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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Zur Lage an den Kampffronten Sowjetrußlands

an dieser Front einsetzenden ernsteren Kämpfe. Die immer wachsende Bedrohung
von Süden halte die Bolschewiken im Laufe des Sommers veranlaßt, allmählich
aus der siegreichen sibirischen Front Kräfte an die Südfront zu werfen und
zunächst auf Nowotscherkask vorzustoßen. Sie drückten Denikins Front aus der
Linie Kamyshin--Borisogljebsk--Pawlowsk am Don bis Zarizyn und an den
Don zurück, wo erst später wieder von der Donarmee stellenweise das verlorene
Gelände wieder gewonnen werden konnte. Auch Vorstöße der roten Truppen
auf Charkow, die Denikins Front bis Waluiki und Woltschansk eindrückten, waren
nur von vorübergehendem Erfolg begleitet. Das war zu Zeiten, als diese Front
sowohl für Denikin als auch die Bolschewiken noch Nebenkriegsschauplatz war.
Nachdem Denikin aber im Westen den Dujepr überschritten, den Bug und das
Schwarze Meer erreicht hatte, die Zufuhren auch über Nikolajew und die
Krim gesichert waren, verlegte er nunmehr seinen Schwerpunkt an die Nordfront.
Non Charkow führte die gegebene neue Stoßrichtung über Kursk--Orel aus
Moskau mit Nebenvperaüonen auf Brjcmsk--Tschernigow und Woronesh---Jelez
zum Schutze der Flanken des Hauptstoßes. Anfangs ging die Offensive flott
vorwärts. Die kühne Kosakengruppe unter geschickter Führung des Generals
Momontow besetzte Woronesh weit hinter dem Rücken der noch bei Lisski und
Nowy Oskol kämpfenden roten Truppen. Assuan, Liwny, Mzensk, Kciratschew
wurden genommen, während der linke Flügel in Richtung Tschernigow nur
langsam vorwärts kam und bei Kiew noch Kämpfe mit Bolschewiken stattfanden,
.die sich in der Gegend von Shitomir--Fcistow noch gehalten hatten; Kiew ging
Mitte Oktober für einige Tage an die Bolschewiken verloren. Im Oktober war
der Höhepunkt der Offensive erreicht. Nunmehr setzten starke Gegenangriffe der
Bolschewiken ein, die sich vornehmlich gegen den linken scheinbar schwächsten Flügel
richteten; Kromy und Dmitnjew wurden von den Bolschewiken erreicht, Orel
blieb daraufhin unhaltbar. Auch Tschernigew mußte wieder geräumt werden.
Am mittleren Don bei Vagutschar und Ast Medwjedizk konnten Erfolge nicht
weiter ausgebaut werden. Mit diesen starken Gegenangriffen der Bolschewiken
liefen gleichzeitig Petluras Angriffe am Bug bei Balta--Brazlaw, die die
Verbindung der Hauptkampffront zum Schwarzen Meere bedrohten. Sie mußten
zur Schwächung der Front im Norden führen. Es scheint, daß der DenMnschen
Operationsleitung ein weiteres Halten in dem weiten Bogen ,um Woronesh-
Kursk nicht möglich war; die Front mußte verkürzt werden, zumal inzwischen
auch eine große Vauernbewegung um Poltawa-Charkow durch Störung des
Nachschubes an die Front wirksam wurde. So sah sich Denikin auch gezwungen,
den linken Flügel zurückzunehmen und Kiew aufzugeben; diesmal zog angeblich
wieder Petlurci ein. Die spärlichen und je nach der Quelle übertriebenen oder
vorsichtig gehaltenen Nachrichten lassen noch nicht erkennen, ob die Lage eine
weitere Zurücknahme der Denikinschen Fronten erfordert; sie gestatten auch kein
Urteil über die Bedeutung der Kämpfe mit-Petlura am Bug und den Umfang
der Bauernbewegung. Als ihr Organisator wird Alanen Tjutjunyk genannt,
der uns von Kiew her als leidenschaftlicher Parteigänger Petluras, voll Temperament
und großer Arbeitskraft bekannt ist. Es ist auch nicht zu verkennen, daß der
bolschewistische Einbruch in Denikins Front südwestlich Orel an der richtigen
Stelle angesetzt war, um die in immer bedrohlichere Nähe Moskaus vorrückende
Front zum Rückzüge zu zwingen. Welcher der drei feindlichen Einwirkungen in
erster Linie der Umschwung in der Lage an der bolschewistischen Südfront zuzu¬
schreiben ist, läßt sich nach den vorliegenden Nachrichten noch nicht beurteilen.
