Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Syrien Türken miterdrückten Völker und zur Einsetzung nationaler Regierungen und Was im November 1913 lediglich als ein Erfordernis der örtlichen Syrien Türken miterdrückten Völker und zur Einsetzung nationaler Regierungen und Was im November 1913 lediglich als ein Erfordernis der örtlichen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0026" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336316"/> <fw type="header" place="top"> Syrien</fw><lb/> <p xml:id="ID_66" prev="#ID_65"> Türken miterdrückten Völker und zur Einsetzung nationaler Regierungen und<lb/> Verwaltungen, die aus freiem Antrieb und aus freier Wahl der einheimischen<lb/> Bevölkerung hervorgegangen sind", ein englisch-französisches Abkommen vom<lb/> 9. November 1918, in dem beide Mächte sich darin einig erklären, in den<lb/> gegenwärtig durch die Alliierten befreiten und weiter zu befreienden Teilen<lb/> Syriens und Mesopotamiens die Einsetzung einheimischer Regierungen und<lb/> Verwaltungen zu unterstützen und solche Regierungen sogleich nach ihrer Ein¬<lb/> setzung anzuerkennen. „Weit davon entfernt, der Bevölkerung dieser Gebiete<lb/> die oder jene Einrichtungen aufzudrängen, erklären sie sich lediglich darum<lb/> besorgt, durch ihre Unterstützung und ihren wirksamen Beistand das normale<lb/> Funktionieren der in Freiheit gewählten Regierungen und Verwaltungen zu<lb/> sichern. Die Rolle, die die beiden verbündeten Regierungen für sich in den<lb/> befreiten Gebieten in Anspruch nehmen, besteht darin, eine unparteiische und<lb/> für alle gleichmäßige Justiz zu sichern, durch Anregung und Ermunterung<lb/> örtlicher Initiativen die wirtschaftliche Entwicklung des Landes zu fördern, die<lb/> Ausbreitung des Unterrichts zu begünstigen und den von der türkischen Politik<lb/> allzu lange ausgenützten Zwistigkeiten ein Ende zu machen."</p><lb/> <p xml:id="ID_67" next="#ID_68"> Was im November 1913 lediglich als ein Erfordernis der örtlichen<lb/> militärischen Lage erscheinen mochte, entpuppte sich, als im Frühling auf der<lb/> Friedenskonferenz der Emir Faissal, der folgerecht erwählte König der Hedschas<lb/> erschien, als logisches Kettenglied einer planmäßigen britischen Politik. Der<lb/> Emir Faissal ist nämlich niemand anders als der Sohn jenes Königs Hussein,<lb/> dem die Engländer schon während des Krieges unter Ausnützung der religiösen<lb/> Streitigkeiten der Mohammedaner bemüht waren, die Rotte eines Kalifen zuzu¬<lb/> schieben. Der Emir Faissal aber beanspruchte jetzt im Namen der Araber,<lb/> für das ganze syrische Hinterland mit Aleppo, Hamens, Homs und<lb/> Damaskus (dem Zentrum der algerischen Mohammedaner-Jntrigsn!) das Selbst¬<lb/> bestimmungsrecht der Völker, ja, er kündigte diese Ansprüche nicht nur feierlich<lb/> in Paris an, sondern zog auch unter Aufbietung eines ungeheuren und<lb/> eindrucksvoller Pompes feierlich als König in Damaskus ein. Angesichts<lb/> dieser Entwicklung beschloß man in Paris, gegen den Willen der Franzosen<lb/> die Entsendung einer interalliierten Untersuchungskommission, an der schließlich<lb/> jedoch nur die Amerikaner teilnahmen, um die Frage der Mandaterteilung zu<lb/> prüfen. Und nun zeigte sich das überraschende Resultat, daß mit Ausnahme<lb/> der Christen des Libanon, der überwiegende Teil der syrischen Bevölkerung<lb/> für ein amerikanisches, und wenn dieses nicht zu haben, für ein englisches<lb/> Mandat stimmte, sich jedoch auf alle Fälle in bestimmter Weise gegen ein<lb/> französisches Mandat aussprach. Dieses Ergebnis machte in französischen<lb/> Levantelreisen ungeheures Aufsehen. Bereits vorher hatte man sich gefragt,<lb/> was man eigentlich in Mossul und Diarbekir sollte, die. man lieber gegen<lb/> Aleppo und Damaskus eingetauscht gesehen hätte, und hatte zur Eindämmung<lb/> britischer Bestrebungen daraus hingewiesen, daß die Syrer Syrien und Palästina<lb/> als unteilbare Einheit betrachteten, jetzt zog man zur Erklärung dieses Ergebnisses<lb/> ohne weiteres die durch amerikanische Hände gehende Lebensmittelversorgung,<lb/> sowie die Eigenart der englischen militärischen Besetzung des Landes heran.<lb/> „Wenn man die Besetzung des Landes zufällig den Tschecho-Slowaken anvertraut<lb/> hätte", fchrieb ein Pariser Blatt damals wörtlich, „so hätten sich die Syrer<lb/> zweifellos auch für Prag ausgesprochen" und man gab sich viel Mühe, den<lb/> Engländern unter Hinweis auf die Unruhen in Ägypten klar zu machen, daß<lb/> sie sich mit dieser Araberpolitik ins eigene Fleisch schneiden würden. Höher<lb/> noch stiegen die Wogen der Entrüstung als das englisch-persische Abkommen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0026]
