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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Zu den neuen Reichssteuern auf das Einkommen

eins Grundbesitz und Gewerbebetrieb vorliegt, sondern daß außerdem noch die
Einkommensteuer alles Einkommen, auch das aus Grundbesitz, Gewerbebetrieb und
Kapital erneut zur Abgabe heranzieht. Wir haben es tatsächlich also mit einer
dreifachen Einkommensteuer zu tun, gegenüber dem Arbeitseinkommen, das lediglich
durch das Einkommensteuergesetz getroffen wird. Das Verhältnis wird noch un¬
günstiger, wenn man berücksichtigt, daß auch die Besitzsteuern, das Notopfer, die
Kriegsabgabe usw. nur den Besitz, das Kapital, und zwar in seiner Substanz
treffen. Es sei den heutigen Gesetzgebern empfohlen, sich auf die ältere Literatur
über die direkten Steuern einmal zu besinnen, die in ihrer Theorie des Ein-
koinmensteuergedankens glänzend ist und die neueren Autoren vielfach hinter sich
zurückläßt. Bereits im Jahre 1868 warnte Eisenbart in seinem Buche "Die
Kunst der Besteuerung" im Namen des "besonnenen Liberalismus", vor der
"Fratze", zu der der Einkommensteuergedanke in Verbindung mit der sozialistischen
Doktrin werden könne. Es ist nicht zu bezweifeln, daß die heutigen Manifestationen
dieses Gedankens die Befürchtungen Eisenharts noch weit hinter sich lassen.

Dieser theoretisch falschen Ausfassung entsprechen die praktischen Konsequenzen.
Wir haben im allgemeinen auf diese bereits in dem Aufsatz in Ur. 49 hinge¬
wiesen. Gegenüber der damals angekündigten Gestalt der Ertragssteuer ist eine
Änderung insofern eingetreten, als nunmehr nicht zwei Steuersätze von 10 und
20 Prozent gelten, sondern die Steuer durchweg nur 10 Prozent des Kapital¬
ertrages beträgt. Die Belastung ist aber gleichwohl eine außerordentliche. Be¬
sonders nach zwei Richtungen soll hier noch auf ihre Unertrnglichkeit hin¬
gewiesen werden. Der kleine Rentner wird nach der Steuer der verhältnismäßig
schwerstbelastete Steuerzahler sein. Das Renteneinkommen von 6000 Mark trägt
an Einkommensteuer und Kapitalertragssteuer 20 Prozent, also 1200 Mark. Wenn
man berücksichtigt, daß außerdem Kriegsabgabe und Notopfer zu entrichten sind,
so wird das Verhältnis noch wesentlich ungünstiger. Die Begründung zum Ein¬
kommensteuerentwurf gibt eine Tabelle des Ergebnisses aller vier Belastungen.
Danach vermindert sich nach Abzug aller vier Steuern das Kapitaleinkommen von
5000 Mark auf 2673 Mark! Das gilt allerdings nur dann, wenn e" sich um
Vermögen handelt, das während des Krieges erworben ist. Handelt es sich um
Vermögen, das nur zur Hälfte während des Krieges erworben ist, so vermindert
sich das Einkommen von 5000 Mark rach Abzug der vier Steuern auf 3346 Mark.