Am richtigsten wird man wohl in der Annahme gehen, daß die gemeinsamen
Angriffe der Bolschewiken und Petluras zwischen Tschernigow--Kiew und Bess-
arabien sowie die Sicherung des Hinterlandes gegen die aufständischen Bauern
so starke Kräfte aus der Hauptkampffront abgezogen haben, daß es Denikin nicht
möglich war, gegen die Bolschewiken seine bisherige Front zu halten. Vielleicht
will er erst in seinem Rücken Ordnung schaffen. Nach den letzten Nachrichten
gewinnt man den Eindruck, daß er im Begriff steht, durch einen Stoß gegen


Zur Lage an den Kampffronten Sowjetrußlands

an dieser Front einsetzenden ernsteren Kämpfe. Die immer wachsende Bedrohung
von Süden halte die Bolschewiken im Laufe des Sommers veranlaßt, allmählich
aus der siegreichen sibirischen Front Kräfte an die Südfront zu werfen und
zunächst auf Nowotscherkask vorzustoßen. Sie drückten Denikins Front aus der
Linie Kamyshin—Borisogljebsk—Pawlowsk am Don bis Zarizyn und an den
Don zurück, wo erst später wieder von der Donarmee stellenweise das verlorene
Gelände wieder gewonnen werden konnte. Auch Vorstöße der roten Truppen
auf Charkow, die Denikins Front bis Waluiki und Woltschansk eindrückten, waren
nur von vorübergehendem Erfolg begleitet. Das war zu Zeiten, als diese Front
sowohl für Denikin als auch die Bolschewiken noch Nebenkriegsschauplatz war.
Nachdem Denikin aber im Westen den Dujepr überschritten, den Bug und das
Schwarze Meer erreicht hatte, die Zufuhren auch über Nikolajew und die
Krim gesichert waren, verlegte er nunmehr seinen Schwerpunkt an die Nordfront.
Non Charkow führte die gegebene neue Stoßrichtung über Kursk—Orel aus
Moskau mit Nebenvperaüonen auf Brjcmsk—Tschernigow und Woronesh—-Jelez
zum Schutze der Flanken des Hauptstoßes. Anfangs ging die Offensive flott
vorwärts. Die kühne Kosakengruppe unter geschickter Führung des Generals
Momontow besetzte Woronesh weit hinter dem Rücken der noch bei Lisski und
Nowy Oskol kämpfenden roten Truppen. Assuan, Liwny, Mzensk, Kciratschew
wurden genommen, während der linke Flügel in Richtung Tschernigow nur
langsam vorwärts kam und bei Kiew noch Kämpfe mit Bolschewiken stattfanden,
.die sich in der Gegend von Shitomir—Fcistow noch gehalten hatten; Kiew ging
Mitte Oktober für einige Tage an die Bolschewiken verloren. Im Oktober war
der Höhepunkt der Offensive erreicht. Nunmehr setzten starke Gegenangriffe der
Bolschewiken ein, die sich vornehmlich gegen den linken scheinbar schwächsten Flügel
richteten; Kromy und Dmitnjew wurden von den Bolschewiken erreicht, Orel
blieb daraufhin unhaltbar. Auch Tschernigew mußte wieder geräumt werden.
