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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Zu den neuen Reichssteuern auf das Einkommen

sein Geld in soliden Unternehmungen anzulegen, sondern damit weiterschiebt, spart
in gesetzlich legaler Weise die zehn Prozent Kapitalertragssteuer, die den Rentner
belasten. Wer ist voltswirtschaftlich mehr wert, der Schieber, der die Arbeiter
durch Preissteigerungen ausbeutet und das Leben dauernd verteuert, oder der
Rentner, der durch vernünftige Kapitalanlage dem Arbeiter Brot gibt?

Eine zweite Unerträglich keit ergibt sich logisch aus der theoretisch falschen
Konstruktion der besonderen Kapitaleinkommcnsteuer als Kapitalertragsteuer. Die
Kapitalertragfleuer soll angeblich danach keine persönliche, sondern eine Objekt¬
steuer sein. Also muß jeder Kapitalertrag als Objekt unter Steuer gestellt werden,
gleichgültig, ob ihm durch das persönliche Band des Ertragsbsrechtigten gleich¬
wertige Schulden gegenüberstehen, die den Ertrag für den Berechtigten volks¬
wirtschaftlich auf null reduzieren. Es ist im Entwurf ausdrücklich untersagt, vom
Kapitalertrag Schulden abzuziehen, die Hypothek, die in voller Höhe verpfändet
ist. die Wertpapiere, die diskontiert sind, müssen in gleicher Höhe versteuert werden,
wie die unverpfändeten Hypotheken und wie die nicht diskontierten Papiere. Der
kleine Rentner, der sich unter den gegenwärtigen Verhältnissen nur durch Auf¬
nahme von Schulden aus sein .Kapitalvermögen (die er später abzutragen hoffte)
vorläufig halten konnte, wird allein durch die fortlaufend zu zahlenden Steuern
in voller Höhe seines nominalen Kapitalsvermögens immer mehr in die Ver¬
schuldung hineingestoßen, bis sein Kapital ausgezehrt ist.

Und nun die praktische Folge der übermäßigen Besitzbelastung im allgemeinen.
Sie ergibt sich schon aus meinen früher veröffentlichten Aufsätzen, insbesondere
aus demjenigen in Ur. 41 "Solidarität von Besitz und Proletariat in Steuer¬
sachen". Wir haben oben, ausgehend von dem Gedankengang der Sozialdemo¬
kratie und unserer jetzigen Gesetzgeber bei der Darstellung der vielfachen Steuer¬
häufung auf Besitz und Kapital nicht die Abwälzung der Steuer in Rücksicht ge¬
zogen. Es soll aber hier noch einmal wiederholt werden, daß selbstverständlich
kein Kraut dafür gewachsen ist, diese Abwälzung zu verhindern. Die Gewerbe¬
steuer wird von vornherein in die Preise, die der Gewerbetreibende für seine
Produkte nimmt, einkalkuliert, die Grundsteuer erhöht die Mieter und die Preise
für die landwirtschaftlichen Produkte. Die Kapitalertragssteuer erhöht den Zins¬
fuß; war bisher der durchschnittliche Zinsfuß 6 Prozent, so wird er jetzt das
Bestreben zeigen, auf SV2 Prozent anzuwachsen. Die Produktion wird dadurch
allgemein verteuert, die Preise für Lebensmittel und alle Produkte steigen ent¬
sprechend. Wir haben schon früher gezeigt, daß die Einkommensteuer, die nach
alter, auch der sozialdemokratischen Auffassung, unabwälzbar sein sollte, beim
Arbeitseinkommen die Wirkung haben wird, Löhne und Gehälter zu steigern, um
das Verlorene einzuholen, beim Renten- und Besitzeinkommen die Wirkung, trotz
der ungeheuren Abgabe nach wie vor das Einkommen auf solcher Höhe zu halten,
daß eine Vernichtung der Produktion vermieden wird. Die Produktion braucht,
um nur auf der gleichen Höhe zu bleiben, außerordentliche jährliche Zuschüsse,
Neuinvestierungen von Kapital, denn Maschinen und alle Produktionsmittel nützen
sich ab und müssen ergänzt werden. Sie sind bereits durch die Kriegs- und
Nevolutionswirtschaft auf einen derartigen Stand der Unterwertigkeit herabgesunken,
daß ganz unverhältnismäßig hohe Kapitalszuschüsse erforderlich sind, um sie wieder
auf den Vorfriedensstand zu bringen. Woher aber sollen diese Kapitalien anders
genommen werden, als aus dem Einkommen, der einzigen Quelle zur Neubildung
von Kapital, die es gibt. Die Gewinne, die der Produzent nehmen muß, um den
Versuch zu machen, den Untergang seines Unternehmens aus Mangel an den
notwendigen Kapitalzuschüssen auszuhalten, wachsen ins Ungemessene und dem¬
entsprechend die Preise der Produkte, die Teuerung. Die allgemeine wirtschaftliche
Moral wird dadurch untergraben, denn so schafft man den Nährboden, auf dem
das Schiebertum blüht. Der Unternehmer hat aber nicht nur die Verluste durch
Einkommensteuer wettzumachen, ihm wird sein notwendiges Kapital durch Kriegs-
steuer und Notopfer teilweise konfisziert. Auch das muß ausgeglichen werden,
wenn er sich halten will. Die Preise aller Produkte wachsen weiter rapide, da"


