Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Zu den geplanten Reichssteuern auf das Ginkommen des Konkurses in irgend einer Form entschließen. Man hofft noch auf ein Es genügt auch nicht, das Volk immer wieder zur Arbeit zu ernähren. Wir leiden bereits jetzt unter einer zu hohen Einkommenbesteuerung. Und 19*
Zu den geplanten Reichssteuern auf das Ginkommen des Konkurses in irgend einer Form entschließen. Man hofft noch auf ein Es genügt auch nicht, das Volk immer wieder zur Arbeit zu ernähren. Wir leiden bereits jetzt unter einer zu hohen Einkommenbesteuerung. Und 19*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0235" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336525"/> <fw type="header" place="top"> Zu den geplanten Reichssteuern auf das Ginkommen</fw><lb/> <p xml:id="ID_869" prev="#ID_868"> des Konkurses in irgend einer Form entschließen. Man hofft noch auf ein<lb/> Herausarbeiten. Und es sollen hiergegen vorläufig keine Einwendungen erhoben<lb/> werden. Aber gerade wenn man auf ein Herausarbeiten ausgeht, so ist es<lb/> unbedingt notwendig, sich die furchtbare materielle Situation klar vor Augen zu<lb/> halten. Verschleierungen und Beschönigungen helfen nichts. Besonders muß<lb/> jede Steuermaßnahme von der klaren Erkenntnis dieses Sachverhaltes ausgehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_870"> Es genügt auch nicht, das Volk immer wieder zur Arbeit zu ernähren.<lb/> Mit der Arbeit allein ist es im wirtschaftlichen Leben nicht getan. Sie hat nur<lb/> dann Wert, wenn produktive Werte vorhanden sind, mit denen gearbeitet werden<lb/> kann. Zum Herausarbeiten gehört zweierlei: Arbeit und Arbeitskapital. Eine<lb/> Steuergesetzgebung, die auf eine Konfiskation des Arbeitskapitals hinaus-<lb/> läuft, vernichtet die Möglichkeit des Herausarbeitens. Darüber dürfen auch nicht<lb/> die jetzt oft fabelhaft günstigen Handelsgelegenheiten hinwegtäuschen. Sie beruhen<lb/> letzten Endes alle auf der börsenmäszigen Ausbeutung der schlechten deutschen<lb/> Auslandsvaluta und der Sperrung des inländischen Geldmarktes gegenüber dem<lb/> Auslande durch das Verbot des Agiohandels mit Gold und ähnliche Maßnahmen,<lb/> die es bewirkt haben, daß ein klaffender Unterschied zwischen dem inländischen<lb/> und dem ausländischen Wert unseres Geldes hervorgetreten ist. Überhaupt ist<lb/> die Handelsbilanz nicht maßgebend für die Blüte einer Volkswirtschaft. Auch<lb/> beim Ausverkauf einer Volkswirtschaft kann der Handel glänzende Geschäfte<lb/> machen — bis der Ausverkauf beendet ist. Zum Herausarbeiten ist allein die<lb/> schaffende Produktion fähig. Ihre Förderung in jeder Hinsicht ist daher die<lb/> wichtigste Voraussetzung für jede günstige deutsche Zukunftsentwicklung. Dazu<lb/> gehört aber Schonung, ja Mehrung des Produktionskapitals. Statt dessen hat<lb/> die Steuergesetzgebung den entgegengesetzten Weg beschritten. Man fing an »ut<lb/> der teilweisen Wegsteuerung der Kriegsgewinne — unter den damaligen Umständen<lb/> noch erträglich — jetzt aber folgt in immer stärkerem Maße die Wegsteuerung<lb/> des Vermöqenszuwachses. des Erbes und zuletzt im sogenannten Notopfer des<lb/> Stammkapitals selbst, alles ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der Zukunft.