Handelt es sich um altes Vermögen, das während des Krieges keinen Zuwachs
erhalten hat, so vermindert sich das Einkommen auf 3650 Mark, eine geradezu
ungeheuerliche Belastung, wenn man bedenkt, daß heutzutage das Einkommen
von 5000 Mark keinen größeren Wert hat, als vor dem Kriege ein Einkommen
von 1000 bis 1250 Mark. Sogar bei einer Familie von fünf Köpfen sinkt daS Ein-
kommen von 5000 Mark -- und zwar aus altem Vermögen -- nach Abzug der
Steuer auf 3396 Markt Es bedarf keiner, weiteren Erklärung, daß dies nicht
nur die Vernichtung und Proletarisierung des Mittelstandes bedeutet, sondern
eine Herabdrückung des Mittelstandes wesentlich unter das durchschnittliche Niveau
des bisherigen Proletariats. Die ungeheuerliche Ungerechtigkeit, die in dieser Be¬
teuerung liegt, wird erst recht klar, wenn man sich vergegenwärtigt, was eigentlich
die kleine Rente volkswirtschaftlich bedeutet. Der Haß unterscheidet nicht, Kapital¬
rente ist ihm Kapitalrente. Gerade die kleine Rente aber ist in der Regel nichts
weiter als aufgespeicherter Arbeitsverdienst. Der kleine Gewerbetreibende arbeitet
ein Leben lang, um im Alter ein Vermögen von 100000 Mark erworben zu
haben und von dessen Zinsen seinen Lebensabend zu fristen. Die Rente ist für
diesen nichts anderes als die Pension für den Beamten, die Invalidenrente für
den Arbeiter. Nur ein Unterschied besteht: während der pensionierte Beamte und
der Jnvalidenrentner in unproduktiver Weise öffentliche Mittel aufzehrt, läßt der
"eine Kapitalrentner sein Kapital weiter in volkswirtschaftlich wertvoller Weise
arbeiten, dient damit der Produktion und dem Broterwerb des Arbeiters. AIS
^ohn dafür wird ihm jetzt sein Lebenswerk zerstört. Und weiter: der Schieber,
der im Umsehen mit einem Geschäft Hunderttausende verdient, sich aber hütet,


Zu den neuen Reichssteuern auf das Einkommen

eins Grundbesitz und Gewerbebetrieb vorliegt, sondern daß außerdem noch die
Einkommensteuer alles Einkommen, auch das aus Grundbesitz, Gewerbebetrieb und
Kapital erneut zur Abgabe heranzieht. Wir haben es tatsächlich also mit einer
dreifachen Einkommensteuer zu tun, gegenüber dem Arbeitseinkommen, das lediglich
durch das Einkommensteuergesetz getroffen wird. Das Verhältnis wird noch un¬
günstiger, wenn man berücksichtigt, daß auch die Besitzsteuern, das Notopfer, die
Kriegsabgabe usw. nur den Besitz, das Kapital, und zwar in seiner Substanz
treffen. Es sei den heutigen Gesetzgebern empfohlen, sich auf die ältere Literatur
über die direkten Steuern einmal zu besinnen, die in ihrer Theorie des Ein-
koinmensteuergedankens glänzend ist und die neueren Autoren vielfach hinter sich
zurückläßt. Bereits im Jahre 1868 warnte Eisenbart in seinem Buche „Die
Kunst der Besteuerung" im Namen des „besonnenen Liberalismus", vor der
„Fratze", zu der der Einkommensteuergedanke in Verbindung mit der sozialistischen
Doktrin werden könne. Es ist nicht zu bezweifeln, daß die heutigen Manifestationen
dieses Gedankens die Befürchtungen Eisenharts noch weit hinter sich lassen.

Dieser theoretisch falschen Ausfassung entsprechen die praktischen Konsequenzen.
Wir haben im allgemeinen auf diese bereits in dem Aufsatz in Ur. 49 hinge¬
wiesen. Gegenüber der damals angekündigten Gestalt der Ertragssteuer ist eine
Änderung insofern eingetreten, als nunmehr nicht zwei Steuersätze von 10 und
20 Prozent gelten, sondern die Steuer durchweg nur 10 Prozent des Kapital¬
ertrages beträgt. Die Belastung ist aber gleichwohl eine außerordentliche. Be¬
sonders nach zwei Richtungen soll hier noch auf ihre Unertrnglichkeit hin¬
gewiesen werden. Der kleine Rentner wird nach der Steuer der verhältnismäßig
schwerstbelastete Steuerzahler sein. Das Renteneinkommen von 6000 Mark trägt
an Einkommensteuer und Kapitalertragssteuer 20 Prozent, also 1200 Mark. Wenn
man berücksichtigt, daß außerdem Kriegsabgabe und Notopfer zu entrichten sind,
so wird das Verhältnis noch wesentlich ungünstiger. Die Begründung zum Ein¬
kommensteuerentwurf gibt eine Tabelle des Ergebnisses aller vier Belastungen.