Am mittleren Don bei Vagutschar und Ast Medwjedizk konnten Erfolge nicht
weiter ausgebaut werden. Mit diesen starken Gegenangriffen der Bolschewiken
liefen gleichzeitig Petluras Angriffe am Bug bei Balta—Brazlaw, die die
Verbindung der Hauptkampffront zum Schwarzen Meere bedrohten. Sie mußten
zur Schwächung der Front im Norden führen. Es scheint, daß der DenMnschen
Operationsleitung ein weiteres Halten in dem weiten Bogen ,um Woronesh-
Kursk nicht möglich war; die Front mußte verkürzt werden, zumal inzwischen
auch eine große Vauernbewegung um Poltawa-Charkow durch Störung des
Nachschubes an die Front wirksam wurde. So sah sich Denikin auch gezwungen,
den linken Flügel zurückzunehmen und Kiew aufzugeben; diesmal zog angeblich
wieder Petlurci ein. Die spärlichen und je nach der Quelle übertriebenen oder
vorsichtig gehaltenen Nachrichten lassen noch nicht erkennen, ob die Lage eine
weitere Zurücknahme der Denikinschen Fronten erfordert; sie gestatten auch kein
Urteil über die Bedeutung der Kämpfe mit-Petlura am Bug und den Umfang
der Bauernbewegung. Als ihr Organisator wird Alanen Tjutjunyk genannt,
der uns von Kiew her als leidenschaftlicher Parteigänger Petluras, voll Temperament
und großer Arbeitskraft bekannt ist. Es ist auch nicht zu verkennen, daß der
bolschewistische Einbruch in Denikins Front südwestlich Orel an der richtigen
Stelle angesetzt war, um die in immer bedrohlichere Nähe Moskaus vorrückende
Front zum Rückzüge zu zwingen. Welcher der drei feindlichen Einwirkungen in
erster Linie der Umschwung in der Lage an der bolschewistischen Südfront zuzu¬
schreiben ist, läßt sich nach den vorliegenden Nachrichten noch nicht beurteilen.
Am richtigsten wird man wohl in der Annahme gehen, daß die gemeinsamen
Angriffe der Bolschewiken und Petluras zwischen Tschernigow—Kiew und Bess-
arabien sowie die Sicherung des Hinterlandes gegen die aufständischen Bauern
so starke Kräfte aus der Hauptkampffront abgezogen haben, daß es Denikin nicht
möglich war, gegen die Bolschewiken seine bisherige Front zu halten. Vielleicht
will er erst in seinem Rücken Ordnung schaffen. Nach den letzten Nachrichten
gewinnt man den Eindruck, daß er im Begriff steht, durch einen Stoß gegen


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[0216] Zur Lage an den Kampffronten Sowjetrußlands an dieser Front einsetzenden ernsteren Kämpfe. Die immer wachsende Bedrohung von Süden halte die Bolschewiken im Laufe des Sommers veranlaßt, allmählich aus der siegreichen sibirischen Front Kräfte an die Südfront zu werfen und zunächst auf Nowotscherkask vorzustoßen. Sie drückten Denikins Front aus der Linie Kamyshin—Borisogljebsk—Pawlowsk am Don bis Zarizyn und an den Don zurück, wo erst später wieder von der Donarmee stellenweise das verlorene Gelände wieder gewonnen werden konnte. Auch Vorstöße der roten Truppen auf Charkow, die Denikins Front bis Waluiki und Woltschansk eindrückten, waren nur von vorübergehendem Erfolg begleitet. Das war zu Zeiten, als diese Front sowohl für Denikin als auch die Bolschewiken noch Nebenkriegsschauplatz war. Nachdem Denikin aber im Westen den Dujepr überschritten, den Bug und das Schwarze Meer erreicht hatte, die Zufuhren auch über Nikolajew und die Krim gesichert waren, verlegte er nunmehr seinen Schwerpunkt an die Nordfront. Non Charkow führte