<lb/> Nunmehr soll auch eine Einkommenbesteuerung von außerordentlichem Umfange<lb/> einsetzen. Es gibt nur eine einzige Quelle, aus der sich das Kapital ergänzt:<lb/> das ist das Einkommen. Eine Einkommenbesteuerung, die dies acht beachtet,<lb/> verschüttet die Quelle für die Zukunft und begräbt damit endgültig die Hoffnungen,<lb/> die wir noch auf ein Emporarbeiten setzen. Auf diese Gefahr kann nicht nach-<lb/> drücklich genug hingewiesen werden. Eine solche Einkommensteuer kaun auch<lb/> höchstens Erfolge für den Augenblick erzielen. In Verbindung mit den außer¬<lb/> ordentlichen Besitzsteüern wird sie schon in den nächsten Jahren ihre eigenen<lb/> Ertrage wesentlich Herabdrücken, ohne daß dann Möglichkeiten für neue Steuern<lb/> noch vorhanden sein werden. Auch die gegenwärtige Steuerpolitik ähnelt ver-<lb/> zweifelt einem Konkursausverkauf. Sie sucht die Schuldenlast durch Opferung<lb/> des Nationalvermögens abzubürden, ohne daß doch dadurch bei der außer¬<lb/> ordentlichen Überschuldung das Ziel erreicht werden könnte. Man sollte auch<lb/> bedenken, daß eine Steuerpolitik, die auf ein Verschwinden des Nationalvermögens<lb/> hinausläuft, auf die Feinde geradezu als Anreiz wirken muß. nun ihrerseits me<lb/> Hand auf das noch vorhandene Vermögen zu legen. Selbst soweit be: ihnen<lb/> Noch Müßigung vorhanden sein sollte, können solche Stimmen sich keine Geltung<lb/> verschaffen gegenüber den obigen Gedankengängen, die auch für fie aus der<lb/> Hand liegen.</p><lb/> <p xml:id="ID_871" next="#ID_872"> Wir leiden bereits jetzt unter einer zu hohen Einkommenbesteuerung. Und<lb/> doch kann man in Preußen die durchschnittliche Besteuerung des Gesamteinkommens<lb/> nur auf höchstens 15 Prozent annehmen: der Staatssteuersatz steigt vo,i '/- Prozent<lb/> brs zum Höchstsatz von 4 Prozent. Nehmen wir als durchschnittliche Besteuerung<lb/> 3 Prozent an. (die amtlichen Zahlen stehen mir nicht zur Verfügung);<lb/> nehmen wir ferner die Kommunalbesteuerung auf 300 Prozent an; und nehmen<lb/> wir endlich wieder — zweifellos zu hoch — die Ergänzungssteuer und staatlichen<lb/> Zuschlage auf 3 Prozent an. so kommen wir doch nur auf 15 Prozent. D:e</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 19*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0235]
Zu den geplanten Reichssteuern auf das Ginkommen
des Konkurses in irgend einer Form entschließen. Man hofft noch auf ein
Herausarbeiten. Und es sollen hiergegen vorläufig keine Einwendungen erhoben
werden. Aber gerade wenn man auf ein Herausarbeiten ausgeht, so ist es
unbedingt notwendig, sich die furchtbare materielle Situation klar vor Augen zu
halten. Verschleierungen und Beschönigungen helfen nichts. Besonders muß
jede Steuermaßnahme von der klaren Erkenntnis dieses Sachverhaltes ausgehen.
Es genügt auch nicht, das Volk immer wieder zur Arbeit zu ernähren.
