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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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berechtigung und Einräumung kultureller und nationaler Rechte hält, dann werde
auch einmal der Zeitpunkt der Versöhnung der beiden Nationalitäten kommen
müssen. In ähnlichem Sinne klangen auch die Äußerungen des offiziellen
Deutschlands; wir erinnern nur an die Rede des Außenministers Müller in der
Nationalversammlung und an verschiedene Artikel der "Deutschen Allgemeinen
Zeitung". Die leisen Hoffnungen der Deutschen hier wurden gestützt und teilweise
gestärkt, als die deutsch-polnischen Verhandlungen in Berlin ihren Anfang
nahmen. Unsere Volksgenossen im besetzten Gebiet der Provinz Posen, die großes
Leid und Entrechtungen schlimmer Art erdulden mußten, hofften von dem bevor-,
stehenden Ausgleich, von einem Vertrag zwischen den beiden Staaten den
Beginn einer Zeit, in der sie von den Polen "nicht mehr als Bürger zweiter
Klasse" behandelt würden.

Leider -- niemals ist ein Leider mit größerem Schmerz ausgesprochen
worden -- haben die Verhältnisse auf polnischer Seite in den letzten Wochen
eine Veränderung genommen, die den von uns lebhaft genährten Verständigungs¬
gedanken schwer beeinträchtigt. Auf polnischer Seite zeigt sich eine Nervosität,
ein Aufflackern von nationalem Egoismus und Chauvinismus, der für die ein¬
geleitete Verständigung von den übelsten Folgen sein kann. Den Polen, die
nicht von so nüchterner und ruhig-kühler Denkart wie die Deutschen sind, dauert
die Zeit von der Unterzeichnung des Friedensvertrages bis zur Inbesitznahme
des Landes zu lange. Man muß zugestehen, daß für das Verhältnis zwischen
den Polen und der deutschen Bevölkerung eine kürzere Zeitdauer bis zur Besitz¬
ergreifung zweifellos günstiger gewesen wäre. Aber einmal ist die deutsche Be¬
völkerung an dieser Verzögerung gänzlich unbeteiligt, und zweitens wird den
Polen -- trotz aller Gerüchte -- die ihnen zugesprochene Herrschaft über unsere
Provinzen jetzt niemand streitig machen können. Die verhältnismäßig wenigen
Unbotmäszigkeiten einsichtsloser deutscher Soldaten gegenüber der polnischen Be¬
völkerung werden ausgeglichen durch das gleiche Verhalten einzelner polnischer
Militärs gegen die deutsche Bevölkerung jenseits der Demarkationslinie. Alle
diese Vorfälle sind lebhaft zu bedauern, schon deswegen, weil sie ganz unnötig
eine gereizte Stimmung schaffen und so den führenden Kreisen die Verständigungs¬
arbeil erschweren. Wenn die polnischen Kreise erregt sind über die Maßnahmen
der deutschen Negierung wegen der Wegführung von verschiedenen Gütern, so
mögen sie bedenken, daß die deutsche Bevölkerung dadurch am empfindlichsten
betroffen wird; wir haben an dieser Stelle schon auf die Folgen solcher Ma߬
nahmen hingewiesen und im Interesse der Ostmarkdeutschen Einspruch erhoben.
Die Proteste der polnischen Zeitungen und eines Teiles der polnischen Bevölkerung
gegen die Zusagen der polnischen Regierung und gegen Einräumung von Rechten
an die Deutschen bei den Berliner Verhandlungen haben so gut wie keine Grund¬
lage. Was der deutschen Bevölkerung gewährt werden soll, das sind doch nur
die Mindestrechte, die den Minderheiten in jedem Nationalitätenstaate zu
gewähren sind. Die meisten Deutschen in den Ostprovinzen wären froh, wenn
ihnen jemand die felsenfeste Gewißheit geben könnte, daß sie sich so sicher und
frei im polnischen Staate bewegen und entwickeln könnten, wie es den Polen
in Preußen möglich war. Wozu der Lärm, wo doch Polen sich jederzeit seiner
weiten Toleranz rühmt und die Gleichberechtigung im Vertrage mit der Entente
durch Unterschrift hat zusichern müssen?

Den wahren Grund für das neuerliche Erwachen des-nationalen Chauvinismus
in Polen scheint der "Wiarus Polski" in seiner Ur. 193 zu entschleiern, in der
er u. a. schreibt:

"Der Wilson-Frieden, der sich auf das furchtbare Unrecht stützt, das Polen
zugefügt worden ist, hängt aber noch in der Lust, weil er bis jetzt die vor¬
geschriebene Natisizierung seitens der drei Hauptmächte noch nicht erlangt hat. . .
Polen ratifiziert in der Überzeugung, daß man jetzt durch eine schleunige Natisi¬
zierung danach streben müsse, die polnischen Gebiete, die Polen zugesprochen sind,
und diejenigen, die der Abstimmung unterliegen, von der Knute des Grenzschutzes


