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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Sache nach eigenem Belieben nicht die Rede
sein. Sobald die Provinz nicht mit dem
Schwert in der Hand, sondern auf friedlichem
Wege gewonnen werden sollte, mußten auch
so einmal Verhandlungen eintreten. Unsere
Gesellschaft wurde durch Referate in den
Zeitungen über alles das, was man zur
öffentlichen Kenntnis bringen konnte, benach¬
richtigt und bildete sich eine Meinung über
die Lage. Die Delegierten waren alle über¬
zeugt, daß sie sich hier versammelten, um
gemeinsam über die heute wichtigste Ange¬
legenheit zu beraten, d. h. über die Ausfuhr
von Getreide aus unseren Gegenden. Jeder
Volksrat bemühte sich bisher auf eigene Hand
um Hilfe. Man muß sich aber um Ein¬
heitlichkeit in dieser Tätigkeit bemühen, denn
nur auf diese Weise wird sie erfolgreich. --
Das Referat über die Thorn-Danziger
Verhandlungen erstattete Graf Potocki. Herr
P. gab einen Überblick über die Entstehung
und Entwicklung der Verhandlungen, die
zwischen der deutschen und der Polnischen
Negierung geführt wurden, indem er bemerkte,
daß die Anregung zu diesen Verhandlungen
von deutscher Seite kam und zwar gleich¬
zeitig vom Danziger Oberprästdenten wie
auch vom Thorner Volksrat. Der Thorner
(polnische) Volksrat nahm die deutsche An¬
regung in Posen auf und unterstützte in
Warschau die Vorschläge des deutschen Volks-
rates. Der Thorner (deutsche) Volksrat be¬
merkte, daß er auf diese Weise die Treibereien
der Deutschen zum Kriege mit den Polen
zurückhalten könne. Unsererseits mußte man
also dies Mittel versuchen. Gleichzeitig gab
der Oberste Volksrat in Posen den bekannten
Ausruf vom 3V, Juni betreffs der Beamten
und Ansiedler heraus. Dieser Aufruf trug
einerseits zur Beilegung der deutschen Be¬
fürchtungen bei, veranlaßte aber auf polnischer
Seite eine gewisse Erbitterung, deren Folgen
sich in dem verminderten Vertrauen zum
Unterkommissariat zeigte. Der Oberpräsident
erklärte bei den Danziger Beratungen den
Vertretern des ehemaligen Unterkommissariats,
daß es ihm sehr um die Beruhigung der
aufgeregten Deutschen und die Beeinflussung
der polnischen Presse, den scharfen reizenden
Ton in ihren Artikeln zu unterlassen, zu tun
sei. Andererseits bemerkte er, daß die Ein¬

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mischung der Volksräte in die Verwaltung
der Kreise -- wo sie unter anderem die Aus¬
fuhr usw. verboten -- unmögliche Verhältnisse
schaffe, die er nicht dulden könne. Weiter
wünschte er zu einer Verständigung zu kommen
und die Polen zur Kontrolle der regierenden
Behörden zuzulassen. Die Vertreter des
ehemaligen Unterkommissariats stellten ihrer¬
seits folgende Bedingungen auf: 1. Die
Wiederzulassung des Unterkommissariats und
der aufgelösten Volksräte zu ihrer früheren
freien Wirksamkeit. 2. Die Erlaubnis zur
sicheren Rückkehr für den Kommissar und
alle Faktoren, gegen die eine Untersuchung
angeordnet ist. 3. Die Anstellung von Kon¬
trolleuren bei den Ämtern. Der Ober¬
präsident war mit diesen Forderungen ein¬
verstanden, stellte eine Legitimation für die
Hinreise des Kommissars aus und bat, daß
ihn jemand hole und er mit Vollmacht der
polnischen Regierung die Verhandlungen
durchzuführen komme. Der Abgesandte des
Unterkommissariats sollte sofort nach Warschau
fahren und das Kommen Herrn Laszewskis
veranlassen. Inzwischen erschien in Danzig
ein Vertreter des Thorner Volksrats und
meldete, daß am festgesetzten - Tage Herr
Laszewski mit einer vollständigen Kommission
nach Thorn zur Durchführung der Verhand¬
lungen kommen werde. Demgegenüber be¬
schloß der Ooerprästdent, zu jenen Verhand¬
lungen zu kommen, und auf diese Weise
kam die Zusammenkunft in Thorn zustande.
