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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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durchgesetzt habe. Fast alle jedoch sind dar¬
über einig, daß der Volksrat gegen die
deutschen Behörden scharf auftreten und Be¬
fehle und Verfügungen erlassen müßte.

Auf alle diese Kritiken geben wir kurz
folgende Antwort: Bis jetzt ist noch keiner
geboren worden, der eS allen zu Recht tun
würde. Der Volksrat muß sich von den
Rücksichten auf daS nationale Interesse und
den Wünschen der polnischen Regierung leiten
lassen und kann sich nicht an die Persönlichen
Ansichten der hausbackenen Politiker halten,
die sich früher hauptsächlich damit beschäftigten,
ein Programm aufzustellen, wie sie auftreten
müßten, um sich den Deutschen nicht un¬
beliebt zu machen. Das sind diejenigen, die
da behaupten, daß der Volksrat es schlecht
mache. Die zweite Art, welche sagt, daß er
nichts tut, das sind die, welche früher am
nationalen Leben überhaupt nicht teilnahmen,
weil sich dies schlecht lohnte. Die dritte Art
Kritiker sind die Politiker der Macht, aber
natürlich einer fremden Macht, denn ihre
eigenen Kräfte möchten sie nicht gerne her¬
geben. Diesen antworten wir, daß der
polnische Volksrat alles getan hat, was unter
den jetzigen Verhältnissen möglich war.
Mögen sie aber beachten, daß vom juristischen
Standpunkte aus noch die deutschen Behörden
bei uns regieren, nicht aber der Polnische
Volksrat. Damit müssen wir rechnen.

Schließlich gibt es noch eine Art Kritiker,
denen es nicht gefällt, daß der Vollsrat sich
in Verhandlungen mit den Deutschen einläßt.
Wir brauchen Wohl nicht hinzuzufügen, daß
die Radikalsten in dieser Hinsicht gerade die¬
jenigen Leute sind, die noch unlängst eine
Versöhnungspolitik betrieben haben und sich
mit denjenigen verschwägerten,, welche seitens
der polnischen Allgemeinheit als Schädlinge
der Polnischen Sache angesehen wurden.

Die Leute, welche an der Spitze des
polnischen Volksrates stehen, haben in
nationaler Arbeit ihre Kräfte aufgerieben
und standen stets auf derWacht der nationalen
Interessen, wogegen diejenigen Kritiker es
zu ihrem höchsten Ideal gemacht haben, still
zu fitzen und -- Geld zu machen. Heute
wäre es besser, wenn sich alle aufrichtig an
die Arbeit machen möchten und der Ver¬
waltung des Volksrates Hilfe leisten, denn

[Spaltenumbruch]

die kleinste Hilfe bedeutet mehr, als leeres
Gerede.

"Dzicnnik BerlinsN" (Berlin) Ur. 16g
vom 26. Juli.

Unser Verhältnis zu den Kongreßpolen.

Es glaubt Wohl niemand, wie tief sich
die Unterschiede in die Seelen der Polen
hineingefressen haben, die hervorgerufen sind
durch die Absonderung, durch die Grenz¬
kordons. Es schien, daß das Leben des
ganzen Volkes wie ein Strom seinem neuen
Ziel entgegenflietzen wird, wenn die Grenz¬
pfähle fallen, indessen was sehen wir jetzt?
Die drei Strömungen, welche in ein Bett
geleitet wurden, können sich doch nicht ver¬
mengen, sie fließen nebeneinander, zanken sich
und stoßen aufeinander. Zwischen den
Kongreßpolen und den Polen aus dem
früheren Preußischen Teilgebiet haben die
Unterschiede bei näherem Zusammenkommen
sich nicht nur nicht verringert, sondern eher
noch mehr vertieft. Ebenso ist eS übrigens
zwischen den Kongreßpolen und den Galiziern
eine merkwürdige Unlust, Mangel an Ver¬
trauen und Wohlwollen gegenüber den
Brüdern hinter den Grenzpfählen -- das
ist eine traurige Erscheinung, die wir in
diesen Tagen des Wiederaufbaus Polens
erblicken.

