Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Materialien zur ostdeutschen Frage zu befreien." Nach einem Ausfall gegen Amerika, das nickt erlaube, Schankung Die hier vom "Wiarus Polski angeschnittenen Probleme und Befürchtungen Was aber auch kommen mag: Polen und Deutsche sind nun einmal ge¬ 2K*
Materialien zur ostdeutschen Frage zu befreien." Nach einem Ausfall gegen Amerika, das nickt erlaube, Schankung Die hier vom „Wiarus Polski angeschnittenen Probleme und Befürchtungen Was aber auch kommen mag: Polen und Deutsche sind nun einmal ge¬ 2K*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0463" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336753"/> <fw type="header" place="top"> Materialien zur ostdeutschen Frage</fw><lb/> <p xml:id="ID_2177" prev="#ID_2176"> zu befreien." Nach einem Ausfall gegen Amerika, das nickt erlaube, Schankung<lb/> an Japan zu geben, aber damit einverstanden sei, daß „Polen Danzig, das<lb/> Marienburger Land, Ermland, Masuren und Oberschlesien los wird", sagt das<lb/> genannte polnische Blatt weiter: „Wenn der Versailler Frieden nicht bestätigt<lb/> werden sollte, dann entsteht wiederum Kriegszustand, und die erste Stimme<lb/> wird Joch als Hauptbefehlshabcr der französischen Armee haben, die mit den<lb/> Friedensbedingungen unzufrieden ist, und die zweite Stimme hat dann Pilsudzki<lb/> als Führer einer zweiten großen Macht 'an den Grenzen Deutschlands. Amerika,<lb/> bedroht durch Japan, wird sich in die europäischen Angelegenheiten nicht ein¬<lb/> mischen können, und England, das sich machtlos gegenüber den Bolschewismen<lb/> gezeigt hat, kann zwar die Regierung des Herrn sahen aus Bochum in Danzig<lb/> unterstützen, aber nicht gegen Frankreich und Polen zum Schutze Deutschlands<lb/> kämpfen. Das Anstoßen des Versailler Friedensvertrages würde zweifellos die<lb/> Herrschaft des Grenzschutzes übet das unglückliche polnische Volk noch eine<lb/> Zeitlang verlängern, aber den Polen die Möglichkeit geben, gerechte Grenzen zu<lb/> erkämpfen, besonders im Westen. ... Da die Bevölkerung in Oberschlesien durch<lb/> den bewaffneten Aufstand die Zweifel behoben hat, auf die sich Lloyd George<lb/> berief, als er für eine Volksabstimmung eintrat, so befiehlt die einfachste Ge¬<lb/> rechtigkeit, Oberschlesien schon jetzt an Polen auszuliefern."<lb/> "</p><lb/> <p xml:id="ID_2178"> Die hier vom „Wiarus Polski angeschnittenen Probleme und Befürchtungen<lb/> sind es. die den schon gut gediehenen Verständigungsgedanken hier bei uns so<lb/> bedenklich getrübt haben. Der Ausdehnungsdrang Polens nach Westen über das<lb/> hinaus, was der Friedensvertrag ihm zugesprochen hat, und Polens Furcht,<lb/> vielleicht die Abstimmungsgebiete verloren gehen zu sehen, haben auf unsere Lage<lb/> hier im abgetretenen Gebiete sehr ungünstig eingewirkt. Das hiesige Deutschtum<lb/> verkennt die neuen Verhältnisse nicht, aber es gibt trotz alledem seine Hoffnung<lb/> nicht auf. Die einsichtigen Kreise der Polen, die ebenso wie wir die neuerdings mit<lb/> Schärfe einsetzende Verhetzungsarbeit eines Teiles der polnischen Presse beklagen und<lb/> verurteilen werden, erkennen heute schon, daß der polnische Staat ohne Ver¬<lb/> ständigung mit seiner deutschen Minderheit sich der tatkräftigsten Hilfe bei dem<lb/> staatlichen Aufbau seines Reiches beraubt. Die Mitwirkung der gesamten Entente¬<lb/> länder bei der Aufrichtung des polnischen Staatswesens fällt, schon weil sie vom<lb/> kapitalistischen Geiste und nicht von freundschaftlicher Gesinnung allein geleitet<lb/> ist, nicht halb so ins Gewicht, wie die Arbeit der Millionen Deutscher,<lb/> wenn sie als polnische Bürger Interesse an dem werdenden Staat bekunden. Ein<lb/> Staat wie Polen, im embryonalen Zustande schon von hundert Gefahren im Innern<lb/> und von ebenso viel von Außen her bedroht, wird seine leistungsfähigste Minderheit<lb/> nickt abschütteln, nicht ungestraft zurücksetzen können. Es kommen friedlichere und<lb/> ruhigere Zeiten, wo auch den nationalen Heißspornen die Bedeutung der deutschen<lb/> Minderheit im polnischen Staatswesen zum Bewußtsein kommt. Möge trotz aller<lb/> nationalen Leidenschaft den führenden polnischen Kreisen der Blick für das Reale<lb/> nicht verloren gehen. Eine Überspannung des Ausdehnungsdranges könnte leicht<lb/> den Bestand des polnischen Staates gefährden und somit auch die nationalen<lb/> Minderheiten mit ins Verderben ziehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2179"> Was aber auch kommen mag: Polen und Deutsche sind nun einmal ge¬<lb/> zwungen, nebeneinander und miteinander zu leben, und daher sind sie auch ge¬<lb/> zwungen, sich zu verständigen. Ob das Land polnisch wird und bleibt, ob der<lb/> Friedensvertrag seine Gültigkeit für alle Zukunft behält oder ob eine neue Welt¬<lb/> konstellation früher oder später eine Revision des Friedensvertrages bringt, das<lb/> ändert nichts an der unbedingten Notwendigkeit, daß hier Deutsche und Polen<lb/> miteinander leben müssen und daß es für beide Teile vom Vorteil ist, wenn sie<lb/> verträglich miteinander leben. Und weil das so ist, und weil wir hoffen, daß die<lb/> führenden Männer des neuen Polenreiches in nicht ferner Zeit die Verständigung<lb/> mit der deutschen Bevölkerung als eine Staatsnotwendigkeit betrachten, glauben<lb/> wir trotz der trüben Ersahrungen der letzten Tage immer noch an eine Ver-<lb/> ständigung.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 2K*</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0463]