Danach vermindert sich nach Abzug aller vier Steuern das Kapitaleinkommen von
5000 Mark auf 2673 Mark! Das gilt allerdings nur dann, wenn e» sich um
Vermögen handelt, das während des Krieges erworben ist. Handelt es sich um
Vermögen, das nur zur Hälfte während des Krieges erworben ist, so vermindert
sich das Einkommen von 5000 Mark rach Abzug der vier Steuern auf 3346 Mark.
Handelt es sich um altes Vermögen, das während des Krieges keinen Zuwachs
erhalten hat, so vermindert sich das Einkommen auf 3650 Mark, eine geradezu
ungeheuerliche Belastung, wenn man bedenkt, daß heutzutage das Einkommen
von 5000 Mark keinen größeren Wert hat, als vor dem Kriege ein Einkommen
von 1000 bis 1250 Mark. Sogar bei einer Familie von fünf Köpfen sinkt daS Ein-
kommen von 5000 Mark — und zwar aus altem Vermögen — nach Abzug der
Steuer auf 3396 Markt Es bedarf keiner, weiteren Erklärung, daß dies nicht
nur die Vernichtung und Proletarisierung des Mittelstandes bedeutet, sondern
eine Herabdrückung des Mittelstandes wesentlich unter das durchschnittliche Niveau
des bisherigen Proletariats. Die ungeheuerliche Ungerechtigkeit, die in dieser Be¬
teuerung liegt, wird erst recht klar, wenn man sich vergegenwärtigt, was eigentlich
die kleine Rente volkswirtschaftlich bedeutet. Der Haß unterscheidet nicht, Kapital¬
rente ist ihm Kapitalrente. Gerade die kleine Rente aber ist in der Regel nichts
weiter als aufgespeicherter Arbeitsverdienst. Der kleine Gewerbetreibende arbeitet
ein Leben lang, um im Alter ein Vermögen von 100000 Mark erworben zu
haben und von dessen Zinsen seinen Lebensabend zu fristen. Die Rente ist für
diesen nichts anderes als die Pension für den Beamten, die Invalidenrente für
den Arbeiter. Nur ein Unterschied besteht: während der pensionierte Beamte und
der Jnvalidenrentner in unproduktiver Weise öffentliche Mittel aufzehrt, läßt der
"eine Kapitalrentner sein Kapital weiter in volkswirtschaftlich wertvoller Weise
arbeiten, dient damit der Produktion und dem Broterwerb des Arbeiters. AIS
^ohn dafür wird ihm jetzt sein Lebenswerk zerstört. Und weiter: der Schieber,
der im Umsehen mit einem Geschäft Hunderttausende verdient, sich aber hütet,


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[0331] Zu den neuen Reichssteuern auf das Einkommen eins Grundbesitz und Gewerbebetrieb vorliegt, sondern daß außerdem noch die Einkommensteuer alles Einkommen, auch das aus Grundbesitz, Gewerbebetrieb und Kapital erneut zur Abgabe heranzieht. Wir haben es tatsächlich also mit einer dreifachen Einkommensteuer zu tun, gegenüber dem Arbeitseinkommen, das lediglich durch das Einkommensteuergesetz getroffen wird. Das Verhältnis wird noch un¬ günstiger, wenn man berücksichtigt, daß auch die Besitzsteuern, das Notopfer, die Kriegsabgabe usw. nur den Besitz, das Kapital, und zwar in seiner Substanz treffen. Es sei den heutigen Gesetzgebern empfohlen, sich auf die ältere Literatur über die direkten Steuern einmal zu besinnen, die in ihrer Theorie des Ein- koinmensteuergedankens glänzend ist und die neueren Autoren vielfach hinter sich zurückläßt. Bereits im Jahre 1868 warnte Eisenbart in seinem Buche „Die Kunst der Besteuerung" im Namen des „besonnenen Liberalismus", vor der „Fratze", zu der der Einkommensteuergedanke in Verbindung mit der sozialistischen Doktrin werden könne. Es ist nicht zu bezweifeln, daß die heutigen