Als Vertreter derjenigen Parteien, welche
den allpolnischen Gedanken seit Jahrzehnten
auf seiner Standarte vermerkt hat, beklagen
wir es tief, daß der Augenblick der Wieder¬
erstehung Polens uns innerlich noch nicht
gereist genug gefunden hat, zur vollständigen
Verschmelzung zu einem Polnischen Typus,
welcher alle Unterschiede überragt, die durch
Hand der teilenden Mächte gehegt wurden.
Besonders schmerzhaft ist eS, zu sehen, wie
nicht etwa irgendwelche tatsächlichen Unter¬
schiede, die auf einer besonderen Denk- und
schätzungsweise der Angelegenheiten basieren,
sondern einfach egoistische Motive wie Eifer¬
sucht, Eitelkeit und lokale Selbstliebe gegen¬
über den Landsleuten von hinter dem Korton
hier eine Rolle spielen. Das sind Symptome
eines ungesunden Partikularismus, welche
man rücksichtslos verdammen muß. . .

Es ist kein Geheimnis, daß in gewissen
Kreisenbei uns ein Unwillen gegen dieOffiziere

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durchgesetzt habe. Fast alle jedoch sind dar¬
über einig, daß der Volksrat gegen die
deutschen Behörden scharf auftreten und Be¬
fehle und Verfügungen erlassen müßte.

Auf alle diese Kritiken geben wir kurz
folgende Antwort: Bis jetzt ist noch keiner
geboren worden, der eS allen zu Recht tun
würde. Der Volksrat muß sich von den
Rücksichten auf daS nationale Interesse und
den Wünschen der polnischen Regierung leiten
lassen und kann sich nicht an die Persönlichen
Ansichten der hausbackenen Politiker halten,
die sich früher hauptsächlich damit beschäftigten,
ein Programm aufzustellen, wie sie auftreten
müßten, um sich den Deutschen nicht un¬
beliebt zu machen. Das sind diejenigen, die
da behaupten, daß der Volksrat es schlecht
mache. Die zweite Art, welche sagt, daß er
nichts tut, das sind die, welche früher am
nationalen Leben überhaupt nicht teilnahmen,
weil sich dies schlecht lohnte. Die dritte Art
Kritiker sind die Politiker der Macht, aber
natürlich einer fremden Macht, denn ihre
eigenen Kräfte möchten sie nicht gerne her¬
geben. Diesen antworten wir, daß der
polnische Volksrat alles getan hat, was unter
den jetzigen Verhältnissen möglich war.
Mögen sie aber beachten, daß vom juristischen
Standpunkte aus noch die deutschen Behörden
bei uns regieren, nicht aber der Polnische
Volksrat. Damit müssen wir rechnen.

Schließlich gibt es noch eine Art Kritiker,
denen es nicht gefällt, daß der Vollsrat sich
in Verhandlungen mit den Deutschen einläßt.
Wir brauchen Wohl nicht hinzuzufügen, daß
die Radikalsten in dieser Hinsicht gerade die¬
jenigen Leute sind, die noch unlängst eine
Versöhnungspolitik betrieben haben und sich
mit denjenigen verschwägerten,, welche seitens
der polnischen Allgemeinheit als Schädlinge
der Polnischen Sache angesehen wurden.

Die Leute, welche an der Spitze des
polnischen Volksrates stehen, haben in
nationaler Arbeit ihre Kräfte aufgerieben
und standen stets auf derWacht der nationalen
Interessen, wogegen diejenigen Kritiker es
zu ihrem höchsten Ideal gemacht haben, still
zu fitzen und — Geld zu machen. Heute
wäre es besser, wenn sich alle aufrichtig an
die Arbeit machen möchten und der Ver¬
waltung des Volksrates Hilfe leisten, denn

[Spaltenumbruch]

die kleinste Hilfe bedeutet mehr, als leeres
Gerede.