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berechtigung und Einräumung kultureller und nationaler Rechte hält, dann werde
auch einmal der Zeitpunkt der Versöhnung der beiden Nationalitäten kommen
müssen. In ähnlichem Sinne klangen auch die Äußerungen des offiziellen
Deutschlands; wir erinnern nur an die Rede des Außenministers Müller in der
Nationalversammlung und an verschiedene Artikel der „Deutschen Allgemeinen
Zeitung". Die leisen Hoffnungen der Deutschen hier wurden gestützt und teilweise
gestärkt, als die deutsch-polnischen Verhandlungen in Berlin ihren Anfang
nahmen. Unsere Volksgenossen im besetzten Gebiet der Provinz Posen, die großes
Leid und Entrechtungen schlimmer Art erdulden mußten, hofften von dem bevor-,
stehenden Ausgleich, von einem Vertrag zwischen den beiden Staaten den
Beginn einer Zeit, in der sie von den Polen „nicht mehr als Bürger zweiter
Klasse" behandelt würden.

Leider — niemals ist ein Leider mit größerem Schmerz ausgesprochen
worden — haben die Verhältnisse auf polnischer Seite in den letzten Wochen
eine Veränderung genommen, die den von uns lebhaft genährten Verständigungs¬
gedanken schwer beeinträchtigt. Auf polnischer Seite zeigt sich eine Nervosität,
ein Aufflackern von nationalem Egoismus und Chauvinismus, der für die ein¬
geleitete Verständigung von den übelsten Folgen sein kann. Den Polen, die
nicht von so nüchterner und ruhig-kühler Denkart wie die Deutschen sind, dauert
die Zeit von der Unterzeichnung des Friedensvertrages bis zur Inbesitznahme
des Landes zu lange. Man muß zugestehen, daß für das Verhältnis zwischen
den Polen und der deutschen Bevölkerung eine kürzere Zeitdauer bis zur Besitz¬
ergreifung zweifellos günstiger gewesen wäre. Aber einmal ist die deutsche Be¬
völkerung an dieser Verzögerung gänzlich unbeteiligt, und zweitens wird den
Polen — trotz aller Gerüchte — die ihnen zugesprochene Herrschaft über unsere
Provinzen jetzt niemand streitig machen können. Die verhältnismäßig wenigen
Unbotmäszigkeiten einsichtsloser deutscher Soldaten gegenüber der polnischen Be¬
völkerung werden ausgeglichen durch das gleiche Verhalten einzelner polnischer
Militärs gegen die deutsche Bevölkerung jenseits der Demarkationslinie. Alle
diese Vorfälle sind lebhaft zu bedauern, schon deswegen, weil sie ganz unnötig
eine gereizte Stimmung schaffen und so den führenden Kreisen die Verständigungs¬
arbeil erschweren. Wenn die polnischen Kreise erregt sind über die Maßnahmen
der deutschen Negierung wegen der Wegführung von verschiedenen Gütern, so
mögen sie bedenken, daß die deutsche Bevölkerung dadurch am empfindlichsten
betroffen wird; wir haben an dieser Stelle schon auf die Folgen solcher Ma߬
nahmen hingewiesen und im Interesse der Ostmarkdeutschen Einspruch erhoben.
Die Proteste der polnischen Zeitungen und eines Teiles der polnischen Bevölkerung
gegen die Zusagen der polnischen Regierung und gegen Einräumung von Rechten
an die Deutschen bei den Berliner Verhandlungen haben so gut wie keine Grund¬
lage. Was der deutschen Bevölkerung gewährt werden soll, das sind doch nur
die Mindestrechte, die den Minderheiten in jedem Nationalitätenstaate zu
gewähren sind. Die meisten Deutschen in den Ostprovinzen wären froh, wenn
ihnen jemand die felsenfeste Gewißheit geben könnte, daß sie sich so sicher und
frei im polnischen Staate bewegen und entwickeln könnten, wie es den Polen
in Preußen möglich war. Wozu der Lärm, wo doch Polen sich jederzeit seiner
weiten Toleranz rühmt und die Gleichberechtigung im Vertrage mit der Entente
durch Unterschrift hat zusichern müssen?

Den wahren Grund für das neuerliche Erwachen des-nationalen Chauvinismus
in Polen scheint der „Wiarus Polski" in seiner Ur. 193 zu entschleiern, in der
er u. a. schreibt:

„Der Wilson-Frieden, der sich auf das furchtbare Unrecht stützt, das Polen
zugefügt worden ist, hängt aber noch in der Lust, weil er bis jetzt die vor¬
geschriebene Natisizierung seitens der drei Hauptmächte noch nicht erlangt hat. . .
Polen ratifiziert in der Überzeugung, daß man jetzt durch eine schleunige Natisi¬
zierung danach streben müsse, die polnischen Gebiete, die Polen zugesprochen sind,
und diejenigen, die der Abstimmung unterliegen, von der Knute des Grenzschutzes


