämlich dagegen Widerspruch
erhoben. Sollte nun gewartet werden bis jeder einzelne Ortstarif für allgemein
verbindlich erklärt ist, so würde dies in einzelnen Fällen bis zum Ablauf der
Verträge dauern. Jeder Baubetrieb hätte dann für einen Teil seiner Baustellen
mit Baudelegierten, für einen andern Teil mit Betriebsräten zu rechnen. Es ist
sehr bedauerlich, daß für die Baubetriebe nicht die gleiche Ausnahme bewilligt
worden ist, wie für die Betriebe der See- und Binnenschiffahrt, d. h. die Arbeiter¬
vertretung durch besonderes Gesetz zu regeln. Jetzt ist aber mit Sicherheit vor¬
auszusehen, daß die einzelnen Baustellen bei der zufälligen Zusammensetzung der
Arbeiterschaft zum Tummelplatz einer unverantwortlichen Agitation werden, um
so mehr, als der Unternehmer weit auseinanderliegende Baustellen nicht gleich¬
zeitig selbst leiten kann, sondern hierzu Angestellte verwenden muß, die oft selbst
gewerkschaftlich organisiert sind. Dadurch wird eine dauernde Beunruhigung in
die Baubetriebe getragen, die Arbeitsleistung sinkt, das Bauen wird immer teurer
und zum Schaden der gesamten Volkswirtschaft immer mehr eingeschränkt werden.
In der Betriebsversammlung, die aus den Arbeitnehmern des Betriebes
besteht und in der die Wahlberechtigten stimmberechtigt sind, bilden die Arbeiter
die Versammlungsgruppe der Arbeiter, die Angestellten die Versammlungsgruppe
der Angestellten. Kann nach der Natur des Betriebes eine gleichzeitige Ver¬
sammlung aller Arbeitnehmer nicht stattfinden, so hat die Abhaltung der Betriebs¬
versammlung in zwei Teilversammlungen zu erfolgen, .die nicht mehr als
48 Stunden auseinanderliegen dürfen. Der Betriebsvbmcmn ist berechtigt und
auf Verlangen des Arbeitgebers oder auf Verlangen von mindestens einem Viertel
der wahlberechtigten Arbeitnehmer verpflichtet, eine Betriebsversammlung ein¬
zuberufen. Der Arbeitgeber hat das Recht, in den auf sein Verlangen statt¬
findenden Versammlungen zu erscheinen oder sich vertreten zu lassen und sich an
den Verhandlungen ohne Stimmrecht zu beteiligen. Der Betriebsversammlung,
die grundsätzlich außerhalb der Arbeitszeit stattfindet — nur in dringenden Fällen
soll mit Zustimmung des Arbeitgebers hiervon abgewichen werden —, fallen eine
Reihe wichtiger Entscheidungen zu, unter anderem über gemeinsame Vertreter¬
wahlen, über die Bildung von Äbteilungs - und Betriebsräten, über das Erlöschen
der Mitgliedschaft eines Vertreters und über den Bestand des Betriebsrates
überhaupt.
Die Rechte, die der Betriebsversammlung zugebilligt werden, sind zu weit¬
gehend. Dann würde es in der Praxis auch so sein, daß stets dringende Fälle
vorgeschützt werden, um die Versammlungen in die Arbeitszeit hineinzuverlegen.
Der preußische Minister für öffentliche Arbeiten hat sich in einem Erlaß vom
6. August gegen Betriebsversammlungen während der Arbeitszeit ausgesprochen.
Es> heißt dort unter anderem: „Betriebsversammlungen müssen in der Regel
während der Arbeitszeit unterbleiben. Ausnahmen sind nur nach Vereinbarung mit
dem Amtsvorstand über den Zeitpunkt und in der Weise zulässig, daß der gesamte
Betrieb in der Werkstatt während der Betriebsversammlung stillgelegt wird und
sich die gesamte Belegschaft hiermit einverstanden erklärt. Der Beginn der
Arbeitsunterbrechung und der Wiederbeginn der Arbeit werden durch besonderes
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