Manifestationen dieses Gedankens die Befürchtungen Eisenharts noch weit hinter sich lassen. Dieser theoretisch falschen Ausfassung entsprechen die praktischen Konsequenzen. Wir haben im allgemeinen auf diese bereits in dem Aufsatz in Ur. 49 hinge¬ wiesen. Gegenüber der damals angekündigten Gestalt der Ertragssteuer ist eine Änderung insofern eingetreten, als nunmehr nicht zwei Steuersätze von 10 und 20 Prozent gelten, sondern die Steuer durchweg nur 10 Prozent des Kapital¬ ertrages beträgt. Die Belastung ist aber gleichwohl eine außerordentliche. Be¬ sonders nach zwei Richtungen soll hier noch auf ihre Unertrnglichkeit hin¬ gewiesen werden. Der kleine Rentner wird nach der Steuer der verhältnismäßig schwerstbelastete Steuerzahler sein. Das Renteneinkommen von 6000 Mark trägt an Einkommensteuer und Kapitalertragssteuer 20 Prozent, also 1200 Mark. Wenn man berücksichtigt, daß außerdem Kriegsabgabe und Notopfer zu entrichten sind, so wird das Verhältnis noch wesentlich ungünstiger. Die Begründung zum Ein¬ kommensteuerentwurf gibt eine Tabelle des Ergebnisses aller vier Belastungen. Danach vermindert sich nach Abzug aller vier Steuern das Kapitaleinkommen von 5000 Mark auf 2673 Mark! Das gilt allerdings nur dann, wenn e» sich um Vermögen handelt, das während des Krieges erworben ist. Handelt es sich um Vermögen, das nur zur Hälfte während des Krieges erworben ist, so vermindert sich das Einkommen von 5000 Mark rach Abzug der vier Steuern auf 3346 Mark. Handelt es sich um altes Vermögen, das während des Krieges keinen Zuwachs erhalten hat, so vermindert sich das Einkommen auf 3650 Mark, eine geradezu ungeheuerliche Belastung, wenn man bedenkt, daß heutzutage das Einkommen von 5000 Mark keinen größeren Wert hat, als vor dem Kriege ein Einkommen von 1000 bis 1250 Mark. Sogar bei einer Familie von fünf Köpfen sinkt daS Ein- kommen von 5000 Mark — und zwar aus altem Vermögen — nach Abzug der Steuer auf 3396 Markt Es bedarf keiner, weiteren Erklärung, daß dies nicht nur die Vernichtung und Proletarisierung des Mittelstandes bedeutet, sondern eine Herabdrückung des Mittelstandes wesentlich unter das durchschnittliche Niveau des bisherigen Proletariats. Die ungeheuerliche Ungerechtigkeit, die in dieser Be¬ teuerung liegt, wird erst recht klar, wenn man sich vergegenwärtigt, was eigentlich die kleine Rente volkswirtschaftlich bedeutet. Der Haß unterscheidet nicht, Kapital¬ rente ist ihm Kapitalrente. Gerade die kleine Rente aber ist in der Regel nichts weiter als aufgespeicherter Arbeitsverdienst. Der kleine Gewerbetreibende arbeitet ein Leben lang, um im Alter ein Vermögen von 100000 Mark erworben zu haben und von dessen Zinsen seinen Lebensabend zu fristen. Die Rente ist für diesen nichts anderes als die Pension für den Beamten, die Invalidenrente für den Arbeiter. Nur ein Unterschied besteht: während der pensionierte Beamte und der Jnvalidenrentner in unproduktiver Weise öffentliche Mittel aufzehrt, läßt der "eine Kapitalrentner sein Kapital weiter in volkswirtschaftlich wertvoller Weise arbeiten, dient damit der Produktion und dem Broterwerb des Arbeiters. AIS ^ohn dafür wird ihm jetzt sein Lebenswerk zerstört. Und weiter: der Schieber, der im Umsehen mit einem Geschäft Hunderttausende verdient, sich aber hütet,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/331>, abgerufen am 15.01.2025.