Auf die Tagesordnung der Beratungen der
Thorner Zusammenkunft kamen auf Wunsch
der Deutschen auch Angelegenheiten, die
über den Bereich der Provinz hinausgehen,
besonders die Bromberger Angelegenheiten
des Netzekanals, des Austausches der Geiseln,
auch die Fragen der Beamten und Ansiedler.
Die Beschlüsse sollten rein informativen, aber
nicht entscheidenden Charakter haben, da die
Vollmachten beider Seiten nicht soweit
gingen. Man beschloß also, eine Woche
später nochmals in Danzig zusammenzu¬
kommen, nachdem man sich mit entsprechen¬
den Vollmachten versehen hatte. Die Zu¬
sammenkunft in Danzig erfolgte am 23. und
24. v. M. Auf ihr wurde der Text des
Thorner Protokolls festgestellt und zwei
Kommissionen gebildet, eine Politische und

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Sache nach eigenem Belieben nicht die Rede
sein. Sobald die Provinz nicht mit dem
Schwert in der Hand, sondern auf friedlichem
Wege gewonnen werden sollte, mußten auch
so einmal Verhandlungen eintreten. Unsere
Gesellschaft wurde durch Referate in den
Zeitungen über alles das, was man zur
öffentlichen Kenntnis bringen konnte, benach¬
richtigt und bildete sich eine Meinung über
die Lage. Die Delegierten waren alle über¬
zeugt, daß sie sich hier versammelten, um
gemeinsam über die heute wichtigste Ange¬
legenheit zu beraten, d. h. über die Ausfuhr
von Getreide aus unseren Gegenden. Jeder
Volksrat bemühte sich bisher auf eigene Hand
um Hilfe. Man muß sich aber um Ein¬
heitlichkeit in dieser Tätigkeit bemühen, denn
nur auf diese Weise wird sie erfolgreich. —
Das Referat über die Thorn-Danziger
Verhandlungen erstattete Graf Potocki. Herr
P. gab einen Überblick über die Entstehung
und Entwicklung der Verhandlungen, die
zwischen der deutschen und der Polnischen
Negierung geführt wurden, indem er bemerkte,
daß die Anregung zu diesen Verhandlungen
von deutscher Seite kam und zwar gleich¬
zeitig vom Danziger Oberprästdenten wie
auch vom Thorner Volksrat. Der Thorner
(polnische) Volksrat nahm die deutsche An¬
regung in Posen auf und unterstützte in
Warschau die Vorschläge des deutschen Volks-
rates. Der Thorner (deutsche) Volksrat be¬
merkte, daß er auf diese Weise die Treibereien
der Deutschen zum Kriege mit den Polen
zurückhalten könne. Unsererseits mußte man
also dies Mittel versuchen. Gleichzeitig gab
der Oberste Volksrat in Posen den bekannten
Ausruf vom 3V, Juni betreffs der Beamten
und Ansiedler heraus. Dieser Aufruf trug
einerseits zur Beilegung der deutschen Be¬
fürchtungen bei, veranlaßte aber auf polnischer
Seite eine gewisse Erbitterung, deren Folgen
sich in dem verminderten Vertrauen zum
Unterkommissariat zeigte. Der Oberpräsident
erklärte bei den Danziger Beratungen den
Vertretern des ehemaligen Unterkommissariats,
daß es ihm sehr um die Beruhigung der
aufgeregten Deutschen und die Beeinflussung
der polnischen Presse, den scharfen reizenden
Ton in ihren Artikeln zu unterlassen, zu tun
sei. Andererseits bemerkte er, daß die Ein¬

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mischung der Volksräte in die Verwaltung
der Kreise — wo sie unter anderem die Aus¬
fuhr usw. verboten — unmögliche Verhältnisse
schaffe, die er nicht dulden könne. Weiter