„Dzicnnik BerlinsN" (Berlin) Ur. 16g
vom 26. Juli.

Unser Verhältnis zu den Kongreßpolen.

Es glaubt Wohl niemand, wie tief sich
die Unterschiede in die Seelen der Polen
hineingefressen haben, die hervorgerufen sind
durch die Absonderung, durch die Grenz¬
kordons. Es schien, daß das Leben des
ganzen Volkes wie ein Strom seinem neuen
Ziel entgegenflietzen wird, wenn die Grenz¬
pfähle fallen, indessen was sehen wir jetzt?
Die drei Strömungen, welche in ein Bett
geleitet wurden, können sich doch nicht ver¬
mengen, sie fließen nebeneinander, zanken sich
und stoßen aufeinander. Zwischen den
Kongreßpolen und den Polen aus dem
früheren Preußischen Teilgebiet haben die
Unterschiede bei näherem Zusammenkommen
sich nicht nur nicht verringert, sondern eher
noch mehr vertieft. Ebenso ist eS übrigens
zwischen den Kongreßpolen und den Galiziern
eine merkwürdige Unlust, Mangel an Ver¬
trauen und Wohlwollen gegenüber den
Brüdern hinter den Grenzpfählen — das
ist eine traurige Erscheinung, die wir in
diesen Tagen des Wiederaufbaus Polens
erblicken.

Als Vertreter derjenigen Parteien, welche
den allpolnischen Gedanken seit Jahrzehnten
auf seiner Standarte vermerkt hat, beklagen
wir es tief, daß der Augenblick der Wieder¬
erstehung Polens uns innerlich noch nicht
gereist genug gefunden hat, zur vollständigen
Verschmelzung zu einem Polnischen Typus,
welcher alle Unterschiede überragt, die durch
Hand der teilenden Mächte gehegt wurden.
Besonders schmerzhaft ist eS, zu sehen, wie
nicht etwa irgendwelche tatsächlichen Unter¬
schiede, die auf einer besonderen Denk- und
schätzungsweise der Angelegenheiten basieren,
sondern einfach egoistische Motive wie Eifer¬
sucht, Eitelkeit und lokale Selbstliebe gegen¬
über den Landsleuten von hinter dem Korton
hier eine Rolle spielen. Das sind Symptome
eines ungesunden Partikularismus, welche
man rücksichtslos verdammen muß. . .

Es ist kein Geheimnis, daß in gewissen
Kreisenbei uns ein Unwillen gegen dieOffiziere