Zu den neuen Reichssteuern auf das Einkommen

sein Geld in soliden Unternehmungen anzulegen, sondern damit weiterschiebt, spart
in gesetzlich legaler Weise die zehn Prozent Kapitalertragssteuer, die den Rentner
belasten. Wer ist voltswirtschaftlich mehr wert, der Schieber, der die Arbeiter
durch Preissteigerungen ausbeutet und das Leben dauernd verteuert, oder der
Rentner, der durch vernünftige Kapitalanlage dem Arbeiter Brot gibt?

Eine zweite Unerträglich keit ergibt sich logisch aus der theoretisch falschen
Konstruktion der besonderen Kapitaleinkommcnsteuer als Kapitalertragsteuer. Die
Kapitalertragfleuer soll angeblich danach keine persönliche, sondern eine Objekt¬
steuer sein. Also muß jeder Kapitalertrag als Objekt unter Steuer gestellt werden,
gleichgültig, ob ihm durch das persönliche Band des Ertragsbsrechtigten gleich¬
wertige Schulden gegenüberstehen, die den Ertrag für den Berechtigten volks¬
wirtschaftlich auf null reduzieren. Es ist im Entwurf ausdrücklich untersagt, vom
Kapitalertrag Schulden abzuziehen, die Hypothek, die in voller Höhe verpfändet
ist. die Wertpapiere, die diskontiert sind, müssen in gleicher Höhe versteuert werden,
wie die unverpfändeten Hypotheken und wie die nicht diskontierten Papiere. Der
kleine Rentner, der sich unter den gegenwärtigen Verhältnissen nur durch Auf¬
nahme von Schulden aus sein .Kapitalvermögen (die er später abzutragen hoffte)
vorläufig halten konnte, wird allein durch die fortlaufend zu zahlenden Steuern
in voller Höhe seines nominalen Kapitalsvermögens immer mehr in die Ver¬
schuldung hineingestoßen, bis sein Kapital ausgezehrt ist.