wünschte er zu einer Verständigung zu kommen
und die Polen zur Kontrolle der regierenden
Behörden zuzulassen. Die Vertreter des
ehemaligen Unterkommissariats stellten ihrer¬
seits folgende Bedingungen auf: 1. Die
Wiederzulassung des Unterkommissariats und
der aufgelösten Volksräte zu ihrer früheren
freien Wirksamkeit. 2. Die Erlaubnis zur
sicheren Rückkehr für den Kommissar und
alle Faktoren, gegen die eine Untersuchung
angeordnet ist. 3. Die Anstellung von Kon¬
trolleuren bei den Ämtern. Der Ober¬
präsident war mit diesen Forderungen ein¬
verstanden, stellte eine Legitimation für die
Hinreise des Kommissars aus und bat, daß
ihn jemand hole und er mit Vollmacht der
polnischen Regierung die Verhandlungen
durchzuführen komme. Der Abgesandte des
Unterkommissariats sollte sofort nach Warschau
fahren und das Kommen Herrn Laszewskis
veranlassen. Inzwischen erschien in Danzig
ein Vertreter des Thorner Volksrats und
meldete, daß am festgesetzten - Tage Herr
Laszewski mit einer vollständigen Kommission
nach Thorn zur Durchführung der Verhand¬
lungen kommen werde. Demgegenüber be¬
schloß der Ooerprästdent, zu jenen Verhand¬
lungen zu kommen, und auf diese Weise
kam die Zusammenkunft in Thorn zustande.
Auf die Tagesordnung der Beratungen der
Thorner Zusammenkunft kamen auf Wunsch
der Deutschen auch Angelegenheiten, die
über den Bereich der Provinz hinausgehen,
besonders die Bromberger Angelegenheiten
des Netzekanals, des Austausches der Geiseln,
auch die Fragen der Beamten und Ansiedler.
Die Beschlüsse sollten rein informativen, aber
nicht entscheidenden Charakter haben, da die
Vollmachten beider Seiten nicht soweit
gingen. Man beschloß also, eine Woche
später nochmals in Danzig zusammenzu¬
kommen, nachdem man sich mit entsprechen¬
den Vollmachten versehen hatte. Die Zu¬
sammenkunft in Danzig erfolgte am 23. und
24. v. M. Auf ihr wurde der Text des
Thorner Protokolls festgestellt und zwei
Kommissionen gebildet, eine Politische und

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[0445] Pressestimmen Sache nach eigenem Belieben nicht die Rede sein. Sobald die Provinz nicht mit dem Schwert in der Hand, sondern auf friedlichem Wege gewonnen werden sollte, mußten auch so einmal Verhandlungen eintreten. Unsere Gesellschaft wurde durch Referate in den Zeitungen über alles das, was man zur öffentlichen Kenntnis bringen konnte, benach¬ richtigt und bildete sich eine Meinung über die Lage. Die Delegierten waren alle über¬ zeugt, daß sie sich hier versammelten, um gemeinsam über die heute wichtigste Ange¬ legenheit zu beraten, d. h. über die Ausfuhr von Getreide aus unseren Gegenden. Jeder Volksrat bemühte sich bisher auf eigene Hand um Hilfe. Man muß sich aber um Ein¬ heitlichkeit in dieser Tätigkeit bemühen, denn nur auf diese Weise wird sie erfolgreich. — Das Referat über die Thorn-Danziger Verhandlungen erstattete Graf Potocki. Herr P. gab einen Überblick über die Entstehung und Entwicklung der Verhandlungen, die zwischen der deutschen und der Polnischen Negierung geführt wurden, indem er bemerkte, daß die Anregung zu diesen Verhandlungen von deutscher Seite kam und zwar gleich¬ zeitig vom Danziger Oberprästdenten wie auch vom Thorner Volksrat. Der Thorner (polnische) Volksrat nahm die deutsche An¬ regung in Posen auf und unterstützte in Warschau die Vorschläge des deutschen Volks- rates. Der Thorner (deutsche) Volksrat be¬ merkte, daß er auf diese Weise die Treibereien der Deutschen zum Kriege mit den Polen zurückhalten könne. Unsererseits mußte man also dies Mittel versuchen. Gleichzeitig gab der Oberste Volksrat in Posen den bekannten Ausruf vom 3V, Juni betreffs der Beamten und Ansiedler heraus. Dieser Aufruf trug einerseits zur Beilegung der deutschen Be¬ fürchtungen bei, veranlaßte aber auf polnischer Seite eine gewisse Erbitterung, deren Folgen sich in dem verminderten Vertrauen zum Unterkommissariat zeigte. Der Oberpräsident erklärte bei den Danziger Beratungen den Vertretern des ehemaligen Unterkommissariats, daß es ihm sehr um die Beruhigung der aufgeregten Deutschen und die Beeinflussung der polnischen Presse, den scharfen reizenden Ton in ihren Artikeln zu unterlassen, zu tun sei. Andererseits bemerkte er, daß die Ein¬ mischung der Volksräte in die Verwaltung der Kreise — wo sie unter anderem die Aus¬ fuhr usw. verboten — unmögliche Verhältnisse schaffe, die er nicht dulden könne. Weiter wünschte er zu einer Verständigung zu kommen und die Polen zur Kontrolle der regierenden Behörden zuzulassen. Die Vertreter des ehemaligen Unterkommissariats stellten ihrer¬ seits folgende Bedingungen auf: 1. Die Wiederzulassung des Unterkommissariats und der aufgelösten Volksräte zu ihrer früheren freien Wirksamkeit. 2. Die Erlaubnis zur sicheren Rückkehr für den Kommissar und alle Faktoren, gegen die eine Untersuchung angeordnet ist. 3. Die Anstellung von Kon¬ trolleuren bei den Ämtern. Der Ober¬ präsident war mit diesen Forderungen ein¬ verstanden, stellte eine Legitimation für die Hinreise des Kommissars aus und bat, daß ihn jemand hole und er mit Vollmacht der polnischen Regierung die Verhandlungen durchzuführen komme. Der Abgesandte des Unterkommissariats sollte sofort nach Warschau fahren und das Kommen Herrn Laszewskis veranlassen. Inzwischen erschien in Danzig ein Vertreter des Thorner Volksrats und meldete, daß am festgesetzten - Tage Herr Laszewski mit einer vollständigen Kommission nach Thorn zur Durchführung der Verhand¬ lungen kommen werde. Demgegenüber be¬ schloß der Ooerprästdent, zu jenen Verhand¬ lungen zu kommen, und auf diese Weise kam die Zusammenkunft in Thorn zustande. Auf die Tagesordnung der Beratungen der Thorner Zusammenkunft kamen auf Wunsch der Deutschen auch Angelegenheiten, die über den Bereich der Provinz hinausgehen, besonders die Bromberger Angelegenheiten des Netzekanals, des Austausches der Geiseln, auch die Fragen der Beamten und Ansiedler. Die Beschlüsse sollten rein informativen, aber nicht entscheidenden Charakter haben, da die Vollmachten beider Seiten nicht soweit gingen. Man beschloß also, eine Woche später nochmals in Danzig zusammenzu¬ kommen, nachdem man sich mit entsprechen¬ den Vollmachten versehen hatte. Die Zu¬ sammenkunft in Danzig erfolgte am 23. und 24. v. M. Auf ihr wurde der Text des Thorner Protokolls festgestellt und zwei Kommissionen gebildet, eine Politische und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/445>, abgerufen am 15.01.2025.