Materialien zur ostdeutschen Frage
zu befreien." Nach einem Ausfall gegen Amerika, das nickt erlaube, Schankung
an Japan zu geben, aber damit einverstanden sei, daß „Polen Danzig, das
Marienburger Land, Ermland, Masuren und Oberschlesien los wird", sagt das
genannte polnische Blatt weiter: „Wenn der Versailler Frieden nicht bestätigt
werden sollte, dann entsteht wiederum Kriegszustand, und die erste Stimme
wird Joch als Hauptbefehlshabcr der französischen Armee haben, die mit den
Friedensbedingungen unzufrieden ist, und die zweite Stimme hat dann Pilsudzki
als Führer einer zweiten großen Macht 'an den Grenzen Deutschlands. Amerika,
bedroht durch Japan, wird sich in die europäischen Angelegenheiten nicht ein¬
mischen können, und England, das sich machtlos gegenüber den Bolschewismen
gezeigt hat, kann zwar die Regierung des Herrn sahen aus Bochum in Danzig
unterstützen, aber nicht gegen Frankreich und Polen zum Schutze Deutschlands
kämpfen. Das Anstoßen des Versailler Friedensvertrages würde zweifellos die
Herrschaft des Grenzschutzes übet das unglückliche polnische Volk noch eine
Zeitlang verlängern, aber den Polen die Möglichkeit geben, gerechte Grenzen zu
erkämpfen, besonders im Westen. ... Da die Bevölkerung in Oberschlesien durch
den bewaffneten Aufstand die Zweifel behoben hat, auf die sich Lloyd George
berief, als er für eine Volksabstimmung eintrat, so befiehlt die einfachste Ge¬
rechtigkeit, Oberschlesien schon jetzt an Polen auszuliefern."
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Die hier vom „Wiarus Polski angeschnittenen Probleme und Befürchtungen
sind es. die den schon gut gediehenen Verständigungsgedanken hier bei uns so
bedenklich getrübt haben. Der Ausdehnungsdrang Polens nach Westen über das
hinaus, was der Friedensvertrag ihm zugesprochen hat, und Polens Furcht,
vielleicht die Abstimmungsgebiete verloren gehen zu sehen, haben auf unsere Lage
hier im abgetretenen Gebiete sehr ungünstig eingewirkt. Das hiesige Deutschtum
verkennt die neuen Verhältnisse nicht, aber es gibt trotz alledem seine Hoffnung
nicht auf. Die einsichtigen Kreise der Polen, die ebenso wie wir die neuerdings mit
Schärfe einsetzende Verhetzungsarbeit eines Teiles der polnischen Presse beklagen und
verurteilen werden, erkennen heute schon, daß der polnische Staat ohne Ver¬
ständigung mit seiner deutschen Minderheit sich der tatkräftigsten Hilfe bei dem
staatlichen Aufbau seines Reiches beraubt. Die Mitwirkung der gesamten Entente¬
länder bei der Aufrichtung des polnischen Staatswesens fällt, schon weil sie vom
kapitalistischen Geiste und nicht von freundschaftlicher Gesinnung allein geleitet
ist, nicht halb so ins Gewicht, wie die Arbeit der Millionen Deutscher,
wenn sie als polnische Bürger Interesse an dem werdenden Staat bekunden. Ein
Staat wie Polen, im embryonalen Zustande schon von hundert Gefahren im Innern
und von ebenso viel von Außen her bedroht, wird seine leistungsfähigste Minderheit
nickt abschütteln, nicht ungestraft zurücksetzen können. Es kommen friedlichere und
ruhigere Zeiten, wo auch den nationalen Heißspornen die Bedeutung der deutschen
Minderheit im polnischen Staatswesen zum Bewußtsein kommt. Möge trotz aller
nationalen Leidenschaft den führenden polnischen Kreisen der Blick für das Reale
nicht verloren gehen. Eine Überspannung des Ausdehnungsdranges könnte leicht
den Bestand des polnischen Staates gefährden und somit auch die nationalen
Minderheiten mit ins Verderben ziehen.
Was aber auch kommen mag: Polen und Deutsche sind nun einmal ge¬
zwungen, nebeneinander und miteinander zu leben, und daher sind sie auch ge¬
zwungen, sich zu verständigen. Ob das Land polnisch wird und bleibt, ob der
Friedensvertrag seine Gültigkeit für alle Zukunft behält oder ob eine neue Welt¬
konstellation früher oder später eine Revision des Friedensvertrages bringt, das
ändert nichts an der unbedingten Notwendigkeit, daß hier Deutsche und Polen
miteinander leben müssen und daß es für beide Teile vom Vorteil ist, wenn sie
verträglich miteinander leben. Und weil das so ist, und weil wir hoffen, daß die
führenden Männer des neuen Polenreiches in nicht ferner Zeit die Verständigung
mit der deutschen Bevölkerung als eine Staatsnotwendigkeit betrachten, glauben
wir trotz der trüben Ersahrungen der letzten Tage immer noch an eine Ver-
ständigung.
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