Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Petluras Nordflügel in Richtung Mohilew am Dnjestr diesen von seiner bisherigen Diese Kämpfe, der Zeit und Gruppen verzehrende Kleinkrieg gegen die Zwei schwere militärische Krisen hat die Sowjetrepublik in diesem Jahre Grenzboten IV 1919 18
Petluras Nordflügel in Richtung Mohilew am Dnjestr diesen von seiner bisherigen Diese Kämpfe, der Zeit und Gruppen verzehrende Kleinkrieg gegen die Zwei schwere militärische Krisen hat die Sowjetrepublik in diesem Jahre Grenzboten IV 1919 18
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0217" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336507"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_811" prev="#ID_810"> Petluras Nordflügel in Richtung Mohilew am Dnjestr diesen von seiner bisherigen<lb/> Basis abzuschneiden. Gelingt diese Operation, so blieben die „ukrainischen<lb/> Bolschewisten" auf den Südzipfel Podoliens beschränkt, wenn nicht gar ein Über¬<lb/> tritt auf rumänisches Gebiet die Folge wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_812"> Diese Kämpfe, der Zeit und Gruppen verzehrende Kleinkrieg gegen die<lb/> Bauernbanden und der herannahende Winter machen die baldige Ausnahme einer<lb/> neuen großzügigen Offensive gegen Moskau unwahrscheinlich. Es wäre verständlich,<lb/> wenn die Operationsleitung auf eine Fortführung der festgelaufenen Offensive<lb/> Un Norden vorläufig verzichtet hätte, um hier erst nach Sicherstellung der Lage<lb/> an der Westfront und im Hinterkante sowie nach gründlichen Vorbereitungen,<lb/> die in der Bereitstellung ausreichenden Kriegsgerätes und Ausbau der Nachschub-<lb/> nnien bestehen würden, erneut die Initiative zu ergreifen. Das würde aber erst<lb/> nach dem Winter sein können. Zurzeit aber muß auch an dieser Front ein<lb/> Erfolg der Bolschewiken festgestellt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_813" next="#ID_814"> Zwei schwere militärische Krisen hat die Sowjetrepublik in diesem Jahre<lb/> glücklich überwunden; einmal im Frühjahr, als Koltschak sich der Wolga und<lb/> ^udenitsch Petersburg näherte, das zweite Mal im Herbst bei Judenitschs zweiter<lb/> Offensive und Denikins gleichzeitiger Offensive auf Moskau. Die zentrale rote<lb/> Heeresleitung hat mit vollem Erfolge operiert. Die beiden Gegner in Esthland<lb/> und Sibirien sind fast vernichtend geschlagen, der dritte im Süden ist vorläufig<lb/> Aufgehalten. Mit ihm kann die große Abrechnung vielleicht noch im nächsten<lb/> ^ahre kommen. Zwar ist die Ukraine verloren gegangen, militärisch aber steht<lb/> vie Sowjetrepublik mächtiger da denn je, so stark, daß an leitender Stelle in der<lb/> Entente der Glaube, die Sowjetherrschaft mit Gewalt zu stürzen, verloren ist.<lb/> -veau braucht sich dieser Ansicht nicht anzuschließen. Die Sowjetmacht kann wie<lb/> leve andere mit dem Schwerte zerschlagen werden. Die Mittel hierzu waren da;<lb/> Ac brauchten nur dem festen Willen, die Sowjetrepublik zu zertrümmern, dienstbar<lb/> gemacht zu werden, anstatt Englands Sonderinteressen, das wohl einen Zusaminen-<lb/> oruch des bolschewistischen Staates anstrebt, aber keine Wiederherstellung eines<lb/> »rohen starken Rußlands in der Nähe Indiens und Persiens. Deshalb war