Und nun die praktische Folge der übermäßigen Besitzbelastung im allgemeinen.
Sie ergibt sich schon aus meinen früher veröffentlichten Aufsätzen, insbesondere
aus demjenigen in Ur. 41 „Solidarität von Besitz und Proletariat in Steuer¬
sachen". Wir haben oben, ausgehend von dem Gedankengang der Sozialdemo¬
kratie und unserer jetzigen Gesetzgeber bei der Darstellung der vielfachen Steuer¬
häufung auf Besitz und Kapital nicht die Abwälzung der Steuer in Rücksicht ge¬
zogen. Es soll aber hier noch einmal wiederholt werden, daß selbstverständlich
kein Kraut dafür gewachsen ist, diese Abwälzung zu verhindern. Die Gewerbe¬
steuer wird von vornherein in die Preise, die der Gewerbetreibende für seine
Produkte nimmt, einkalkuliert, die Grundsteuer erhöht die Mieter und die Preise
für die landwirtschaftlichen Produkte. Die Kapitalertragssteuer erhöht den Zins¬
fuß; war bisher der durchschnittliche Zinsfuß 6 Prozent, so wird er jetzt das
Bestreben zeigen, auf SV2 Prozent anzuwachsen. Die Produktion wird dadurch
allgemein verteuert, die Preise für Lebensmittel und alle Produkte steigen ent¬
sprechend. Wir haben schon früher gezeigt, daß die Einkommensteuer, die nach
alter, auch der sozialdemokratischen Auffassung, unabwälzbar sein sollte, beim
Arbeitseinkommen die Wirkung haben wird, Löhne und Gehälter zu steigern, um
das Verlorene einzuholen, beim Renten- und Besitzeinkommen die Wirkung, trotz
der ungeheuren Abgabe nach wie vor das Einkommen auf solcher Höhe zu halten,
daß eine Vernichtung der Produktion vermieden wird. Die Produktion braucht,
um nur auf der gleichen Höhe zu bleiben, außerordentliche jährliche Zuschüsse,
Neuinvestierungen von Kapital, denn Maschinen und alle Produktionsmittel nützen
sich ab und müssen ergänzt werden. Sie sind bereits durch die Kriegs- und
Nevolutionswirtschaft auf einen derartigen Stand der Unterwertigkeit herabgesunken,
daß ganz unverhältnismäßig hohe Kapitalszuschüsse erforderlich sind, um sie wieder
auf den Vorfriedensstand zu bringen. Woher aber sollen diese Kapitalien anders
genommen werden, als aus dem Einkommen, der einzigen Quelle zur Neubildung
von Kapital, die es gibt. Die Gewinne, die der Produzent nehmen muß, um den
Versuch zu machen, den Untergang seines Unternehmens aus Mangel an den
notwendigen Kapitalzuschüssen auszuhalten, wachsen ins Ungemessene und dem¬
entsprechend die Preise der Produkte, die Teuerung. Die allgemeine wirtschaftliche
Moral wird dadurch untergraben, denn so schafft man den Nährboden, auf dem
das Schiebertum blüht. Der Unternehmer hat aber nicht nur die Verluste durch
Einkommensteuer wettzumachen, ihm wird sein notwendiges Kapital durch Kriegs-
steuer und Notopfer teilweise konfisziert. Auch das muß ausgeglichen werden,
wenn er sich halten will. Die Preise aller Produkte wachsen weiter rapide, da»