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[0462] Materialien zur ostdeutschen Frage berechtigung und Einräumung kultureller und nationaler Rechte hält, dann werde auch einmal der Zeitpunkt der Versöhnung der beiden Nationalitäten kommen müssen. In ähnlichem Sinne klangen auch die Äußerungen des offiziellen Deutschlands; wir erinnern nur an die Rede des Außenministers Müller in der Nationalversammlung und an verschiedene Artikel der „Deutschen Allgemeinen Zeitung". Die leisen Hoffnungen der Deutschen hier wurden gestützt und teilweise gestärkt, als die deutsch-polnischen Verhandlungen in Berlin ihren Anfang nahmen. Unsere Volksgenossen im besetzten Gebiet der Provinz Posen, die großes Leid und Entrechtungen schlimmer Art erdulden mußten, hofften von dem bevor-, stehenden Ausgleich, von einem Vertrag zwischen den beiden Staaten den Beginn einer Zeit, in der sie von den Polen „nicht mehr als Bürger zweiter Klasse" behandelt würden. Leider — niemals ist ein Leider mit größerem Schmerz ausgesprochen worden — haben die Verhältnisse auf polnischer Seite in den letzten Wochen eine Veränderung genommen, die den von uns lebhaft genährten Verständigungs¬ gedanken schwer beeinträchtigt. Auf polnischer Seite zeigt sich eine Nervosität, ein Aufflackern von nationalem Egoismus und Chauvinismus, der für die ein¬ geleitete Verständigung von den übelsten Folgen sein kann. Den Polen, die nicht von so nüchterner und ruhig-kühler Denkart wie die Deutschen sind, dauert die Zeit von der Unterzeichnung des Friedensvertrages bis zur Inbesitznahme des Landes zu lange. Man muß zugestehen, daß für das Verhältnis zwischen den Polen und der deutschen Bevölkerung eine kürzere Zeitdauer bis zur Besitz¬ ergreifung zweifellos günstiger gewesen wäre. Aber einmal ist die deutsche Be¬ völkerung an dieser Verzögerung gänzlich unbeteiligt, und zweitens wird den Polen — trotz aller Gerüchte — die ihnen zugesprochene Herrschaft über unsere Provinzen jetzt niemand streitig machen können. Die verhältnismäßig wenigen Unbotmäszigkeiten einsichtsloser deutscher Soldaten gegenüber der polnischen Be¬ völkerung werden ausgeglichen durch das gleiche Verhalten einzelner polnischer Militärs gegen die deutsche Bevölkerung jenseits der Demarkationslinie. Alle diese Vorfälle sind lebhaft zu bedauern, schon deswegen, weil sie ganz unnötig eine gereizte Stimmung schaffen und so den führenden Kreisen die Verständigungs¬ arbeil erschweren. Wenn die polnischen Kreise erregt sind über die Maßnahmen der deutschen Negierung wegen der Wegführung von verschiedenen Gütern, so mögen sie bedenken, daß die deutsche Bevölkerung dadurch am empfindlichsten betroffen wird; wir haben an dieser Stelle schon auf die Folgen solcher Ma߬ nahmen hingewiesen und im Interesse der Ostmarkdeutschen Einspruch erhoben. Die Proteste der polnischen Zeitungen und eines Teiles der polnischen Bevölkerung gegen die Zusagen der polnischen Regierung und gegen Einräumung von Rechten an die Deutschen bei den Berliner Verhandlungen haben so gut wie keine Grund¬ lage. Was der deutschen Bevölkerung gewährt werden soll, das sind doch nur die Mindestrechte, die den Minderheiten in jedem Nationalitätenstaate zu gewähren sind. Die meisten Deutschen in den Ostprovinzen wären froh, wenn ihnen jemand die felsenfeste Gewißheit geben könnte, daß sie sich so sicher und frei im polnischen Staate bewegen und entwickeln könnten, wie es den Polen in Preußen möglich war. Wozu der Lärm, wo doch Polen sich jederzeit seiner weiten Toleranz rühmt und die Gleichberechtigung im Vertrage mit der Entente durch Unterschrift hat zusichern müssen? Den wahren Grund für das neuerliche Erwachen des-nationalen Chauvinismus in Polen scheint der „Wiarus Polski" in seiner Ur. 193 zu entschleiern, in der er u. a. schreibt: „Der Wilson-Frieden, der sich auf das furchtbare Unrecht stützt, das Polen zugefügt worden ist, hängt aber noch in der Lust, weil er bis jetzt die vor¬ geschriebene Natisizierung seitens der drei Hauptmächte noch nicht erlangt hat. . . Polen ratifiziert in der Überzeugung, daß man jetzt durch eine schleunige Natisi¬ zierung danach streben müsse, die polnischen Gebiete, die Polen zugesprochen sind, und diejenigen, die der Abstimmung unterliegen, von der Knute des Grenzschutzes

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/462>, abgerufen am 15.01.2025.