seine<lb/> ^ontik in Rußland bisher durchaus zielbewußt und nur scheinbar zwiespältig,<lb/> ^em Ziel war eine dauernde Zermürbung der Sowjetrepublik, aber auch der<lb/> ^owjetgegner. Deshalb hat es die beiden Armeen im Baltikum mattgesetzt, des-<lb/> ist es bereit, jederzeit die unruhigen Kaukasusrepubliken gegen den Don aus¬<lb/> preisn und damit jederzeit Denikin in den Arm fallen. Sicherlich wird England<lb/> vorerst die beiden wichtigsten Punkte in Transkaukasien, Baku und Batna, in der<lb/> ^°ud behalten und sich im Baltikum uoch Stützpunkte sichern. Wenn es jetzt<lb/> ^M. dem völligen Fiasko seiner militärischen Intervention von einer Gewalt-<lb/> dpn? ^ Friedenspolitik mit Sowjetrußland übergehen 'will, so mag man be-<lb/> kam- x,' Frieden mit Sowjetrutzland noch lange keinen Frieden mit Ruß-<lb/> la"b bringt. Schon Frankreich hat in Rußland ganz andere Interessen als Eng-<lb/> Dp, - ^ihm u'egt an einem starken, bündnisfähigen Rußland mit der Spitze gegen<lb/> Deutschland; die Möglichkeit, aus dem Sowjetlande und einer selbständigen<lb/> AA.ne seine Milliarden wiederzubekommen, genügt ihm keineswegs. Kommt<lb/> '„Mes in Kürze der von der Entente angeregte große russische Friedenskongreß<lb/> °^nde, so wird es schwer werden, die vielen entgegengesetzten Interessen bei den<lb/> «llylrelchen Parteien und politischen Gruppen zur Wiederherstellung einer Ne-<lb/> ° .^uugsform, die den Frieden und die Nutzbarmachung der^ gewaltigen Hilfst<lb/> j^Um des Landes gewährleistet, zu vereinigen. Eine begründete Aussicht dafür,<lb/> M dies gelingt, ist kaum vorhanden. Nach der Liquidation der Unternehmen<lb/> ^waloff und Judenitsch bleiben nur Polen, Sibirien und Südrußland als Kampf-<lb/> Mner Sowjetrußlands. Von ihnen fällt Polen nicht schwer ins Gewicht. Seinen<lb/> ^ npermlismus kann Frankreich jederzeit zügeln. Gegen Kernrußland hat es<lb/> aggressiven Tendenzen. Polen und die Nationalukminer unter Petlura<lb/> ?"°/u in der Bekämpfung der Bolschewiken bisher nur nationale Sonderinteressen<lb/> "°rsolgt. Mit deren Befriedigung Hort der Krieg gegen Sowjetrußland automatisch</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1919 18</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0217]
Petluras Nordflügel in Richtung Mohilew am Dnjestr diesen von seiner bisherigen
Basis abzuschneiden. Gelingt diese Operation, so blieben die „ukrainischen
Bolschewisten" auf den Südzipfel Podoliens beschränkt, wenn nicht gar ein Über¬
tritt auf rumänisches Gebiet die Folge wäre.
Diese Kämpfe, der Zeit und Gruppen verzehrende Kleinkrieg gegen die
Bauernbanden und der herannahende Winter machen die baldige Ausnahme einer
neuen großzügigen Offensive gegen Moskau unwahrscheinlich. Es wäre verständlich,
wenn die Operationsleitung auf eine Fortführung der festgelaufenen Offensive
Un Norden vorläufig verzichtet hätte, um hier erst nach Sicherstellung der Lage
an der Westfront und im Hinterkante sowie nach gründlichen Vorbereitungen,
die in der Bereitstellung ausreichenden Kriegsgerätes und Ausbau der Nachschub-
nnien bestehen würden, erneut die Initiative zu ergreifen. Das würde aber erst
nach dem Winter sein können. Zurzeit aber muß auch an dieser Front ein
Erfolg der Bolschewiken festgestellt werden.