Syrien
Türken miterdrückten Völker und zur Einsetzung nationaler Regierungen und
Verwaltungen, die aus freiem Antrieb und aus freier Wahl der einheimischen
Bevölkerung hervorgegangen sind", ein englisch-französisches Abkommen vom
9. November 1918, in dem beide Mächte sich darin einig erklären, in den
gegenwärtig durch die Alliierten befreiten und weiter zu befreienden Teilen
Syriens und Mesopotamiens die Einsetzung einheimischer Regierungen und
Verwaltungen zu unterstützen und solche Regierungen sogleich nach ihrer Ein¬
setzung anzuerkennen. „Weit davon entfernt, der Bevölkerung dieser Gebiete
die oder jene Einrichtungen aufzudrängen, erklären sie sich lediglich darum
besorgt, durch ihre Unterstützung und ihren wirksamen Beistand das normale
Funktionieren der in Freiheit gewählten Regierungen und Verwaltungen zu
sichern. Die Rolle, die die beiden verbündeten Regierungen für sich in den
befreiten Gebieten in Anspruch nehmen, besteht darin, eine unparteiische und
für alle gleichmäßige Justiz zu sichern, durch Anregung und Ermunterung
örtlicher Initiativen die wirtschaftliche Entwicklung des Landes zu fördern, die
Ausbreitung des Unterrichts zu begünstigen und den von der türkischen Politik
allzu lange ausgenützten Zwistigkeiten ein Ende zu machen."
Was im November 1913 lediglich als ein Erfordernis der örtlichen
militärischen Lage erscheinen mochte, entpuppte sich, als im Frühling auf der
Friedenskonferenz der Emir Faissal, der folgerecht erwählte König der Hedschas
erschien, als logisches Kettenglied einer planmäßigen britischen Politik. Der
Emir Faissal ist nämlich niemand anders als der Sohn jenes Königs Hussein,
dem die Engländer schon während des Krieges unter Ausnützung der religiösen
Streitigkeiten der Mohammedaner bemüht waren, die Rotte eines Kalifen zuzu¬
schieben. Der Emir Faissal aber beanspruchte jetzt im Namen der Araber,
für das ganze syrische Hinterland mit Aleppo, Hamens, Homs und
Damaskus (dem Zentrum der algerischen Mohammedaner-Jntrigsn!) das Selbst¬
bestimmungsrecht der Völker, ja, er kündigte diese Ansprüche nicht nur feierlich
in Paris an, sondern zog auch unter Aufbietung eines ungeheuren und
eindrucksvoller Pompes feierlich als König in Damaskus ein. Angesichts
dieser Entwicklung beschloß man in Paris, gegen den Willen der Franzosen
die Entsendung einer interalliierten Untersuchungskommission, an der schließlich
jedoch nur die Amerikaner teilnahmen, um die Frage der Mandaterteilung zu
prüfen. Und nun zeigte sich das überraschende Resultat, daß mit Ausnahme
der Christen des Libanon, der überwiegende Teil der syrischen Bevölkerung
für ein amerikanisches, und wenn dieses nicht zu haben, für ein englisches
Mandat stimmte, sich jedoch auf alle Fälle in bestimmter Weise gegen ein
französisches Mandat aussprach. Dieses Ergebnis machte in französischen
Levantelreisen ungeheures Aufsehen. Bereits vorher hatte man sich gefragt,
was man eigentlich in Mossul und Diarbekir sollte, die. man lieber gegen
Aleppo und Damaskus eingetauscht gesehen hätte, und hatte zur Eindämmung
britischer Bestrebungen daraus hingewiesen, daß die Syrer Syrien und Palästina
als unteilbare Einheit betrachteten, jetzt zog man zur Erklärung dieses Ergebnisses
ohne weiteres die durch amerikanische Hände gehende Lebensmittelversorgung,
sowie die Eigenart der englischen militärischen Besetzung des Landes heran.
„Wenn man die Besetzung des Landes zufällig den Tschecho-Slowaken anvertraut
hätte", fchrieb ein Pariser Blatt damals wörtlich, „so hätten sich die Syrer
zweifellos auch für Prag ausgesprochen" und man gab sich viel Mühe, den
Engländern unter Hinweis auf die Unruhen in Ägypten klar zu machen, daß
sie sich mit dieser Araberpolitik ins eigene Fleisch schneiden würden. Höher
noch stiegen die Wogen der Entrüstung als das englisch-persische Abkommen
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