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[0332] Zu den neuen Reichssteuern auf das Einkommen sein Geld in soliden Unternehmungen anzulegen, sondern damit weiterschiebt, spart in gesetzlich legaler Weise die zehn Prozent Kapitalertragssteuer, die den Rentner belasten. Wer ist voltswirtschaftlich mehr wert, der Schieber, der die Arbeiter durch Preissteigerungen ausbeutet und das Leben dauernd verteuert, oder der Rentner, der durch vernünftige Kapitalanlage dem Arbeiter Brot gibt? Eine zweite Unerträglich keit ergibt sich logisch aus der theoretisch falschen Konstruktion der besonderen Kapitaleinkommcnsteuer als Kapitalertragsteuer. Die Kapitalertragfleuer soll angeblich danach keine persönliche, sondern eine Objekt¬ steuer sein. Also muß jeder Kapitalertrag als Objekt unter Steuer gestellt werden, gleichgültig, ob ihm durch das persönliche Band des Ertragsbsrechtigten gleich¬ wertige Schulden gegenüberstehen, die den Ertrag für den Berechtigten volks¬ wirtschaftlich auf null reduzieren. Es ist im Entwurf ausdrücklich untersagt, vom Kapitalertrag Schulden abzuziehen, die Hypothek, die in voller Höhe verpfändet ist. die Wertpapiere, die diskontiert sind, müssen in gleicher Höhe versteuert werden, wie die unverpfändeten Hypotheken und wie die nicht diskontierten Papiere. Der kleine Rentner, der sich unter den gegenwärtigen Verhältnissen nur durch Auf¬ nahme von Schulden aus sein .Kapitalvermögen (die er später abzutragen hoffte) vorläufig halten konnte, wird allein durch die fortlaufend zu zahlenden Steuern in voller Höhe seines nominalen Kapitalsvermögens immer mehr in die Ver¬ schuldung hineingestoßen, bis sein Kapital ausgezehrt ist. Und nun die praktische Folge der übermäßigen Besitzbelastung im allgemeinen. Sie ergibt sich schon aus meinen früher veröffentlichten Aufsätzen, insbesondere aus demjenigen in Ur. 41 „Solidarität von Besitz und Proletariat in Steuer¬ sachen". Wir haben oben, ausgehend von dem Gedankengang der Sozialdemo¬ kratie und unserer jetzigen Gesetzgeber bei der Darstellung der vielfachen Steuer¬ häufung auf Besitz und Kapital nicht die Abwälzung der Steuer in Rücksicht ge¬ zogen. Es soll aber hier noch einmal wiederholt werden, daß selbstverständlich kein Kraut dafür gewachsen ist, diese Abwälzung zu verhindern. Die Gewerbe¬ steuer wird von vornherein in die Preise, die der Gewerbetreibende für seine Produkte nimmt, einkalkuliert, die Grundsteuer erhöht die Mieter und die Preise für die landwirtschaftlichen Produkte. Die Kapitalertragssteuer erhöht den Zins¬ fuß; war bisher der durchschnittliche Zinsfuß 6 Prozent, so wird er jetzt das Bestreben zeigen, auf SV2 Prozent anzuwachsen. Die Produktion wird dadurch allgemein verteuert, die Preise für Lebensmittel und alle Produkte steigen ent¬ sprechend. Wir haben schon früher gezeigt, daß die Einkommensteuer, die nach alter, auch der sozialdemokratischen Auffassung, unabwälzbar sein sollte, beim Arbeitseinkommen die Wirkung haben wird, Löhne und Gehälter zu steigern, um das Verlorene einzuholen, beim Renten- und Besitzeinkommen die Wirkung, trotz der ungeheuren Abgabe nach wie vor das Einkommen auf solcher Höhe zu halten, daß eine Vernichtung der Produktion vermieden wird. Die Produktion braucht, um nur auf der gleichen Höhe zu bleiben, außerordentliche jährliche Zuschüsse, Neuinvestierungen von Kapital, denn Maschinen und alle Produktionsmittel nützen sich ab und müssen ergänzt werden. Sie sind bereits durch die Kriegs- und Nevolutionswirtschaft auf einen derartigen Stand der Unterwertigkeit herabgesunken, daß ganz unverhältnismäßig hohe Kapitalszuschüsse erforderlich sind, um sie wieder auf den Vorfriedensstand zu bringen. Woher aber sollen diese Kapitalien anders genommen werden, als aus dem Einkommen, der einzigen Quelle zur Neubildung von Kapital, die es gibt. Die Gewinne, die der Produzent nehmen muß, um den Versuch zu machen, den Untergang seines Unternehmens aus Mangel an den notwendigen Kapitalzuschüssen auszuhalten, wachsen ins Ungemessene und dem¬ entsprechend die Preise der Produkte, die Teuerung. Die allgemeine wirtschaftliche Moral wird dadurch untergraben, denn so schafft man den Nährboden, auf dem das Schiebertum blüht. Der Unternehmer hat aber nicht nur die Verluste durch Einkommensteuer wettzumachen, ihm wird sein notwendiges Kapital durch Kriegs- steuer und Notopfer teilweise konfisziert. Auch das muß ausgeglichen werden, wenn er sich halten will. Die Preise aller Produkte wachsen weiter rapide, da»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/332>, abgerufen am 15.01.2025.