Zwei schwere militärische Krisen hat die Sowjetrepublik in diesem Jahre
glücklich überwunden; einmal im Frühjahr, als Koltschak sich der Wolga und
^udenitsch Petersburg näherte, das zweite Mal im Herbst bei Judenitschs zweiter
Offensive und Denikins gleichzeitiger Offensive auf Moskau. Die zentrale rote
Heeresleitung hat mit vollem Erfolge operiert. Die beiden Gegner in Esthland
und Sibirien sind fast vernichtend geschlagen, der dritte im Süden ist vorläufig
Aufgehalten. Mit ihm kann die große Abrechnung vielleicht noch im nächsten
^ahre kommen. Zwar ist die Ukraine verloren gegangen, militärisch aber steht
vie Sowjetrepublik mächtiger da denn je, so stark, daß an leitender Stelle in der
Entente der Glaube, die Sowjetherrschaft mit Gewalt zu stürzen, verloren ist.
-veau braucht sich dieser Ansicht nicht anzuschließen. Die Sowjetmacht kann wie
leve andere mit dem Schwerte zerschlagen werden. Die Mittel hierzu waren da;
Ac brauchten nur dem festen Willen, die Sowjetrepublik zu zertrümmern, dienstbar
gemacht zu werden, anstatt Englands Sonderinteressen, das wohl einen Zusaminen-
oruch des bolschewistischen Staates anstrebt, aber keine Wiederherstellung eines
»rohen starken Rußlands in der Nähe Indiens und Persiens. Deshalb war seine
^ontik in Rußland bisher durchaus zielbewußt und nur scheinbar zwiespältig,
^em Ziel war eine dauernde Zermürbung der Sowjetrepublik, aber auch der
^owjetgegner. Deshalb hat es die beiden Armeen im Baltikum mattgesetzt, des-
ist es bereit, jederzeit die unruhigen Kaukasusrepubliken gegen den Don aus¬
preisn und damit jederzeit Denikin in den Arm fallen. Sicherlich wird England
vorerst die beiden wichtigsten Punkte in Transkaukasien, Baku und Batna, in der
^°ud behalten und sich im Baltikum uoch Stützpunkte sichern. Wenn es jetzt
^M. dem völligen Fiasko seiner militärischen Intervention von einer Gewalt-
dpn? ^ Friedenspolitik mit Sowjetrußland übergehen 'will, so mag man be-
kam- x,' Frieden mit Sowjetrutzland noch lange keinen Frieden mit Ruß-
la"b bringt. Schon Frankreich hat in Rußland ganz andere Interessen als Eng-
Dp, - ^ihm u'egt an einem starken, bündnisfähigen Rußland mit der Spitze gegen
Deutschland; die Möglichkeit, aus dem Sowjetlande und einer selbständigen
AA.ne seine Milliarden wiederzubekommen, genügt ihm keineswegs. Kommt
'„Mes in Kürze der von der Entente angeregte große russische Friedenskongreß
°^nde, so wird es schwer werden, die vielen entgegengesetzten Interessen bei den
«llylrelchen Parteien und politischen Gruppen zur Wiederherstellung einer Ne-
° .^uugsform, die den Frieden und die Nutzbarmachung der^ gewaltigen Hilfst
j^Um des Landes gewährleistet, zu vereinigen. Eine begründete Aussicht dafür,
M dies gelingt, ist kaum vorhanden. Nach der Liquidation der Unternehmen
^waloff und Judenitsch bleiben nur Polen, Sibirien und Südrußland als Kampf-
Mner Sowjetrußlands. Von ihnen fällt Polen nicht schwer ins Gewicht. Seinen
^ npermlismus kann Frankreich jederzeit zügeln. Gegen Kernrußland hat es
aggressiven Tendenzen. Polen und die Nationalukminer unter Petlura
?"°/u in der Bekämpfung der Bolschewiken bisher nur nationale Sonderinteressen
"°rsolgt. Mit deren Befriedigung Hort der Krieg gegen Sowjetrußland automatisch
Grenzboten IV 1919 18
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