die gegebene neue Stoßrichtung über Kursk—Orel aus Moskau mit Nebenvperaüonen auf Brjcmsk—Tschernigow und Woronesh—-Jelez zum Schutze der Flanken des Hauptstoßes. Anfangs ging die Offensive flott vorwärts. Die kühne Kosakengruppe unter geschickter Führung des Generals Momontow besetzte Woronesh weit hinter dem Rücken der noch bei Lisski und Nowy Oskol kämpfenden roten Truppen. Assuan, Liwny, Mzensk, Kciratschew wurden genommen, während der linke Flügel in Richtung Tschernigow nur langsam vorwärts kam und bei Kiew noch Kämpfe mit Bolschewiken stattfanden, .die sich in der Gegend von Shitomir—Fcistow noch gehalten hatten; Kiew ging Mitte Oktober für einige Tage an die Bolschewiken verloren. Im Oktober war der Höhepunkt der Offensive erreicht. Nunmehr setzten starke Gegenangriffe der Bolschewiken ein, die sich vornehmlich gegen den linken scheinbar schwächsten Flügel richteten; Kromy und Dmitnjew wurden von den Bolschewiken erreicht, Orel blieb daraufhin unhaltbar. Auch Tschernigew mußte wieder geräumt werden. Am mittleren Don bei Vagutschar und Ast Medwjedizk konnten Erfolge nicht weiter ausgebaut werden. Mit diesen starken Gegenangriffen der Bolschewiken liefen gleichzeitig Petluras Angriffe am Bug bei Balta—Brazlaw, die die Verbindung der Hauptkampffront zum Schwarzen Meere bedrohten. Sie mußten zur Schwächung der Front im Norden führen. Es scheint, daß der DenMnschen Operationsleitung ein weiteres Halten in dem weiten Bogen ,um Woronesh- Kursk nicht möglich war; die Front mußte verkürzt werden, zumal inzwischen auch eine große Vauernbewegung um Poltawa-Charkow durch Störung des Nachschubes an die Front wirksam wurde. So sah sich Denikin auch gezwungen, den linken Flügel zurückzunehmen und Kiew aufzugeben; diesmal zog angeblich wieder Petlurci ein. Die spärlichen und je nach der Quelle übertriebenen oder vorsichtig gehaltenen Nachrichten lassen noch nicht erkennen, ob die Lage eine weitere Zurücknahme der Denikinschen Fronten erfordert; sie gestatten auch kein Urteil über die Bedeutung der Kämpfe mit-Petlura am Bug und den Umfang der Bauernbewegung. Als ihr Organisator wird Alanen Tjutjunyk genannt, der uns von Kiew her als leidenschaftlicher Parteigänger Petluras, voll Temperament und großer Arbeitskraft bekannt ist. Es ist auch nicht zu verkennen, daß der bolschewistische Einbruch in Denikins Front südwestlich Orel an der richtigen Stelle angesetzt war, um die in immer bedrohlichere Nähe Moskaus vorrückende Front zum Rückzüge zu zwingen. Welcher der drei feindlichen Einwirkungen in erster Linie der Umschwung in der Lage an der bolschewistischen Südfront zuzu¬ schreiben ist, läßt sich nach den vorliegenden Nachrichten noch nicht beurteilen. Am richtigsten wird man wohl in der Annahme gehen, daß die gemeinsamen Angriffe der Bolschewiken und Petluras zwischen Tschernigow—Kiew und Bess- arabien sowie die Sicherung des Hinterlandes gegen die aufständischen Bauern so starke Kräfte aus der Hauptkampffront abgezogen haben, daß es Denikin nicht möglich war, gegen die Bolschewiken seine bisherige Front zu halten. Vielleicht will er erst in seinem Rücken Ordnung schaffen. Nach den letzten Nachrichten gewinnt man den Eindruck, daß er im Begriff steht, durch einen Stoß gegen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/216>, abgerufen am 15.01.2025.