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[0443] Pressestimmen durchgesetzt habe. Fast alle jedoch sind dar¬ über einig, daß der Volksrat gegen die deutschen Behörden scharf auftreten und Be¬ fehle und Verfügungen erlassen müßte. Auf alle diese Kritiken geben wir kurz folgende Antwort: Bis jetzt ist noch keiner geboren worden, der eS allen zu Recht tun würde. Der Volksrat muß sich von den Rücksichten auf daS nationale Interesse und den Wünschen der polnischen Regierung leiten lassen und kann sich nicht an die Persönlichen Ansichten der hausbackenen Politiker halten, die sich früher hauptsächlich damit beschäftigten, ein Programm aufzustellen, wie sie auftreten müßten, um sich den Deutschen nicht un¬ beliebt zu machen. Das sind diejenigen, die da behaupten, daß der Volksrat es schlecht mache. Die zweite Art, welche sagt, daß er nichts tut, das sind die, welche früher am nationalen Leben überhaupt nicht teilnahmen, weil sich dies schlecht lohnte. Die dritte Art Kritiker sind die Politiker der Macht, aber natürlich einer fremden Macht, denn ihre eigenen Kräfte möchten sie nicht gerne her¬ geben. Diesen antworten wir, daß der polnische Volksrat alles getan hat, was unter den jetzigen Verhältnissen möglich war. Mögen sie aber beachten, daß vom juristischen Standpunkte aus noch die deutschen Behörden bei uns regieren, nicht aber der Polnische Volksrat. Damit müssen wir rechnen. Schließlich gibt es noch eine Art Kritiker, denen es nicht gefällt, daß der Vollsrat sich in Verhandlungen mit den Deutschen einläßt. Wir brauchen Wohl nicht hinzuzufügen, daß die Radikalsten in dieser Hinsicht gerade die¬ jenigen Leute sind, die noch unlängst eine Versöhnungspolitik betrieben haben und sich mit denjenigen verschwägerten,, welche seitens der polnischen Allgemeinheit als Schädlinge der Polnischen Sache angesehen wurden. Die Leute, welche an der Spitze des polnischen Volksrates stehen, haben in nationaler Arbeit ihre Kräfte aufgerieben und standen stets auf derWacht der nationalen Interessen, wogegen diejenigen Kritiker es zu ihrem höchsten Ideal gemacht haben, still zu fitzen und — Geld zu machen. Heute wäre es besser, wenn sich alle aufrichtig an die Arbeit machen möchten und der Ver¬ waltung des Volksrates Hilfe leisten, denn die kleinste Hilfe bedeutet mehr, als leeres Gerede. „Dzicnnik BerlinsN" (Berlin) Ur. 16g vom 26. Juli. Unser Verhältnis zu den Kongreßpolen. Es glaubt Wohl niemand, wie tief sich die Unterschiede in die Seelen der Polen hineingefressen haben, die hervorgerufen sind durch die Absonderung, durch die Grenz¬ kordons. Es schien, daß das Leben des ganzen Volkes wie ein Strom seinem neuen Ziel entgegenflietzen wird, wenn die Grenz¬ pfähle fallen, indessen was sehen wir jetzt? Die drei Strömungen, welche in ein Bett geleitet wurden, können sich doch nicht ver¬ mengen, sie fließen nebeneinander, zanken sich und stoßen aufeinander. Zwischen den Kongreßpolen und den Polen aus dem früheren Preußischen Teilgebiet haben die Unterschiede bei näherem Zusammenkommen sich nicht nur nicht verringert, sondern eher noch mehr vertieft. Ebenso ist eS übrigens zwischen den Kongreßpolen und den Galiziern eine merkwürdige Unlust, Mangel an Ver¬ trauen und Wohlwollen gegenüber den Brüdern hinter den Grenzpfählen — das ist eine traurige Erscheinung, die wir in diesen Tagen des Wiederaufbaus Polens erblicken. Als Vertreter derjenigen Parteien, welche den allpolnischen Gedanken seit Jahrzehnten auf seiner Standarte vermerkt hat, beklagen wir es tief, daß der Augenblick der Wieder¬ erstehung Polens uns innerlich noch nicht gereist genug gefunden hat, zur vollständigen Verschmelzung zu einem Polnischen Typus, welcher alle Unterschiede überragt, die durch Hand der teilenden Mächte gehegt wurden. Besonders schmerzhaft ist eS, zu sehen, wie nicht etwa irgendwelche tatsächlichen Unter¬ schiede, die auf einer besonderen Denk- und schätzungsweise der Angelegenheiten basieren, sondern einfach egoistische Motive wie Eifer¬ sucht, Eitelkeit und lokale Selbstliebe gegen¬ über den Landsleuten von hinter dem Korton hier eine Rolle spielen. Das sind Symptome eines ungesunden Partikularismus, welche man rücksichtslos verdammen muß. . . Es ist kein Geheimnis, daß in gewissen Kreisenbei uns ein Unwillen gegen dieOffiziere

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/443>, abgerufen am 15.01.2025.