Mit der Arbeit allein ist es im wirtschaftlichen Leben nicht getan. Sie hat nur
dann Wert, wenn produktive Werte vorhanden sind, mit denen gearbeitet werden
kann. Zum Herausarbeiten gehört zweierlei: Arbeit und Arbeitskapital. Eine
Steuergesetzgebung, die auf eine Konfiskation des Arbeitskapitals hinaus-
läuft, vernichtet die Möglichkeit des Herausarbeitens. Darüber dürfen auch nicht
die jetzt oft fabelhaft günstigen Handelsgelegenheiten hinwegtäuschen. Sie beruhen
letzten Endes alle auf der börsenmäszigen Ausbeutung der schlechten deutschen
Auslandsvaluta und der Sperrung des inländischen Geldmarktes gegenüber dem
Auslande durch das Verbot des Agiohandels mit Gold und ähnliche Maßnahmen,
die es bewirkt haben, daß ein klaffender Unterschied zwischen dem inländischen
und dem ausländischen Wert unseres Geldes hervorgetreten ist. Überhaupt ist
die Handelsbilanz nicht maßgebend für die Blüte einer Volkswirtschaft. Auch
beim Ausverkauf einer Volkswirtschaft kann der Handel glänzende Geschäfte
machen — bis der Ausverkauf beendet ist. Zum Herausarbeiten ist allein die
schaffende Produktion fähig. Ihre Förderung in jeder Hinsicht ist daher die
wichtigste Voraussetzung für jede günstige deutsche Zukunftsentwicklung. Dazu
gehört aber Schonung, ja Mehrung des Produktionskapitals. Statt dessen hat
die Steuergesetzgebung den entgegengesetzten Weg beschritten. Man fing an »ut
der teilweisen Wegsteuerung der Kriegsgewinne — unter den damaligen Umständen
noch erträglich — jetzt aber folgt in immer stärkerem Maße die Wegsteuerung
des Vermöqenszuwachses. des Erbes und zuletzt im sogenannten Notopfer des
Stammkapitals selbst, alles ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der Zukunft.
Nunmehr soll auch eine Einkommenbesteuerung von außerordentlichem Umfange
einsetzen. Es gibt nur eine einzige Quelle, aus der sich das Kapital ergänzt:
das ist das Einkommen. Eine Einkommenbesteuerung, die dies acht beachtet,
verschüttet die Quelle für die Zukunft und begräbt damit endgültig die Hoffnungen,
die wir noch auf ein Emporarbeiten setzen. Auf diese Gefahr kann nicht nach-
drücklich genug hingewiesen werden. Eine solche Einkommensteuer kaun auch
höchstens Erfolge für den Augenblick erzielen. In Verbindung mit den außer¬
ordentlichen Besitzsteüern wird sie schon in den nächsten Jahren ihre eigenen
Ertrage wesentlich Herabdrücken, ohne daß dann Möglichkeiten für neue Steuern
noch vorhanden sein werden. Auch die gegenwärtige Steuerpolitik ähnelt ver-
zweifelt einem Konkursausverkauf. Sie sucht die Schuldenlast durch Opferung
des Nationalvermögens abzubürden, ohne daß doch dadurch bei der außer¬
ordentlichen Überschuldung das Ziel erreicht werden könnte. Man sollte auch
bedenken, daß eine Steuerpolitik, die auf ein Verschwinden des Nationalvermögens
hinausläuft, auf die Feinde geradezu als Anreiz wirken muß. nun ihrerseits me
Hand auf das noch vorhandene Vermögen zu legen. Selbst soweit be: ihnen
Noch Müßigung vorhanden sein sollte, können solche Stimmen sich keine Geltung
verschaffen gegenüber den obigen Gedankengängen, die auch für fie aus der
Hand liegen.
Wir leiden bereits jetzt unter einer zu hohen Einkommenbesteuerung. Und
doch kann man in Preußen die durchschnittliche Besteuerung des Gesamteinkommens
nur auf höchstens 15 Prozent annehmen: der Staatssteuersatz steigt vo,i '/- Prozent
brs zum Höchstsatz von 4 Prozent. Nehmen wir als durchschnittliche Besteuerung
3 Prozent an. (die amtlichen Zahlen stehen mir nicht zur Verfügung);
nehmen wir ferner die Kommunalbesteuerung auf 300 Prozent an; und nehmen
wir endlich wieder — zweifellos zu hoch — die Ergänzungssteuer und staatlichen
Zuschlage auf 3 Prozent an. so kommen wir doch nur auf 15 Prozent. D:e
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